AntiCastorNetz MagdeburgHintergründeArgumente gegen den Castortransport von La Hague nach GorlebenArgumentation für eine Blockade des nächsten Atommülltransports von der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) La Hague (Frankreich) nach Gorleben Zu widerlegen ist v. a. Jürgen Trittins (sinngemässe) Aussage: "Wir haben eine nationale Verantwortung, unseren Müll zurückzunehmen und die Franzosen nicht darauf sitzenzulassen." Kurzfassung der Argumente:
1. Solange Atomanlagen weiterbetrieben werden und weiterhin Atommüll
produziert wird, lehnt die Anti-Atom-Bewegung jede Verantwortung für die
und jede Beteiligung an der Entsorgung von Atommüll ab. Ausführliche Fassung mit Hintergrundinformationen: 1. Grundsätzlich lehnt die Anti-Atom-Bewegung jede Verantwortung für Atommüll ab, solange weiterhin Atommüll produziert wird. Jedes "Stillhalten", jeder Kompromiss vor der Abschaltung aller Anlagen dient deren Weiterbetrieb. Gerade bei den bevorstehenden Transporten von La Hague nach Gorleben wird dieser Zusammenhang besonders deutlich: Bereits im Oktober waren mehrere Atommülltransporte von deutschen AKWs nach La Hague geplant, u. a. von Philippsburg. Sie mussten abgesagt werden, weil die französische Regierung sich weigerte, den Müll anzunehmen, bevor die bereits seit zwei Jahren transportbereiten HAW-Glaskokillen (HAW: High Active Waste = hochradioaktiver Abfall) nach Gorleben verfrachtet seien. Nun sind die Lagerkapazitäten in mehreren deutschen Kraftwerken voll: neben Philippsburg auch in Biblis und Stade, die alle nach La Hague transportieren müssen, sowie in Neckarwestheim; von dort sollen Transporte nach Ahaus und Sellafield stattfinden. Können diese Transporte nicht vor der nächsten Revision (d. h. dem Auswechseln der Brennstäbe) im Frühjahr stattfinden, müssen diese Kraftwerke zumindest die Leistung vermindern, evtl. sogar abgeschaltet werden. D. h., der Transport von La Hague nach Gorleben dient unmittelbar dem Weiterbetrieb mehrerer AKWs in Deutschland und der Produktion von weiterem Atommüll. 2. Neben dem generellen Ziel der sofortigen Stilllegung aller Atomanlagen fordert die Anti-Atom-Bewegung besonders vehement die sofortige Beendigung der sog. Wiederaufbereitung. Der Transport von La Hague nach Gorleben dient jedoch der Fortsetzung der Wiederaufbereitung. Neben Urananreicherungsanlagen (z.B. Gronau), die sich innerhalb weniger Wochen in Anlagen zur Produktion von militärisch nutzbarem Uran (U-233,U-235) umrüsten lassen, bietet die WAA eine Option auf Atombombenstoff (Pu-239, Pu-241). Dies ist ein weiteres wesentliches Argument, die Wiederaufarbeitung sofort zu stoppen! Die sogenannte "friedliche Nutzung der Atomenergie" läßt sich nicht von ihrem militärpolitischen Hintergrund trennen. Historisch betrachtet sind AKW gewissermaßen Abfallprodukte aus der Entwicklung der Atombombe. Die ersten Atomreaktoren und Wiederaufbereitungsanlagen in den USA und der Sowjetunion wurden ausschließlich für militärische Zwecke gebaut, um waffentaugliches Material zu erhalten. Diese Zusammenhänge zeigen sich deutlich am Beispiel La Hague: Die Betreiberin COGEMA befindet sich zu 89% (evtl. veraltete Angabe; neuer Deal mit Siemens/Framatome?) im Besitz des staatlich kontrollierten Commissariat a l'energie atomique (CEA). Dieses Komissariat ist für die französische Atomwaffenproduktion und das gesamte Atomwaffentestprogramm verantwortlich. Ausserdem wird bei der sog. Wiederaufbereitung die Menge des Atommülls vervielfacht. Von der Internetseite der BI Lüchow-Dannenberg; Bericht von einem Besuch in La Hague: Das in den abgebrannten Brennelementen enthaltene Uran und Plutonium könne man inzwischen zu über 99 Prozent zurückgewinnen und dann daraus neue Mischoxid (MOX)-brennelemente fertigen. Bei der Wiederaufarbeitung von einer Tonnen Schwermetall blieben nur 1,2 Kubikmeter Atommüll zurück. Bei der direkten Endlagerung der gleichen Menge entstünden dagegen 1,5 Kubikmeter Abfall. Da lügt Herr Ricaud, oder sagen wir, er schönt mehr, als es auch einem Cogéeacutema-Vizepräsidenten erlaubt ist. Selbst der GNS- Geschäftführer Klaus Janberg hat inzwischen jedem fragenden Journalisten klargemacht, daß die bundesdeutschen EVU mit dem recycelten WAA-Uran gar nichts anfangen können. Das Material gehört zwar den EVU als Anlieferern der Brennelemente, soll jedoch am besten den "Franzosen überlassen" werden, meint Janberg. Die Fertigung neuer Brennelemente aus dem WAA-Produkt lohnt nicht, es enthält zu viele Störnuklide. Seine Verarbeitung würde teure Schutzmaßnahmen bei der Herstellung neuer Brennelemente erfordern. "Gegenüber Natururan ist das Uran aus der Wiederaufarbeitung leider nicht konkurrenzfähig", stellt der GNS-Geschäftführer lapidar fest. Daß nur 1,2 Kubikmeter Atommüll pro wiederaufgearbeiteter Tonne Brennstäbe entstehen, darauf insistiert Herr Ricaud hartnäckig. Das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter rechnet dagegen ganz offiziell mit 13 Kubikmeter atomaren WAA-Müll pro Tonne. Aus der vertraglich vereinbarten Aufarbeitung von rund 5.500 Tonnen Brennelementinhalt, hat die Bundesrepublik nach den amtlichen Berechnungen gut 75.000 Kubikmeter WAA-Abfälle zurückzunehmen. Das wertlose Uran noch nicht mitgerechnet. Ein Grund für die schöne Kalkulation Ricauds mag sein, daß Atommüll, der in Deutschland in das Atommüllendlager Schacht- Konrad kommen soll, bei der Cogéma auf großen Halden gleich neben der Anlage unter schwarzen Folien und Erde verbuddelt wird. Jean-Louis Ricaud würde niemals zugeben, daß er Chef einer Atommüllvervielfachungsanlage ist. Die WAAs in Sellafield (Grossbritannien) und La Hague leiten jedes Jahr Millionen Liter radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer. Die radioaktiven Nuklide sind auch in grossen Entfernungen noch nachweisbar. Die HAW-Kokillen, die nur bei der sog. Wiederaufbereitung entstehen, sind extrem gefährlich und keineswegs sicher handhabbar. Dazu einige Details:
Für die Langzeit-Zwischenlagerung von HAW-Kokillen in Behältern gab es
weltweit keine Erprobung und bisher wenig Erfahrungen. Vor diesem
Hintergrund ist es um so erstaunlicher, daß diese Lagerung in der BRD
ohne Überwachung von der und ohne Rückhaltemöglichkeit für die Umgebungsluft
im TBL genehmigt wurde. (TBL = Transportbehälter-Lager, die "Castor-Halle"
in Gorleben) 3. Wer ist "wir"? Eine nationale Verantwortungsgemeinschaft? Ist es "unser Müll" Spätestens seit Tschernobyl 1986 ist eine Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands gegen die Nutzung der Atomenergie. Produziert wurde der Müll nicht von der Bevölkerung, sondern von den Betreibern der Atomkraftwerke. Und das, obwohl sie wissen, dass es kein schlüssiges Entsorgungskonzept gibt. 4. Was heisst "nationale Verantwortung"? Bei diesem Argument müssen alle Alarmglocken schrillen - in der Geschichte wurde damit schon viel Unheil angerichtet. Wenn der Staat schon Verantwortung zeigen will, dann sollte er alle Atomanlagen stilllegen! Bemerkenswert, dass gerade die Grünen hier die nationale Verantwortungsgemeinschaft bemühen und damit die Grenzen instrumentalisieren. Im Zuge unserer Verantwortung sollen wir akzeptieren, dass die Grenzen einerseits für Flüchtlinge weitgehend dicht sind, andererseits Atommüll mit ähnlich grossem Aufwand staatlich geschützt über Grenzen geschafft wird. Atommüll ist ein weltweites Problem; Radioaktivität macht vor Grenzen nicht halt; deshalb lehnen wir "nationale Argumente" auch in diesem Zusammenhang ab. 5. Wer sind "die Franzosen"? Ist es der Müll des französischen Volkes, der französischen Regierung? Oder nicht doch der Müll der privaten Betreiberfirma von La Hague, der Cogema? Zu deren Zielen siehe Punkt 2. 6. Atommülltransporte innerhalb von Deutschland sind wegen der Proteste nur noch in sehr begrenzter Zahl und mit enormem Aufwand durchführbar. Dieses Problem soll dadurch umgangen werden, dass der Müll zuerst von deutschen Kraftwerken in eine Wiederaufarbeitungsanlage im Ausland gebracht wird. (Neben La Hague in Frankreich liefert Deutschland auch Atommüll an die britische WAA in Sellafield.) Diese Transporte fanden in der Vergangenheit wenig Beachtung. Beim Rücktransport wird uns dann eingeredet, wir dürften aus "nationaler Verantwortung" nicht dagegen protestieren. Durch diese Konstruktion soll ein Weiterbetrieb der Atomanlagen in Deutschland ohne grosse Proteste möglich gemacht werden. Auf das Spiel wollen wir uns nicht einlassen. In Zukunft sollen auch Transporte von deutschen AKWs in die WAAs noch stärker blockiert werden. Beim geplanten Transport von Philippsburg nach La Hague im Oktober 2000, der dann wegen der Weigerung der französischen Regierung, den Atommüll anzunehmen, nicht stattfand, waren bereits über 1000 Menschen vor Ort, um dagegen zu protestieren. 7. Jeder Atommülltransport ist gefährlich. Auch ohne Unfall geben die Behälter Strahlung ab. Mit den Behältern wurden keine umfassenden Tests gemacht; vieles wurde nur in Computersimulationen erprobt. Falltests wurden aus einer maximalen Höhe von 9m durchgeführt; viele Brücken auf den Transportstrecken sind jedoch wesentlich höher. Es gibt keine Grenzwerte, unterhalb derer radioaktive Strahlung unbedenklich ist. Die in Deutschland gültigen Grenzwerte beruhen zudem auf äusserst fragwürdigen wissenschaftlichen Methoden: Es wurden Daten von den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki ausgewertet, bei denen die Menschen kurzzeitig extrem hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt waren. Daraus Rückschlüsse auf langfristige niedrige Strahlenbelastungen zu ziehen, ist schlicht unwissenschaftlich. Inzwischen liegen wesentlich verlässlichere Daten vor, die auf mehrfach höhere Gefährdungen hindeuten. Würden die Grenzwerte an diese Erkenntnisse angepasst, müssten alle Atomanlagen in Deutschland stillgelegt werden. Darüber hinaus sind die Grenzwerte auch nichts wert: sie können nicht durchgesetzt oder eingeklagt werden. Der "Castor-Kontaminationsskandal" von 1998 hatte keine juristischen Konsequenzen für die Verursacher. Beim Erörterungstermin in Philippsburg, als die Einwendungen gegen das Zwischenlager am AKW verhandelt wurden, argumentierten die Betreiber: "Die Kontaminationen hatten keine nachweislichen gesundheitlichen Schäden zur Folge". Strahlenschäden zeigen sich jedoch nicht sofort, sondern oft erst nach Jahren. Dann ist ein direkter Zusammenhang mit der Verstrahlung kaum noch nachweisbar. Und selbst wenn ein solcher Nachweis gelänge, könnte er dem Betroffenen nicht mehr helfen. 8. Solange es kein Endlager gibt, sind die Transporte grundsätzlich nicht sinnvoll; die sog. "Castorhalle" in Gorleben bietet nicht mehr Sicherheit als die Stellplätze in La Hague. Die Kühlung der Behälter erfolgt durch ungefilterte, frei zirkulierende Umgebungsluft. Ein Endlager im Gorlebener Salzstock ist unwahrscheinlich; der Standort ist offensichtlich als Endlager ungeeignet. Im Salz wurden Spalten und Wassereinbrüche entdeckt. Überdies bietet auch das Deckgestein keine Sicherheit. D. h., der Atommüll kann langfristig auch nicht in Gorleben bleiben, weitere Transporte werden in Zukunft notwendig sein. 9. Die Blockade von Atommülltransporten bringt Öffentlichkeit; Atomkraft soll nicht erst dann in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten, wenn ein Störfall vorkommt; die Probleme sind immer da. 10. Das Argument, die bestehenden Verträge mit der Cogema müssten erfüllt werden, lehnen wir ab. Die Verträge verstossen gegen Grundrechte wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Zudem ist das Pochen auf Gesetze und Verträge von Seiten der Atomkraftbefürworter unglaubwürdig. So zeigte sich beispielsweise beim Castor-Kontaminationsskandal von 1998, dass die Atomindustrie jahrelang wissentlich gegen geltendes Recht verstiess; Grenzwerte wurden dabei z. T. um mehrere Grössenordnungen überschritten. Diese Rechtsverstösse hatten keinerlei juristische Konsequenzen. |