2006-01:Waldbesetzung in Schinveld

Aus grünes blatt
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Waldbesetzung in Schinveld

lisa Am 7. Januar nachts hatten wir es dann endlich alle gefunden - das Camp,also das Baumhüttendorf. Es gab ein Lagerfeuer, wo mensch sich wärmen konnte, direkt daneben war die Küche (in einer Baumhütte war auch eine), ein Kompostklo stand etwas abseits und sonst waren natürlich in lauter Bäumen Hütten aus Paletten und anderem Material gebaut worden, von denen mensch Lichter leuchten sah.

Auf mich machte das alles einen sehr schönen, gemütlichen Eindruck, auch wenn es ziemlich kalt war. Wir schliefen die Nacht über am Boden in einem Zelt. Zu diesem Zeitpunkt, eine Nacht vor der Räumung, waren um die 60 WaldbesetzerInnen da. Mit "da" meine ich genauer gesagt das Waldstück in Schinveld bei Geilenkirchen. Die Versorgung war super, da die Menschen aus Schinveld und deren Umgebung die BesetzerInnen mit allem möglichen unterstützten. Kistenweise Essen, Wärmflaschen, Decken, Wasser u.v.m.

Seit 25 Jahren ist die Bevölkerung (und nicht nur die Menschen sondern auch Tiere und Pflanzen) nun schon dem Lärm und Gestank durch Awacs-Radarflugzeuge, die dort von dem NATO-Flughafen gen Irak und Afghanistan starten, ausgesetzt. Die Air Base liegt direkt auf der niederländisch-deutschen Grenze. Da ist die Wahrnehmung des Flughafens sehr verschieden. Wo es nämlich auf niederländischer Seite schon jahrelang Protest gibt, ist er auf deutscher Seite für viele wichtiger Bestandteil. Dies trifft auf beiden Seiten auf viele Menschen zu, aber sicher nicht auf alle!

Der Auslöser für die Besetzung des Waldstücks war, dass die NATO-Air Base vergrößert und dafür ganze 20 ha Wald zerstört werden sollten. Ein Teil davon wird ganz gerodet und bei dem anderen werden die Bäume bis auf einen Meter "verkürzt". Ich finde es extrem erschreckend, wie Menschen so skrupellos sein können, einfach diesen Wald (und all die anderen, die nicht zu vergessen sind) zu töten.

Bei der Vergrößerung des Flughafens handelt es sich darum, dass die Landebahn verlängert werden soll, damit die Awacs schwerer betankt losfliegen können. Doch wenn sie schwerer vom Boden abheben, heißt das, dass sie auch mehr Treibstoff benötigen. Folglich bedeutet das noch mehr Schadstoffe, die in die Luft gelangen. Ansonsten werden die Awacs in der Luft betankt, wobei auch immer Kerosin auf den Boden gelangt. Stoppt Awacs (...und alle anderen Flugzeuge!)

Am Tag der Räumung - um wieder auf die Erlebnisse im Camp zurückzukommen - habe ich mich und viele andere damit beschäftigt, Lock-on`s zu basteln. Wir haben uns dann später in Rohren verkettet. Dann hat uns noch ein Mensch über die rechtliche Lage in den Niederlanden aufgeklärt. Was ich sehr interessant finde: In den Niederlanden ist es so, dass mensch das Recht hat bei Ingewahrsamnahme o.ä. anonym zu bleiben! Mensch hat also nicht die Pflicht, sich auszuweisen.

Am Nachmittag gab es eine Demo von Schinveld aus, die mit einer Kundgebung im Wald endete. Gegen Abend wurden dann die letzten Vorbereitungen getroffen für die Räumung. Mittlerweile war die Zahl der BesetzerInnen auf über 100 und die der Baumhütten auf 12 gestiegen.

Ungefähr um halb 12 kamen voll viele Bullenwagen um den Wald gefahren. Als die Bullen dann in den Wald rein kamen und 4.30 Uhr anfingen die Leute am Boden zu räumen, entstand ein total krasses Tierstimmmengewirr. Alle möglichen Leute ahmten irgendwelche Tierstimmen nach. Danach widmeten sie sich den AktivistInnen auf den Bäumen. Alle Baumhütten waren mit sogenannten Walkways verbunden, also Seilen, mit denen sich die BaumbesetzerInnen von Baumhütte zu Baumhütte rüberhangelten. Das sah wirklich total krass aus! Da es sehr kalt war auf Dauer, rissen die Bullen zuerst das Hüttengerüst bis auf die Plattform ab und schmissen die Nahrungsmittel runter. Sie nutzten die Kälte für ihre Zwecke!

Tagsüber wurden neben der Räumung sogar schon in einer bestimmten Schneise Bäume gefällt. Ich fand das echt so krass, dass nicht weit von mir Bäume getötet wurden. Ich kam total in dieses Onmachtsgefühl rein...

Wir, damit meine ich die Bezugsgruppe von drei Personen, die wir bildeten, hatten uns an einem Baum am Boden verkettet. Später kamen noch 2 Personen dazu. Da der Baum nicht in der besagten Schneise lag, waren wir ziemlich uninteressant für die Bullen. Nach der ersten Räumungsnacht worden wir dann zugelabert damit, dass sie uns erst in ein paar Tagen räumen und wir doch bei der Kälte fürchterlich krank werden... scheißschleimiger Konfliktmanager! Die hatten einfach keinen Bock, sich die Mühe zu machen, unsere Rohre mit 'ner Flex zu durchtrennen! Ach ja, nicht zu vergessen - natürlich kamen sie uns noch mit dem Scheißargument, sie würden uns auch nix antun, wenn wir freiwillig gehen würden. Das macht mich im nachhinein wieder richtig wütend!

Letzten Endes haben wir in der Gruppe beschlossen, freiwillig zu gehen. Größtenteils wohl wegen der Kälte. Doch nachdem wir den Wald verlassen hatten, ging die Räumung noch die näxte Nacht über weiter. Am 10. Januar, also am näxten Tag, gab es mittags noch eine Demo. Mittlerweile waren viele AktivistInnen wieder aus der Gewahrsamnahme frei. Wir zogen bewaffnet mit Gegenständen zum Lautsein vors Gefängnis und danach möglichst nah an den Wald ran. Ziel war, dass die restlichen BaumbesetzerInnen uns hören und daraus vielleicht Kraft o.ä. schöpfen. Doch gegen 17 Uhr stiegen die letzten AktivistInnen freiwillig von den Bäumen. Vorher hatten sie verhandelt, dass wenigstens ein 20m breiter Waldstreifen bestehen bleibt. Nix gegen 20 ha!

Insgesamt waren nun seit Anfang der Waldbesetzung ca. 5 Wochen vergangen und die Räumung dauerte 2 Tage. Als ich wieder bei meinem damaligen Wohnort ankam, ergriffen mich schnell Zweifel, ob ich nicht noch mehr hätte tun können/sollen... Deshalb hab ich dann den Artikel geschrieben, auch wenn ich mir das anfangs nicht wirklich zugetraut hatte.