2006-01:Energiepolitik der DDR

Aus grünes blatt
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Energiepolitik der DDR

von Falk Beyer

Energieversorgung in der DDR

Zu unterscheiden sind prinzipiell der Primärenergieeinsatz und die Stromerzeugung als eine Form von sekundären Energieumwandlungsprozessen. In den primärenergetischen Bereich fallen alle möglichen Anwendungsgebiete wie Verkehr, Heizung, Elektrizität, industrielle Verwendung etc. Beim durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch lag die DDR Ende der 1980er Jahre an erster Stelle und auch im weltweiten Vergleich hatten nur USA und Kanada höhere Werte.

Dieser überdurchschnittlich hohe Energieverbrauch hatte seine Ursachen in der einseitigen Orientierung auf Braunkohle als Hauptenergieträger und in den völlig veralteten und ineffizienten Umwandlungsanlagen. Auch die Anwendungstechniken waren nicht auf aktuellem Stand, wodurch auch hier große Mengen Energie verschwendet wurden. Allein im Bereich der Stromerzeugung wurden 11,3% der Elektroenergie verbraucht. Die stark subventionierten Energiepreise förderten außerdem unnötigen Energieverbrauch.

Rohstoffgewinnung für die Energieversorgung

Die DDR verfügte nur über geringe eigene Energieträgervorkommen. Braunkohle war die einzige nennenswerte Reserve, die bei gleichbleibender Förderung noch rund 80 bis 150 Jahre ausgereicht hätte. Da die DDR wie andere sozialistische Staaten eine weitestgehend autonome Energieversorgung anstrebte, wurde der Schwerpunkt klar auf die Braunkohlenutzung gesetzt.

Wie in anderen Ländern auch, führte die Atomkrafteuphorie der 1950er Jahre zur Planung eines umfangreichen Atomprogramms. So sollten langfristig alle Probleme der Energieversorgung bewältigt werden. Geplant war eine Gesamtleistung von 110 GW für das Jahr 2000 durch Atomkraftwerke (AKW) zu decken. Diese Prognosen wurden in den folgenden Jahren auf ein Zehntel gesenkt.

Zusammensetzung der Energieträger

Mit über 85% (BRD: ca. 49%) machten feste Brennstoffe 1988 den Hauptanteil der Energieträger zur Stromerzeugung aus. Diese festen Brennstoffe waren fast vollständig mit der Braunkohle identisch. Flüssige Brennstoffe (z.B. Heizöl) stellten nur 0,5% (BRD: 2,6%) des Energiemixes, Wasserkraft machte 1,5% (BRD: 4,8%) aus und die Nutzung der Atomenergie lag bei knapp unter 10% (BRD: ca. 34%).

Für die Erzeugung der Elektroenergie wurde etwa die Hälfte der insgesamt geförderten Braunkohle eingesetzt. In der DDR waren 1988 Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 23,6 GW installiert. Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) - hierbei werden sowohl Strom als auch Wärme erzeugt und weiterverwendet - sank von den 1970er Jahren bis Ende der 1980er Jahre auf etwa die Hälfte.

Veraltete und ineffiziente Anlagen und Netze

Die netzbedingten Verluste betrugen mit etwa 8 TWh ca. 7,5% des Bruttostromverbrauchs - in der BRD lag er zur gleichen Zeit bei 3,7%. Verursacht wurden diese Verluste vor allem durch die großen Entfernungen zwischen den Standorten der Großkraftwerke und den energiezehrenden Ballungszentren, den schlechten Zustand des Verteilungssystems und die nichtvorhandene Kompensation von Blindleistung auf der dezentralen Ebene.

Die meisten Braunkohlekraftwerke waren überaltert. Konzipiert für eine Nutzungsdauer von 100.000 Stunden mussten 1990 mehr als 55% der Anlagen als überaltert eingestuft werden. Diese Kraftwerke haben in der Regel einen schlechteren Wirkungsgrad. Zur Erzeugung einer Kilowattstunde Strom muss also erheblich mehr Braunkohle eingesetzt werden als in neueren Anlagen.

Umweltbelastungen

Durch die Förderung und Verbrennung von Braunkohle bzw. den Uranabbau entstanden eine Reihe von Problemen. Im Zeitraum von 1971 bis 1988 wurden 567 Quadratkilometer Land für Braunkohletagebaue verwüstet, rekultiviert wurden davon nur 404 Quadratkilometer. Diese Flächen können ökologisch keinesfalls die Ursprungslandschaft ersetzen. Bereits 1980 wurden in der DDR 75 Ortschaften abgebaggert, rund 30.000 EinwohnerInnen umgesiedelt und 70 Kilometer Flussläufe verlegt.

Durch die Verbrennung der Braunkohle wurde der größte Teil der Schwefeldioxid- und Staubemissionen verursacht. Die davon ausgehenden grenzüberschreitenden Verschmutzungen betrugen ca. 10 Millionen Tonnen Schwefeldioxid. Ca. 80% der 352 Tonnen CO²-Emissionen im Jahr 1988 gingen auf die Verbrennung von Braunkohle zurück. Folge vor allem der Schwefeldioxid-Emissionen sind Waldschäden, die 1989 mehr als 54% der Bäume betrafen - 16,4% waren mittel bis stark geschädigt.

Durch den Uranabbau in Europas größtem Abbaugebiet (SDAG Wismut) wurde in etwa 400 Schächten, vier Tagebaubetrieben und 16 Absetzanlagen maximal 8.000 Tonnen Natururan pro Jahr gewonnen. Aus dem Uranbergbau resultierten etwa 800 bis 1.000 Halden auf einem Gesamtgebiet von 1.200 Quadratkilometern. Die beteiligten ArbeiterInnen und in dieser Region lebenden Menschen waren verhältnismäßig hohen Gesundheitsrisiken durch das strahlende Material ausgesetzt. Sowohl die Strahlenschutzüberwachung als auch die Erfassung gesundheitsstatistischer Daten lagen in der Hand der SDAG Wismut und waren damit völlig abgekoppelt von den in der DDR üblichen Kontroll- und Meldepflichten.

Bis 1990 gab es in der DDR den 70-Megawatt-Reaktor Rheinsberg, vier 440-Megawatt-Reaktoren in Lubmin bei Greifswald, das Endlager Morsleben, das Zentralinstitut für Kernforschung in Rossendorf mit verschiedenen Atomanlagen sowie weitere Forschungsreaktoren in Dresden und Zittau. Im Bau waren vier weitere Reaktorblöcke zu je 440 Megawatt in Lubmin und zweier 1.000-Megawatt-Blöcke in der Nähe von Stendal und der Bau eines vierten AKW-Standorts in der Dahlener Heide nahe Leipzig. Es gab noch einen fünften Standort, zu dem jedoch keine verbindlichen Angaben mehr gemacht wurden. Auch sollte das AKW in Lubmin um zwei weitere 1.300-Megawatt-Reaktoren erweitert werden.

Auch in der DDR sollten "Schnelle Brüter" und Fusionskraftwerke entstehen. Vielfach angekündigt wurde beispielsweise die Einführung des Schnellen Brüters für die erste Hälfte der 1980er Jahre. Später wurden diese Visionen von einer atomkraftgestützten Energieversorgung zwar wiederholt, über konkrete Zeiträume wurde aber nicht mehr gesprochen.

Organisation der Energiewirtschaft

Alle Betriebe des Energiebereichs unterstanden dem Weisungsrecht des übergeordneten Ministeriums, dies war nach der Fusion des Ministeriums für Kohle und Energie (MKE) mit anderen Ministerien das Ministerium für Schwerindustrie. Hier lag die Verantwortung für die Produktion von Energie und die Deckung des Energiebedarfs. Handlungsgrundlage waren hierbei die von der Staatlichen Plankommission oder vom Ministerrat bestätigten Bilanzen und Kontingente.

Nach der Neustrukturierung der Ministeriumsbereiche waren 1990 das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Energie und Reaktorsicherheit und das Wirtschaftsministerium für die Energiewirtschaft verantwortlich. Die zentrale Energiekommission war das wichtigste Organ zur Koordinierung der Energiepolitik. Ihr unterstanden die Bezirksenergiekommissionen.

Die Staatliche Hauptgasversorgung (HGV) und die Staatliche Hauptlastverteilung (HLV) stellten zusammen mit der Staatlichen Kohleversorgung (SKV) eine übergeordnete Verteilungsebene dar. Neun überregionale Kombinate teilten sich die Aufgaben, die Energieträger zu gewinnen, die Kraftanlagen zu bauen, zu betreiben und die Verbundnetze zu errichten. Fünfzehn weitere, den Bezirken zugeordnete Energiekombinate hatten die Verteilung der Energieträger vorzunehmen.

Auszug aus der Wanderausstellung "Morsleben - Geschichte eines umstrittenen Atomprojekts". http://www.greenkids.de/morsleben/.