2016-02:Luthers Segen für alle Formen der Herrschaft über Menschen

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Luthers Segen für alle Formen der Herrschaft über Menschen

Staatliche Macht als Gottes Gabe

jb Luthers Einstellung übte eine fatale Wirkung auf die Ausbildung der deutschen Untertanenmentalität aus. Umgekehrt erreichen die protestantischen Fürsten durch Einzug des kirchlichen Vermögens sowie durch ihren Einfluss auf die neu entstehenden evangelischen Landeskirchen eine Festigung und Ausweitung ihrer Macht und Herrschaft. Diese Aussicht stellt sicherlich eine nicht unwesentliche Motivation dar für den Übertritt vieler Landesherren zum neuen Glauben.[1]

Gottesdienst praktisch: Bekämpfung der Bauernaufstände

Thomas Müntzer hatte die Forderung nach einer Befreiung aus der Leibeigenschaft theologisch begründet. Luther trat ihm genau deshalb entgegen - er rechtfertigte jede Form der Unterdrückung mit der Bibel. In seiner Antwortschrift auf die Forderungen der Bauern, der „Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben“, hieß es im April/Mai 1525: „Auf den dritten Artikel: ,Es soll kein Leibeigener sein, weil uns Christus alle befreit hat.` Was ist das? Das heißt christliche Freiheit ganz fleischlich machen. Haben nicht Abraham und andere Patriarchen und Propheten auch Leibeigene gehabt? Lest Paulus, was er von den Knechten, welche zu der Zeit alle leibeigen waren, lehrt. Deshalb ist dieser Artikel direkt gegen das Evangelium und räuberisch, womit ein jeglicher seinen Leib, der (leib-)eigen geworden ist, seinem Herrn nimmt. Denn ein Leibeigener kann wohl ein Christ sein und christliche Freiheit haben, gleichwie ein Gefangener oder kranker Christ und doch nicht frei ist.“

Nach der Rückkehr von einer Reise ins thüringische Aufstandsgebiet legte Luther nach und rief in einer Erweiterung der zweiten Auflage seiner Bauernschrift in vollkommen maßlosen zutiefst erschreckenden Worten die Obrigkeiten dazu auf, die Aufständischen ohne Gnade und Erbarmen wie „tolle Hunde“ niederzumetzeln. Denn wer sie nicht schlage, werde von ihnen geschlagen und das ganze Land dazu. Die Niederwerfung des Aufstands geriet zum Gottesdienst. „Solche wunderlichen Zeiten sind jetzt, dass ein Fürst den Himmel mit Blutvergießen verdienen kann, besser als andere mit Beten.“ Das war doppelt interessant: Es zeigte einerseits Luthers eliminatorischen Hass, andererseits aber auch seine Doppelzüngigkeit. Was für die Christen insgesamt gelten soll, schien für die Obrigkeit nicht zuzutreffen. In Bezug auf die Aufständischen legitimierte er das, was er beim Aufstand von unten verneint: Dass der Mensch durch seine Handlung selbst seine Seele retten könne. Das widersprach gänzlich seiner sonstigen Theologie. Aber wenn es der Macht hilft, war auch das Zentrum Luthers, seine Theologie, nichts mehr wert.

Das Ergebnis: Ein riesiges Gemetzel mit Hunderttausenden Toten. Luther weiß, wer das (mit) zu verantworten hat - und sieht sich wieder als Sprachrohr Gottes: „Ich habe im Aufruhr alle Bauern erschlagen; all ihr Blut ist auf meinem Hals. Aber ich schiebe es auf unsern Herrgott; der hat mir befohlen, solches zu reden.“ Immer wieder ist es der Kampf zwischen Gott und Teufel, in dem er, Luther, der Waffenführer Gottes sei - ganz im Gegensatz zu Thomas Müntzer und vielen anderen. Müntzer war selbst Theologe und lange Anhänger von Luthers Ideen, dann aber dessen Erzfeind. Er führte die thüringischen Bauern blindwütig in eine aussichtslose Schlacht, wurde anschließend gefangen und gefoltert, sein Kopf nach der Hinrichtung aufgespießt und als abschreckendes Beispiel ausgestellt. Auch dazu liefert Luther Gottes Wort: „Wer den Müntzer gesehen hat, der hat den Teufel gesehen in seinem höchsten Grimm“.[2]

Pro Obrigkeit

Es ist von Beginn an die Überzeugung des Reformators gewesen, dass die Menschen sich der Obrigkeit zu unterwerfen haben. „Aber weil Kaiser Kaiser, Fürst Fürst bleibt, wenn er gleich alle Gebote Gottes überträte, ja ob er gleich ein Heide wäre, so soll ers auch sein, ob er gleich sein Eide und Pflichten nicht halt.“ Luther ist also in seiner Staatstheorie in erster Linie ein Verfassungsfeind („Eide und Pflichten“ braucht der Gewalthaber gemäß dieser Äußerung eben nicht zu halten, was ihn z.B. von Calvin, aber auch vielen katholischen Wortführern sehr unvorteilhaft unterscheidet). Schrankenlos erlaubt so Luther den Herrschenden auch darüber hinaus jede Unmoral, jegliche Ungerechtigkeit, ja seine Aussagen über die unbegrenzten Rechte der Obrigkeit kommen fast einer Einladung derselben zu jeglicher Form und Ausübung von totalitärer Willkür gleich. Denn, so Luther im selben Brief, „Sünde hebt Obrigkeit und Gehorsam nicht auf, denn wir nicht allein den gütigen und frommen, sondern auch den bösen und unschlachtigen Herrn sollen mit aller „Furcht untertan sein“. Daher soll auch dem Kaiser „niemand Gehorsam entziehen wider ihn streben, denn das ist Rotterei und Aufruhr und Zwietracht anfangen“.[3]

Gehorsam sei Christenpflicht. Egal wer an der Macht ist, sie ist gottgewollt und daher zu akzeptieren. „Gott will die Oberherrn, sie seien böse oder gut, geehrt haben, Röm. 13 und 1. Petr. 3.“ BrWA III 416f. Und noch absurder: Die Mächtigen dürfen dann sogar gegen die Bibel verstoßen. Aus Machtkalkül segnet Luther (und nicht nur er allein) die Doppelehe in Fürstenschichten ab. Das also ist Luther, der Hurerei und Polygamie im Volk und in den „Sekten“ mit dem Tode bestrafen möchte, aber Ehebruch, Hurerei und Bigamie der Fürsten und Könige unterstützt.[4]

Das einzige Christenrecht nach Luther ist das Recht, zu leiden und die Rolle des Schlachtschafes zu spielen, dabei auf Gottes Rache an den bösen Herrschern geduldig wartend! Denn, so Luther in einem weiteren Gutachten an denselben Herzog, Anno 1530 geschrieben, „nach der Schrift will sichs in keinem Weg ziemen, da sich jemand (wer ein Christ sein will) wider seine Obrigkeit setze, Gott gebe sie tue recht oder Unrecht, sondern ein Christ soll Gewalt und Unrecht leiden, sonderlich von seiner Obrigkeit“.[5]


  1. Hubert Mynarek: "Luther ohne Mythos", 174
  2. Veit-Jakobus Dieterich: "Martin Luther", 85ff
  3. Hubert Mynarek: "Luther ohne Mythos", 64
  4. Hubert Mynarek: "Luther ohne Mythos", 28
  5. Hubert Mynarek: "Luther ohne Mythos", 63f