AntiCastorNetz Magdeburg

Hintergründe

Interview mit einem Anti-AKW-Aktivisten

Falk Beyer aus Magdeburg ist 21 Jahre alt und investiert seine Kraft hauptsächlich in die Arbeit im AntiCastorNetz. Daneben mischt er noch bei anderen Umweltgruppen und politischen Organisationen mit. 1994 (mit 13 Jahren!) kam Falk über einige Naturschutzgruppen zur Anti-AKW-Bewegung.

Was sind die Ziele der Anti-AKW-Bewegung?
Vordergründig wollen wir den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie-Nutzung. Das meint die Abschaltung aller AKW und anderen Atomanlagen und die Beendigung des militärischen Atomprogramms. Wir wollen aber auch generell gegen eine Politik agieren, die Profite über das Leben und die Gesundheit von Menschen stellt. Das schließt Aktivitäten z.B. im antikapitalistischen Bereich ein. Anti-Atom-Gruppen sind in vielen Städten auch an Antifa-, Anti-Militarismus- und anderen Aktivitäten beteiligt.

Rein energiepolitisch - also thematisch begrenzt - waere unsere Arbeit, wenn eine Gruppe nur zum Ziel hat, eine Gesetzesinitiative zur Förderung regenerativer Energien zu erreichen. Oder einfach nur den Atomausstieg gesetzlich festzumachen. eben ohne den gesellschaftlichen Kontext - Hierarchien, Ausbeutung, Macht, ... - zu berücksichtigen und zu kritisieren. Ich sehe unser Tun als eine emanzipatorische Politik, die einen Arbeitsschwerpunkt auf Atompolitik setzt, sich aber nicht ausschließlich damit befasst.

Womit noch?
Es gibt viele Leute, die sich auch in anderen Gruppen mit Kritik am Kapitalismus, an der momentanen Politik, an Sexismus, an Ausbeutung; Antifa-Arbeit, Friedenspolitik, Gleichberechtigung und Rolle der Geschlechter beschäftigen und das auch in die Arbeit in der Bewegung und auch öffentlich einbringen. Wir reduzieren uns nicht so sehr auf das Schwerpunkthema.

Warum bist du gegen Atomkraft?
Die Atomtechnologie ist menschenverachtend. Beim Uranabbau werden die UreinwohnerInnen, die Leute, die ursprünglich dort wohnten, z.B. IndianerInnen, Aborigines, AnwohnerInnen ausgebeutet und ihrer Gesundheit geschädigt sowie die Umwelt verseucht. Auch im sogenannten "Normalbetrieb" der Atomkraftwerke (AKW) wird eine Niedrigstrahlung freigesetzt, die z.B. Leukämie verursachen kann. Jede Strahlendosis kann schon zu Zellschädigungen führen. Radioaktive Strahlung ist sehr energieintensiv. Trifft sie auf eine Zelle, kann diese zerstört oder verändert werden. Das bedeutet Erbgutschäden und/oder krebsartige Erkrankungen. Die Leukämieraten um das AKW Krümmel herum sind sehr viel höher als im Landesdurchschnitt. Ich glaube, da sind 11 Kinder innerhalb weniger Jahre betroffen, obwohl statistisch nur alle paar Jahre mal ein Fall von Erbgutschäden auftreten dürfte. In La Hague ist die Leukämierate dreimal über dem Landesdurchschnitt, in Sellafield zehnmal höher.

Eine andere Sache ist die Gefahr des GAUs (=Größter Anzunehmender Unfall). Sie besteht auch hierzulande jederzeit in jeder Atomanlage. Und nicht zuletzt ist die Entsorgung des hochradioaktiven Atommülls ungelöst. Es ist auch davon auszugehen, dass es niemals eine für Jahrhunderttausende sichere Endlagerung geben kann.

Sind AKWs nicht sicher? Warum besteht die Gefahr eines GAUs?
Nichts ist wirklich sicher. Das technische Unfallrisiko liegt laut deutscher "Risikostudie Kernkraftwerke" bei 2%. Da sind Katastrophen durch menschliches Versagen noch nicht eingerechnet. Aber gerade das steht auf der Tagesordnung: Beispiele: Biblis 87: es gab beinahe einen SuperGAU, weil das Betriebspersonal die Sicherheitsbestimmungen missachtete. Vor ein paar Monaten: EnBW-Skandal - jahrelang wurden die vorgeschriebenen Borsäurekonzentrationen unterschritten, um Geld zu sparen. Diese sind wichtig, wenn es zu einer Reaktorschnellabschaltung kommen soll, um die Neutronen einzufangen. Vor ein paar Wochen: Brunsbüttel-Skandal - die Betreiberfirma hatte zu vertuschen versucht, dass eine Kühlmittelleitung abgerissen war. Außerdem kommt es jedes Jahr in Deutschland zu hunderten Störfällen. Das zeigt die Gefahren ausreichend, denke ich.

Was tust du konkret gegen Atomkraft?
Wir machen Aktionen und Infostände, Infoveranstaltungen und mobilisieren die Menschen zu Castortransporten. Mit aktiver Medienarbeit versuchen wir das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. Einige Aktionen gab`s, wo wir spontane Straßenblockaden, Demos machten. Zum Beispiel am Hiroshima-Tag organisierten wir eine größere Mahnwache, eine Gedenktafel für die Opfer, Straßenfeste, und Die-Ins, wo alle halbe Stunde Sirenen ertönen, Leute tot umfallen (natürlich nur gespielt), und von Leuten in Strahlenschutzanzügen mit Kreide umkreist und weggetragen werden. Dieses Jahr werden zum Tschernobyl-Tag Menschen in schwarzen Gewändern und weiß geschminkt mahnende Schilder tragen und letztes Jahr zur Klimakonferenz rannte auch der "Tod" durch die Stadt und verteilte Flugblätter. Wir verteilten auch an Autos Knöllchen über 500 DM, um gegen die unverhältnissmäßig hohen Strafen wegen einer Straßenblockade zu protestieren. Uns fallen auch immer wieder ganz verschiedene kreative Aktionen ein. Kürzlich führten wir einen politischen Prozess wegen einer Castor-Blockade. Die Richterin schloss sich letztlich unserer Argumentation an und meinte, sie wünsche sich, ihre Kinder wären so engagiert. Aber sie sagte, sie könne uns aufgrund der Gesetzeslage nicht freisprechen. Das sehen wir anders und werden Rechtsmittel gegen das Urteil - 25,- Euro Bußgeld - einlegen. Über diesen Prozess und die Hintergruende informieren wir übrigens auf einer speziellen Internetseite: www.antiatom.de/magdeburg/prozess.

Was sind die Ursachen von AKW, wer profitiert davon?
Ursprünglich war die Atomenergienutzung rein militärisch bedingt. Die ersten Reaktoren wurden zur Gewinnung des Bombenrohstoffs gebaut. Durch die starke Aufrüstung in vielen Ländern reichten die kleinen Militäranlagen nicht mehr aus. Diese neuen Anlagen wurden dann "zivil" genannt, weil sie sozusagen als Nebenprodukt eine Menge Strom produzierten, der von Energiekonzernen verkauft werden konnte. Damit war das angeblich "friedliche" Atomprogramm entstanden. Die Energiekonzerne wurden in Deutschland mit Milliarden subventioniert, damit sie die AKW bauten. Sie haben auch verschiedene Steuervergünstigungen zugestanden bekommen, ohne die der Betrieb etlicher Anlagen wirtschaftlich nicht möglich gewesen wäre. Außerdem kann der Strom nur deswegen kostengünstig verkauft werden, da die Folgekosten (Umweltschäden, Gesundheitsschäden) von der Bevölkerung getragen werden müssen. Die Betreiberfirmen selbst müssen nur einen geringen Anteil - ca.0,1 Prozent - der zu erwartenden Schadenssumme im Katastrophenfall -versichern. Im wesentlichen profitieren hierzulande die Energiekonzerne von der Atomenergienutzung, da sie kaum etwas von den mit dieser Energieerzeugung verbundenen Kosten tragen müssen und es profitieren die Politiker, die Deutschland gern als Atommacht sehen würden. Denn Atomanlagen sind gleichzeitig eine Option, die Atombombe zu bauen. Dazu bedarf es nur einiger Umrüstungen der Anlagen, die wenige Tage in Anspruch nehmen würden.

Was ist mit dem schon beschlossenen Atomausstieg? Warum gebt ihr euch damit nicht zufrieden?
Wo ist hier ein "beschlossener Atomausstieg"? Die Regierung nennt es zwar "Ausstiegsgesetz", es handelt sich aber nur um die gesetzliche Grundlage für den jahrzehntelangen Weiterbetrieb der AKW. Da steht nichts drin, was etwas mit einem Atomausstieg zu tun hätte. Gorleben und Schacht Konrad werden z.B. weiter als Endlagerstandorte favorisiert, die Wiederaufarbeitung nicht verboten, sondern nur die Transporte bis 2005 beschränkt. Bis dahin ist genug Atommüll in den WAA, um noch fünfzehn Jahre oder mehr hochradioaktive Abfälle zu verarbeiten. Außerdem verpflichtet sich die Regierung, für einen störungsfreien Betrieb der Anlagen zu sorgen, bis sie abgeschaltet werden. Und das soll sowieso erst geschehen, wenn sie aus technischen Gründen stillgelegt werden müssten. Nach etwa zehn Jahren verschleißen technische Anlagen immer schneller. Sie werden damit störfallanfälliger. Das ist bei Atomanlagen sehr riskant, weswegen sie eigentlich spätestens dann aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden müssten. Aus rein technischen Gründen rechnet sich der Betrieb dieser Anlagen oft schon nach zwanzig, dreißig Jahren nicht mehr. Die 35 Jahre, die der Konsens-Nonsens festschreibt, entsprechen so ziemlich exakt den Forderungen der Betreiberkonzerne. Die Forderungen nach längeren Laufzeiten sind ein rein machtpolitisches Spiel - die AKW selbst werden, unter Normalumständen, sowieso nicht so lange betrieben.

Weißt du Alternativen zum Stromgewinn?
Grundsätzlich ist der Atomausstieg sofort möglich. Die Überkapazitäten an Kraftwerksleistung sind in Deutschland so hoch, dass nach der Abschaltung der AKW noch immer genug Kraftwerksleistung zur Stromerzeugung vorhanden sein würde. Diese Berechnung wurde für den bisherigen Spitzenverbrauch an Strom geführt, und zwar unter Berücksichtigung der Leistungen, die wegen Reparaturen etc. nicht verfügbar sind. Letztlich ist aber eine ökologische Energiewende notwendig. Das bedeutet nicht nur Atomausstieg, sondern auch Ausstieg aus den konventionellen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas. Dies kann durch massives Energiesparen und Umstieg auf regenerative Energien - Wasser, Wind, Sonne, Biomasse - geschehen.

(erschien in der Lingua - Berliner SchülerInnenzeitung)

zurück