2011-02:Kohle, Klima, CCS

Aus grünes blatt
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Floh Als 2007 der vierte Sachstandsbericht des PCCs (Intergovernmental Panel on Climate Change) veröffentlicht wurde, war die Klimaproblematik für kurze Zeit eines der Top Themen im öffentlichen Diskurs. Genauso schnell wurde sie aber wieder zu den Randnotizen verbannt und führte nicht zu einer nachhaltigen Bewusstmachung über Bedeutung und Auswirkungen der Problematik. Genausowenig wie zu einer Debatte darüber, wie diese abzuwenden ist. Aus einem einfachen Grunde: Die Ziele der gesellschaftlichen Eliten aus Wirtschaft und Politik sind mit notwendigen Handlungsmaßnahmen im Sinne eines Klimaschutzes nicht in Einklang zu bringen. Stattdessen werden auf allen Ebenen PR-Maßnahmen aktiviert, die die jeweilige Politik grünwaschen sollen. Ernsthaften Debatten über notwendige Maßnahmen würden diese nicht standhalten, deshalb wird darauf verzichtet. Der Diskurs, der in den Massenmedien über den Klimawandel geführt wird, ist sozusagen nichts anderes als ein breit angelegtes Greenwashing der vorherrschenden politischen Ökonomie. Der Rahmen innerhalb dessen im öffentlichen Diskurs nach Lösungen gesucht werden darf/soll zeigt keinerlei Schnittmengen auf mit der Bandbreite an möglichen effektiven Lösungen.

Das beste Beispiel für diese Differenz ist der Umgang mit den fossilen Ressourcen. Bekannt ist, dass sofort mit der Verbrennung fossiler Energien aufgehört werden muss, um das Klimachaos abzumindern: "Wenn wir jetzt nicht den Ausstieg aus der Kohle begründen, wird die Klimakrise bereits 2025 (....)über uns hereinbrechen" (James Hansen, NASA). Schaut mensch sich aber die die „nachhaltige“ Realität und Zukunftspläne an, ist genau der Gegenteil der Fall: Der Verbrauch steigt rasanter denn je. Aktuell ist der Peak Oil erreicht, also der Punkt an dem die geschichtlich höchste Fördermenge des Erdöls erreicht und anschließend rückläufig ist. Da dieser Punkt gerade überschritten wird, ist absehbar, dass es in den nächsten Jahren zu schwerwiegenden Änderungen in der Energieversorgung kommen muss. Wachsender Verbrauch bei rückgängiger Förderung geht nicht. Anstatt das zum Anlass zu nehmen auf eine „klimaneutrale“ Energieversorgung umzu- stellen, passiert genau das Gegenteil: Verstärkt wird in vielen Ländern auf Kohle (Kohle erzeugt bei gleicher Energieerzeugung 40% mehr CO2) gesetzt. Beispielsweise bei der Antriebsenergie wird die Verflüssigung der Kohle für den Autotank als Zukunftstechnologie gesehen (siehe ab Seite 14 „Kohle ins Auto?“). Der Grund dafür ist vor allem in nationalökonomischen Konkurrenzstellungen zu sehen. Nationalstaaten geben der Versorgung der heimischen Industrie mit billiger Energie oberste Priorität. Und zwar eine höhere Priorität als der Bekämpfung des Klimawandels. Letzterer wurde zwar auch seit dem Stern-Report in ökonomische Folgekosten übersetzt, und ist somit erst zu einer relevanten Größe für Ökonomie und Politik geworden. Diese Kosten entstehen aber auf globaler Ebene (werden also von der nationalstaatlichen Ebene abgewälzt), wohingegen der Wirtschaftsvorteil durch billige Energie auf nationaler Ebene stattfindet. Durch die Verknappung fossiler Energieressourcen werden zukünftig wilde Turbulenzen im Kampf um diese befürchtet – seien es militärische oder wirtschaftliche. Um sich nicht in die Abhängigkeit anderer Staaten zu begeben ist die Versorgung mit heimischen Ressourcen wichtig und wird deshalb von vielen Staaten massiv gefördert. Anstatt beispielsweise Gas für die Energieversorgung zu verbrennen, was 80% weniger CO2 erzeugen würde, wird vielerorts auf Kohle gesetzt (auch Gas hat aber in einer klimaneutralen Zukunft keinen Platz).

Für 2030 wird der Kohle ein Anteil von 28% an der globalen Energieerzeugung vorausgesagt, dem Erdgas 25%. Erdöl bleibt mit 34% weiterhin führend. Zwischen 2000 und 2030 wird mit einem Anstieg des Gesamtenergieverbrauchs von 1,8% pro Jahr gerechnet zwischen 2000 und 2030. Wohlgemerkt, diese Prognosen finden allesamt statt vor dem Hintergrund der Notwendigkeit bis dahin längst CO2-neutral zu wirtschaften. Dass also der Wachstumszwang der Konkurrenzlogiken von Markt und Nationalstaaten keine Lösungen anzubieten haben wird im Kampf gegen die Klimazerstörung wird klar und ab Seite 40 im Artikel „Bloß weniger wirtschaften, oder vor allem ganz anders?“ ausgeführt.

Ganz aktuell und im Zuge des deutschen „Atomausstiegs“ wird in Deutschland noch stärker auf Kohle gesetzt. Absurderweise soll der Ausbau der Kohlekraft genau aus dem Klimafonds finanziert werden „um Energielücken zu vermeiden“. Die Notwendigkeit dafür soll durch die Abwendung der Atomkraft suggeriert werden. Wo die Kämpfe gegen zerstörerische Energieerzeugungstechnologien gegeneinander ausgespielt werden sollen, ist es notwendig die Kämpfe zusammenzuführen und sich nicht länger nur als „Anti-Atom“ oder „Anti-Kohle“ Bewegung zu begreifen, sondern „Energiekämpfe“ ganz allgemein auszutragen, mit dem Fokus auf die „Entscheidungsfrage“. Also: Wer entscheidet welche Energie, wofür benötigt wird, und wie diese erzeugt wird. Das führt „Dattel“ in seinem Artikel „Energiekämpfe im Rheinischen Braunkohlerevier“ weiter aus.

Wo auf der einen Seite alles grüngewaschen wird ist eine Fokussierung auf die Kohle als Energieträgerin der Zukunft schwer vermittelbar. Hier spielt die CCS Technologie eine entscheidende Rolle. Das CO2 soll am Schornstein abgefangen und in „geeigneten“ Böden verpresst werden. Das Verpressen selber ist aber sehr energieaufwendig, so dass durch diese Technologie in erster Linie der Wirkungsgrad der Kohle noch weiter vermindert wird. Zusätzlich entstehen durch das verpresste CO2 tickende Zeitbomben, die ein tödliches Risiko für die Anwohner_innen bilden, wie ein aktueller Fall in Kanada zeigt in dem CO2 durch die Erdschichten entweicht (Artikel Seite 17). Auch im Aufruf für das Lausitz-Klimacamp auf Seite 12 wird viel auf CCS eingegangen.

Neben den klimarelevanten Auswirkungen der Kohle sind auch die Auswirkungen auf die lokal Betroffenen überall dieselben: Vertreibung, Vernichtung der Umwelt und starke Gesundheitsbelastungen. Bloß dass dies für Menschen im globalen Süden meist existenzbedrohend ist, wohingegen es für die Betroffenen im globalen Norden meist noch Ausgleichszahlungen bei einer Umsiedlung gibt. Über die weltweit entstehenden Widerstandsbewegungen gegen die massive Ausweitung von Kohleabbau und -verbrennung wird auf der folgenden Seite berichtet. Während sich in Deutschland bisher kaum Widerstand gegen Kohle regte, obwohl es in Deutschland Europas größtes Tagebaugebiet gibt (rheinisches Braunkohlerevier) und Kohle 42% vom Energiemix der Stromerzeugung ausmacht. Vielleicht ändert sich das nun: Diesen Sommer sind zwei Klimacamps in Doofland gegen Braunkohleabbau geplant, ein weiteres zur Kohlethematik in der Schweiz. Zudem wird es eine Klimaradtour zwischen dem Camp in der Lausitz und demjenigen im rheinischen Braunkohlerevier geben (Seiten 10–13). Ab September wird im rheinischen Braunkohlerevier dann die Werkstatt für Aktionen und Alternativen (WAA) eröffnen, als Plattform für Widerstand aller Art, aber auch zur Vernetzung und Weiterbildung. Und um dem Kohleloch eine Alternative des klimaneutralen Lebens gegenüberzustellen. Durch die Entstehung solcher Orte ist eine Entwicklung eines Widerstandes von unten zu erhoffen. Als positives Beispiel eines solchen lohnt es sich nach Schottland zu gucken, wie radikale Umweltaktivist_innen seit Jahren mit direkten Aktionen gegen ein Kohleabbauprogramm opponieren. Ein Interview mit einem Aktivisten von dort gibt es auf den Seiten 8 und 9. Viel Spaß beim lesen des Titelthemas und:

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