2005-01:Gesinnungsjustiz - 8 Monate ohne Bewährung

Aus grünes blatt
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Vorbei ... und wieder eine harte Gesinnungsjustiz: 8 Monate ohne Bewährung

Bereits im Frühling 2004 berichtete das grüne blatt von dem skandalösen Prozess gegen zwei AktivistInnen aus der Nähe von Giessen und die Verurteilung in erster Instanz. Auch die zweite Instanz endete mit nur geringfügig reduziertem Strafmaß. Das Verfahren reiht sich ein in die Vielzahl dokumentierter "Fälschungen, Erfindungen und Hetze von Polizei, Politik und Justiz um und in Giessen" (www.polizeidoku-giessen.de.vu).

Lang lang hatte es gedauert, bis der zweite Anlauf für den Berufungsprozess gegen zwei Aktive aus dem Umfeld der Projektwerkstatt begann. Im März 2005 ging es wieder los - 11 Verhandlungstage plus 12. Tag für Urteil, 30 Zeugenvernehmungen, unzählige Anträge, Bullenprügel für einen Angeklagten am 6. Verhandlungstag ... ein denkwürdiger Prozess, um juristisch, politisch und aktionstechnisch alles auszureizen. Staatsanwalt Vaupel ließ alles ungerührt, er wollte genau die gleiche Verurteilung wie in der ersten Instanz ...

Während des Prozesszeitraums lief eine umfangreiche Veranstaltungsreihe zu Repression, Justiz und Knast - mit spannenden Veranstaltungen. Zu den einzelnen Prozesstagen gibt es im Internet eine ausführliche Dokumentation auf http://www.projektwerkstatt .de/antirepression/prozesse/haupt_2instanz2.html. Hier nur ein Auszug daraus.

Am 10. März 2005 fand der erste Prozesstag im Berufungsverfahren gegen zwei Aktive aus dem Umfeld der Projektwerkstatt statt. In dem stickigen Sitzungssaal des Landgerichts Giessen wurde allerdings nicht verhandelt – Urteilsverlesung, Anträge der Verteidigung und lange Pausen prägten das Geschehen. Die Ergebnisse: Alle Anträge der Verteidigung wurden abgelehnt, doch der Staatsanwalt ließ sich zu der Bemerkung hinreißen, man könne die Lügenvorwürfe gegen den Stadtverordnetenvorsteher und Polizeibeamte, die als Zeugen auftreten, sowie gegen die Polizeiführung in Gießen ja im Verlauf des Prozesses prüfen. Na denn, dass dürfte im Sinne der Angeklagten sein. Wenige Tage später erschien die neue Dokumentation über die Lügen und Fälschungen der Gießener Polizei.

(...)

Als hätte es die ganzen Prozesstage nicht gegeben. Als hätte es nicht Widersprüche über Widersprüche gegeben. Das Urteil und sogar die Begründung des Urteils in zweiter Instanz in Gießen gegen Politaktivisten glich fast komplett dem aus der ersten Instanz. Die EntlastungszeugInnen haben bestimmt alle irgendwie mal kurz weggeguckt, während die BelastungszeugInnen gerade deshalb glaubwürdig waren, weil die Richterin ihnen die intellektuellen Fähigkeiten absprach, Lügengebilde zu konstruieren. Am Ende gab es 8 Monate ohne Bewährung für den Angeklagten B. und 50 Tagessätze für N. Die Bewährung wurde nicht gewährt, weil B. ja sogar schon während des Prozesses weitermachte, in dem er auf einem Plakat das Urteil „Fuck the police“ kritisierte (hochkopierte Seite aus der Dokumentation) und sich daraufhin von Bullen verprügeln ließ. Sowas aber auch...

Das komplette Urteil mit Kommentierung kann auf http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/urteil2.html nachgelesen werden.

Pressereaktionen

Wie sich schon während des Prozesses abzeichnete, veränderte sich die Wahrnehmung des Prozesses außerhalb der Polizei- und Justizkreise allmählich. Der „Giessener Anzeiger“ veröffentlichte einen Kommentar, in dem stand: „Denn das Urteil ist auch eine Machtdemonstration staatlicher Gewalt“. Bemerkenswert war der spätere Kommentar des bisher nur als Hetzer auftretenden Stadtredaktionschef der Gießener Allgemeine, Guido Tamme (http://www.hetzer-tamme.de.vu) zum Urteil und Prozessverlauf. Neben neuen Diffamierungen schrieb er auch: „Auf einem anderen Blatt steht, dass die hiesige Polizei und Justiz sich nicht immer mit Ruhm bekleckerten, was den Umgang mit dem selbsternannten Berufsrevolutionär angeht“.

Parlamentarisches Nachspiel um Bulleneinsätze

In der Gießener Stadtverordnetenversammlung wurden die verschiedenen Polizeieinsätze auf Antrag der PDS thematisiert. Dabei startete der cholerische FWG-Chef Zippel, der schon einmal den Staatsanwalt gegen den PDSler Janitzki einsetzen wollte, gleich einen bemerkenswerten Angriff und stellte Fragen an die PDS – wieweit sie mit der Projektwerkstatt Kontakte hat, schwallte über Gelder usw. Nach Gail beweist damit der nächste Spitzenpolitiker in Gießen, dass er es schon für verwerflich hält, wenn Menschen miteinander reden. Welche Republik denen vorschwebt, ist deutlich zu erkennen ...

Angriff auf missliebigen PDSler

Bei soviel Kritik schlägt die Gießener Elite natürlich zurück ... und zwar wieder in Form eines absurden Gerichtsverfahrens. Gegen Janitzki läuft inzwischen ein Verfahren wegen Falschaussage vor Gericht – und zwar auch im Prozess gegen Projektwerkstättler. Dort hatte er formuliert, dass am 11.1.2003 die Attacke der Polizei auf die Demonstration „überfallartig“ war. Das hatten aber auch mehrere andere Zeugen so geschildert – bemerkenswert also, dass nur Janitzki ein Verfahren hat. Offensichtlich wirkt hier wieder die Gesinnungsjustiz in Gießen.

Allerdings dürfte ein solches Verfahren auch Chancen bieten, wird die ganze Geschichte doch noch mal aufgerollt. Diesmal kann das Gericht die Zeugenaussagen nicht einfach verschweigen wie Richterin Brühl und ihre Verurteilungscrew im Prozess gegen Projektwerkstättler. Bislang hat die Staatsanwaltschaft gegenüber der Presse auch nur eine Begründung für den Tatverdacht gegen Janitzki gegeben: Die Polizei hat was anderes gesagt ... und die hat ja immer recht, wie hier nochmals amtlich bestätigt wird, dass in der Justiz so gedacht wird.

Gießener Justiz ist Gesinnungsjustiz, Staatsanwälte und Richter sind zumindest zu einem großen Teil willige VollstreckerInnen ihrer Brötchengeber und damit wird die Kritik der Angeklagten im Prozess gegen die Projektwerkstättler auch nochmals gut belegt.

Formale Möglichkeiten für die Verurteilten

Beide Angeklagten haben Revision eingelegt. Die Revisionsbegründung muss nach Vorlage des schriftlichen Urteils erfolgen. Die Revision ist nur mit Rechtsanwälten möglich, dass ist per Gesetz vorgeschrieben. Allerdings haben die bisherigen RechtsanwältInnen schon durchblicken lassen, das nur gegen viel Geld zu machen. Eine Lösung dieses Desasters und der Abhängigkeit von den Formal- und ExpertInnenstrukturen für die Angeklagten ist nicht zu sehen...

Immer absurder wird auf jeden Fall die Ablehnung der Beiordnungen von Pflichtverteidigern. Begründung war damals, dass das Verfahren einfach gelagert ist. Inzwischen gibt es drei offizielle Verfahren wegen Falschaussagen allein zu diesem Prozess. Und wie viele es noch werden, ist offen. Einfach?


Quelle: Indymedia / Projektwerkstatt