2012-01:Morsleben - Stilllegung der Atommüllkippe wird erörtert

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Morsleben – Stilllegung der Atommüllkippe wird erörtert

Am 13. Oktober beginnt in Oschersleben die Erörterung des Stilllegungskonzepts des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) für das Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM). Das BfS ist Betreiber des früheren DDR-Endlagers, das seit 1991 in deutlich größerem Umfang für die Beseitigung der radioaktiven Abfälle westdeutscher Atomkraftwerke (AKW) genutzt wurde. Die Pläne des BfS zielen auf den endgültigen Verschluss des atomaren Gefahrenherds ab. Der nukleare Müll, der noch nach einer Million Jahren radioaktives Risikopotenzial hat, soll lokal eingekapselt und Zugangswege abgedichtet werden. Schließlich ist geplant das gesamte Endlagerbergwerk zu verfüllen.

Neben dem Atommüll-Endlager Asse ist Morsleben die zweite real-existierende atomare Skandalmüllkippe. Skandalös, weil von Anbeginn an in den 1960er Jahren wissenschaftliche Gutachten auf Einsturzgefahr und Wasserzuflüsse bekannt waren, und trotzdem der Einlagerung von Gefahrgut zugestimmt wurde. Noch 1991 verteilte das BfS Flugblätter mit dem Titel “Morsleben ist sicher!”, während längst Behördengutachter auf die Gefahr von mehr als zwanzig aufgefundenen Tropfstellen hinweiesen. Erst 1998 gestand der Betreiber offiziell ein, dass das ERAM für die Lagerung von Atommüll ungeeignet ist und den Anforderungen nicht gerecht werden kann. Seitdem verdeutlichten mehrere Einstürze von Deckenteilen, teilweise tausende Tonnen Salzgestein umfassend, dass das Endlager akut einsturzgefährdet ist.

Trotzdem soll der Atommüll in dem unsicheren Bergwerk verbleiben. Dazu hat das BfS ein Konzept entworfen und seit mehr als zehn Jahren alle Kapazitäten darauf verwendet dieses an die immer wieder aufgetauchten Probleme in der Praxis anzupassen. Kritische Einwände und Rückfragen mit der Bitte um detailliertere Auskünfte zum verfolgten Stilllegungsplan wurden mit Verweis auf die bevorstehende Veröffentlichung von Unterlagen jahrelang abgelehnt. Die Rückholung der radioaktiven Abfälle wird bisher nicht ernsthaft in Betracht gezogen, obwohl in der Schwesternanlage in der Asse das selbe Amt längst an der Planung der Rückholung arbeitet.

Das BfS hat sich so sehr auf seine Konzeption versteift, dass die grundsätzliche Problematik, dass in Morsleben keine Sicherheit geschaffen werden kann, aus den Augen verloren wurde. In der Wissenschaftsgemeinde Deutschlands ist kaum noch umstritten, dass Sicherheit im Sinne des Ausschlusses der Freisetzung des radioaktiven Inventars eines Atommüllendlagers nicht erreicht werden kann. Realistisch kann nur angestrebt werden die Menge der freigesetzten Radioaktivität so gut wie möglich zu begrenzen, indem mittels geologischer und technischer Barrieren die Freisetzungswege verlängert werden. So soll die Radioaktivität möglichst weit abgeklungen sein, wenn es zur Freisetzung kommt. Im Falle Morslebens kommen zusätzliche geologische und bergbauliche Probleme hinzu, die eine Endlagerung von langelebigen Gefahrgutstoffen dort ausschließen müssten.

Das BfS-Stilllegungskonzept basiert vor allem auf komplexen Wahrscheinlichkeitsrechnungen mit einer schwer überschaubaren Menge von Einflussfaktoren. Damit will der Betreiber der Atomanlage vermitteln, dass die Wahrscheinlichkeit einer Freisetzung von Radioaktivität oberhalb der gesetzlichen Grenzwerte nicht hoch sei. Spätestens seit der Atomkatastrophe in Fukushima ist jedoch klar geworden, dass die unwahrscheinlichsten Szenarien berücksichtigt werden müssen. Kritiker des ERAM aus Umweltverbänden, Gewerkschaften, unabhängigen Gruppen und aus der Bevölkerung wollen das Erörterungsverfahren nutzen, um Bewusstsein für die Gefährlichkeit der Atommüllkippe Morsleben zu schaffen und Druck auf das sachsen-anhaltinische Umweltministerium als Genehmigungsbehörde für das Stilllegungskonzept des BfS aufbauen. Auf der Internetseite http://morsleben-stillegung.de wird über die Hintergründe der Kritik und über geplante Veranstaltungen informiert.

Falk Beyer