2008-01:Stoppt das bedingungslose Grundeinkommen

Aus grünes blatt
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Stoppt das bedingungslose Grundeinkommen

jes Natürlich ist diese Überschrift reißerisch. Aber in vielen linken und emanzipatorischen Kreisen wird immer mehr die Idee des Sozialen Grundeinkommens vertreten. Es klingt einfach paradiesisch, wenn man seine (politische) Arbeit, die einem gefällt, machen kann ohne an Geld oder Behörden denken zu müssen. Aber viele sehen nicht die Gefahren, die von einem solchen Einkommen ausgehen.

Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?

Das bedingungslose Grundeinkommen beschreibt die Idee, dass jeder Mensch (innerhalb eines Verwaltungsrahmen wie z.B. einem Staat) vom Verwaltungsrahmen eine feste monatliche Summe bekommt um damit sein Leben bestreiten zu können. Das bedeutet, ohne dass seine Bedürftigkeit geprüft wird. Allgemein anerkannt ist, dass die Summe so hoch sein sollte, damit es zum Leben reicht. Was allerdings „Leben“ umfasst, zum Beispiel ob auch Kultur und Urlaub oder nur Überleben dazugehört, ist bei verschiedenen Modellen sehr unterschiedlich.

Ziele

Ziel des bedingungslosen Grundeinkommens soll es sein, dass die Menschen frei vom Faktor Arbeit zum (Über)leben sind. Sie wären nicht mehr grundsätzlich darauf angewiesen, Arbeiten zu gehen und würden daher nur die Arbeit machen die entweder gut bezahlt oder in ihren Interesse ist.


und die Praxis ?

Finanzierbarkeit

Ein sehr prominentes Beispiel ist das des DM-Chefs Götz Werner. Er verlangt ein bedingungsloses Grundeinkommen von 800 € im Monat. Das würde bei rund 80 Millionen Menschen 768 Mrd. Euro im Jahr kosten. Eine stolze Summe bei einem Bruttosozialprodukt von ca. 3 Billionen und einen Bundeshaushalt von etwa 270 Mrd. Euro. Selbst alle Steuern zusammen (Kommunale-, Länder- und Bundessteuern) würden kaum ausreichen (machten im Jahr 2007 1064 Mrd. € aus). Auch alle anderen Modelle müssen daher entweder von einen extrem niedrigen Grundeinkommen oder einer Komplettreform des Sozial- und Steuerwesens ausgehen.

Möglichkeit ohne Steueränderungen

Natürlich würden bei einem bedingungslosen Grundeinkommen viele Kosten gespart werden. So würde sowohl Hartz4, Kindergeld, wie die gesamten Behörden dahinter möglicherweise wegfallen. Wenn man allerdings die Kosten für diesen Verwaltungsapparat im Bundeshaushalt sieht, kommt man gerade einmal auf 119 Mrd. Euro. Selbst wenn man die Kosten der Kommunen und Länder dazu zählt und 0 Euro für die Bürokratie des bedingungslosen Grundeinkommens ansetzt, hat man nur etwa 142,8 Mrd. Euro zur Verfügung. Bei 80 Millionen Einwohnern würde dies gerade mal einem Grundeinkommen von etwa 150 Euro im Monat entsprechen. Nichts von dem ein Mensch leben könnte. Im Gegenteil, da dieses Grundeinkommen auch Hartz4 ersetzen würde, wäre fortschreitende existenzbedrohende Armut unausweichlich. Sogar das Kindergeld wäre nicht höher als bisher. Gewinner dieses Modells wären zum einen Menschen mit Einkommen, die aber keine Sozialtransfers mehr beziehen würden, sowie die Wirtschaft die nun Menschen dazu bringen könnte jeden Job annehmen zu müssen.

Möglichkeit der Mehrwertsteuererhöhung

Götz Werner schlägt vor zur Finanzierung die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Um aber mit der Mehrwertsteuer eine Summe von 800 Euro für jeden zu erreichen, müsste die auf etwa 114 Prozent angehoben werden. Geht von einer höheren Konsumfreude aus, eher unwahrscheinlich bei höherer Mehrwertsteuer, wären vielleicht auch eine Steigerung von 100 % möglich. Aber selbst das bedeutet de facto eine Erhöhung aller Konsumkosten um etwa 80 Prozent. Und das wiederum bedeute einen Kaufkraftverlust, so das reell jeder Mensch nur ca. 500 € Grundeinkommen bei jetzigen Preisen bekommen würde.

Davon müsste man auch noch 200 € in die Krankenkasse einzahlen. Nach der Miete bliebe da kaum etwas zum leben, gar nicht zu reden von Vorsorge, Kultur oder Sonderausgaben.

Selbst wenn es eine höhere Steuer für Luxusgüter gäbe und eine etwas niedrigere Steuer für Lebensnotwendiges und dazu die Sozialabgaben die jetzt schon laufen hinein gerechnet werden, bleibt kaum mehr als die jetzige Sozialhilfe. Eher weniger.

Gerade für die Empfänger von niedrigen Einkommen, wären Mehrbelastungen deutlich spürbar. Entlastet würden vor allem Firmen, weil die Lohnnebenkosten sinken würden. Ein weiteres Problem dabei ist auch, dass es durchaus denkbar wäre, dass mehr Menschen im Ausland einkaufen. Insbesondere Reiche, die Luxusprodukte im Ausland 80% billiger bekommen würden. Und dadurch die geplanten Einnahmen überhaupt nicht ausreichen würden.

Eine weitere Gefahr ist, dass die Löhne sinken, weil jeder noch einen Nebenjob braucht um von dem Grundeinkommen leben zu können. Ein Verdrängungswettbewerb auf Kosten der Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt wäre wahrscheinlich. Dazu kommt das Argument der Arbeitgeber, dass man ja nur wenig Geld dazu braucht, und deswegen der Lohn ja nicht so hoch sein muss. Der Rest wird ja schon vom Staat bezahlt.

Flexibles Modell mit z.B. einer Sondersteuer

Als interessantestes Modell lässt sich vielleicht noch eine Sondersteuer für das Grundeinkommen sehen. Hierbei zahlt jeder Mensch eine neue Steuer, extra für das Grundeinkommen. Wieviel genau nötig wären ist umstritten, da jedoch auch hier Sozialabgaben reduziert werden würden, ließe sich die Mehrbelastung gleichmäßig und je nach politischen Willen flexibel gestalten. Auch auf Firmen und Arbeitnehmer, oder den Konsum. Das Problem auch hier ist das zumindest Teile der Bevölkerung mehr belastet würden als jetzt. Und auch viele Menschen die jetzt in Behörden arbeiten müssten sich nach einem Neuen Job umsehen.

Aber mit diesem Modell wäre auch eine Umverteilung von Reich zu Arm denkbar. Wenn die Reichen das mitmachen und nicht Möglichkeiten finden, die Steuern zu umgehen.


Gefahren

Leider gibt es bei den bedingungslosen Grundeinkommen auch noch weitere Gefahren, selbst wenn es funktioniert, dass eher die Reichen dafür bezahlen und niemand in Not gerät.. Viele andere Töpfe würden tendenziell schlechter gefüllt sein. Das bedeutet, dass Vereine, Kindergärten, Jugendclubs etc. nicht mehr so leicht Geld für ihre Aktivitäten bekommen würden. Auch würde eventuell die erweiterte Hilfe für körperlich behinderte oder spezielle Pflege für Bedürftige wegfallen.

Der größte Verlust wäre aber der des Anreizsystems. Menschen die nicht „normal“ arbeiten wollen würden nicht so arbeiten wie sie heute arbeiten. Dadurch besteht zum einen die Gefahr das sich die Gesellschaft in zwei Teile teilt, die mit „richtiger“ Arbeit und die „faulen“ die nur unbezahlt oder nicht arbeiten. Dabei würde wohl möglich noch mehr Arbeit „unbezahlt“,, da es ja ein Grundeinkommen gibt, und man sie deshalb nicht mehr bezahlen müsste.

Zum anderen gibt es die Gefahr, dass die Gesellschaft für Veränderungen oder Staatskritik noch weniger anfällig würde. Denn wenn man dann noch was ändern will, müsste man sich auch noch mit den Armen anlegen, die ihre Zukunft auf ein Leben mit dem Grundeinkommen aufbauen. Sollte dann nämlich das System dann geändert werden, gerät für sie die geplante Zukunft in Gefahr.

Theorie

Neben den praktischen Bedenken sollte man auch mal in der Theorie überlegen, was ein bedingungsloses Grundeinkommen ist. Es bedeutet, das den Menschen versprochen wird, dass sie auch ohne Arbeit genug zum Leben zu bekommen. Eigentlich ist dies genau das Versprechen, dass der Kapitalismus schon so lange macht, nämlich das man nur von den Zinsen seines Geldes leben kann, wenn man erst einmal Reich genug ist. Und damit, im Moment, mit dem Traum vom arbeitsfreien Leben die Menschen zu arbeiten animiert.

Nach Marxistischer Theorie jedoch, bedeutet der Mehrwert einer Arbeit etwas, dass eigentlich den Arbeiter weggenommen wird und andere bekommen. Herkömmlich waren damit die Reichen gemeint. Jetzt ist die Idee das dieser Mehrwert wieder den Arbeitern weggenommen wird, aber nun an die Armen verteilt wird. Das bedeutet aber trotzdem, das nicht jeder den Wert seiner Arbeit bekommt, denn die Arbeiter arbeiten ja für andere mit. Das zweite Problem ist, dass dann auch die Armen die „Ausbeuter“ der Arbeiter sind. Denn sie wollen auch etwas von der Arbeit haben ohne etwas dafür zu tun. Das mag bei einen Sozialverischerungspflichtigen Arbeitnehmer aus EU Staaten noch im Bereich des „Akzeptablem“ sein. Ein Großteil aller Resscourcen wird aber in den armen Ländern der Welt gewonnen. Und ist es wirklich gerecht wenn hier Menschen sich mit deren Mehrwert ein schönes Leben machen?

Dem gegenüber steht der Fakt das selbst mit nicht all zu vielen Arbeitsstunden ein Arbeiter heute schon mehr produzieren kann als er benötigt. Wieso also nicht den Mehrwert sinnvoll nutzen? Oder wäre es besser wenn die Arbeiter die neuen „Reichen“ würden?

Eine weitere Frage ist, warum man das bedingungslose Grundeinkommen möchte. Wenn es darum geht, dass die Störung des Alltags durch blöde Bettler aufhört, braucht man sich wohl wenig Gedanken zu machen. Höchstens wie man mit illegal in diesem Land lebenden umgeht. Wenn es jedoch um die Frage nach Gerechtigkeit geht, sollte man auch bedenken das die Bedürfnisse verschiedener Menschen unterschiedlich sind. Ist es wirklich gerecht, wenn alle das selbe bekommen ? Oder sollten benachteiligte Menschen vielleicht mehr bekommen?

Zumindest philosophisch sollte man all diese Fragen bedacht haben.


Alternativen

Was die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen auf jeden Fall schon geschafft hat, ist , dass die Diskussionen um Alternativen verstummt sind. Auch wenn man nicht das System überwinden wollte, gab es mal andere Ideen, Gerechtigkeit herzustellen. Wo bleibt die alte Idee das die Menschen immer weniger Arbeiten sollen damit die Arbeit fair verteilt wird? Wie wäre es die 35 Stundenwoche zurückzufordern. Vielleicht auch noch deutlich kürzer?

Auch die Probleme sollten wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. Die Menschen leiden nicht darunter das es Hartz4 gibt. Sie leiden darunter das sie kontrolliert, gedemütigt und unterbezahlt werden. Müsste dann nicht die Forderung lauten: mehr Geld, weniger Bürokratie, mehr Respekt vor dem Leben an sich?

Auch die ganzen Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen wünschen sich vermutlich eher mehr Lohn denn wirklich ein bedingungsloses Grundeinkommen. Wenn man von wenig Arbeit leben kann, wieso nicht auch mal arbeiten? Wieso nicht auch die Forderung mehr Arbeitsplätze, voll bezahlt, für die Allgemeinheit schaffen. Mir würden da viele Einfallen. Vielleicht sollte ja sogar die politische Arbeit so gefördert werden, dass man auch abseits von Parteien davon leben kann.

Utopie

Ganz aus den Auge sollte man das bedingungslose Grundeinkommen aber vielleicht doch nicht verlieren. Und zwar ab dem Moment, wo keine oder fast keine Menschen mehr benötigt werden um alle zu versorgen. Etwas, das vielleicht durch Technik oder auch etwas ganz anderes möglich werden könnte. Aber selbst dann stellt sich die Frage: Wieso dann nicht die ganze Gesellschaft und das Geld gleich mit abschaffen. Dann wäre das soziale Grundeinkommen wirklich überholt, ohne es je eingeführt zu haben.