AntiCastorNetz Magdeburg

Hintergründe

Ein Stückchen Realität
Staat & AtomkraftgegnerInnen

(fb) Alles fing an mit der Gründung des AntiCastorNetzes in Magdeburg. AtomkraftgegnerInnen aus der Stadt und Umland taten sich zusammen, um gegen die herrschende Atompolitik aktiv zu werden. Das taten sie mit vielfältigen Aktionen, Infoständen, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit. Zeitweise gab es wöchentlich mehrere Aktionen und Infoveranstaltungen. Viele Leute wurden auf die Atomproblematik aufmerksam gemacht. Soviel Engagement ist doch verdächtig! Das erkannte auch das Landeskriminalamt, das von nun an fleißig Informationen über die Organisation sammelte. Aus einem Anruf des Herrn Raschke (Apparat 2502714) auf das Castor-Infotelefon ging hervor, dass diese Einrichtung sowohl über die Aktivitäten wie auch Aktive eine Menge Daten recherchiert hatte. Ob auch andere Dienste Interesse an der politischen Arbeit der Gruppe haben, ist noch nicht ganz klar.

Sicher hingegen ist, dass (nicht nur in Magdeburg) politisch aktive Menschen, in diesem Falle AtomkraftgegnerInnen, vom Staat mit Repression für ihr Engagement für eine andere, bessere Gesellschaftbelohnt werden. Da passiert es schon, dass die Polizei mit einem Sixpack vor der Tür steht, um zu prüfen, ob der Anti-Atom-Aktivist denn tatsächlich da wohnhaft ist, wo er gemeldet war. Bei solchen Überprüfungen kann es schon mal peinlich werden. Da der Betreffende auch ein Postfach als Adresse verwendete, versuchten PolizistInnen herauszubekommen, ob er in jener Postfiliale wohne.
Olvenstedter Str. 11: in einer Postfiliale vermutete die Polizei den Wohnsitz des Aktivisten Aber dem nicht genug. Wenn ein Atomkraftgegner postalisch und telefonisch nicht erreichbar ist, kann polizist sich ja auch an die Verwandtschaft wenden. Das ist in Ordnungswidrigkeitsverfahren zwar nicht unbedingt üblich, aber so lässt sich die Sorge um unser Klientel am besten ausdrücken. Also: Eltern kriegen Post und Anrufe auf den AB, Großeltern werden auch täglich angerufen, um zu fragen, ob der Enkel nicht mal Lust habe, mit den besorgten Polizisten zu plaudern.

Das Misstrauen der Staatsschützer zeigte sich auch so immer wieder: Wenn ein Infostand angemeldet wird, schnell noch die Vorwarnung angebracht, dass keine Fässer vor den Bahnhof zu rollen sind (der Stand war allerdings vor Karstadt!) und jede Zuwiderhandlung mit Anzeige vergolten werde.
Es gab auch lustige Situationen wie zum Straßenfest im Oktober, wo ein militärisch anmutender (war ja kurz nach dem 11. September) BGS aggressiv das (dazugesagt: angemeldete) Straßenfest bemerkte (!) und erstmal an der Erlaubnis dazu zweifelte. Dazugesagt: die Bundesgrenzschützer gingen geradezu auf den Stand des Castornetzes zu, obwohl andere näherliegend gewesen wären. Später wurde dann angeboten, wenn mensch denn eine Demo (wegen des Vergeltungskrieges gegen Afghanistan) machen wolle, so wäre das OK; wir sollten aber Bescheid sagen. Offen gesagt, hatte das niemand vor, aber die Polizei vermutete wohl hinter jeder Ansammlung von Leuten eine bevorstehende Aktion (nachdem sie zweimal versagt hatte und nicht angemeldete Demos aus Protest gegen Castortransporte stattgefunden hatten).

Nun gut, die Mittel der hiesigen Polizei im Umgang mit politisch Aktiven scheinen oft in kleinen Schikanen, Bespitzelung und martialischem Auftreten zu liegen.
Mehr Erfahrung hat da schon die baden-württembergische Polizei. Die musste schließlich schon mit der Friedensbewegung der 80er Jahre fertigwerden und hat sich einige schlaue Strategien ausgedacht. Dazu gehört es, den politischen Gegner finanziell ausbluten zu lassen. So werden Leute, die sich in Ba-Wü an Castorblockaden beteiligt hatten, in Gewahrsam genommen, und sollen nun auch noch für den unfreiwilligen Freiheitsentzug bezahlen. Auch Magdeburger AtomkraftgegnerInnen sind von solchem Tun betroffen:
Da wären 112 DM für den engagierten Wegtrageeinsatz der Polizei in Philippsburg im April 2001, 16 DM für selbige Tätigkeit in Neckarwestheim, 560 DM Bußgeld für Falschparken des Hinterteils auf der Transportstrecke vor dem AKW Neckarwestheim, 300 DM Bußgeld für den Versuch einer Castorblockade in der Nähe des AKW Rheinsberg, 200 DM für ein paar Zeilen, die ein Polizist auf einen Widerspruch gegen eine Ingewahrsamnahme schreiben musste und noch einiges mehr, was sich mit der Zeit so ansammelt.

Das Ziel solcher Maßnahmen ist klar: DemonstrantInnen sollen sich überlegen, ob es ihnen Wert ist, ihre Meinung zu verkünden, bzw. ob sie genug Geld dafür haben. Wer so frech ist, Widerspruch einzulegen - oder andere Rechtsmittel - darf nochmal sein/ihr Portemonaie erleichtern.

Ob das der richtige Weg ist, politische Konflikte zu lösen, ist fraglich. Denn Lust, das auch noch zu bezahlen, wogegen mensch aktiv ist, hat wohl kaum irgendwer. So werden sich Magdeburger AktivistInnen am 15. bis 17. februar zusammenfinden, um die Vorbereitung und Begleitung von Prozessen zu üben und sich so gegen herrschende Strategien zu wehren.

Sollten Bußgelder und Polizeikosten vollstreckt werden, so wird es gewiss einige Menschen in Magdeburg und anderen Städten geben, die diese nicht zahlen werden. Sollten dann Ersatzfreiheitsstrafend geltend gemacht werden, werden wir dies angemessen öffentlichwirksam verarbeiten.

(erschien im grünen blatt)

zurück