Benutzer:Graskraft\Rohstoffwunder Spiritus

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Vorbemerkung

Der Text stammt aus einem Buch, das in der Mitte des 2. Weltkriegs geschrieben wurde und die Nutzung von Ersatzstoffen patriotische Tat verherrlicht. Ungeachtet der politischen Diktion ist es eine nützliche Informationsquelle.

Spiritus als Kraftwagentreibstoff

Monopolin.jpg

Spiritus, der teils pflanzlicher Herkunft (Kartoffel, Holz, Weintrauben, Mais, Getreide, Zuckerrübe, Obst) ist, teils als Methylalkohol aus der Kohle gewonnen wird, wurde schon während des Weltkriegs als Ersatz für Benzin verwendet. Damals war es freilich nur ein unvollkommener Behelf. Nach dem Kriege ruhten jedoch die Bemühungen nicht, um auch den Spiritus, dessen Herstellung und Verkauf bekanntlich staatlich monopolisiert sind, zu einem vollwertigen Treibstoff zu gestalten. Spiritus allein als Treibstoff für Kraftwagen zu verwenden, das ging nicht an, denn dann hätte man vollkommen neue Motoren konstruieren müssen und der deutsche Kraftwagen hätte eine unerwünschte Sonderstellung eingenommen. Man mußte also auf der bisherigen Grundlage des Mischens mit anderen Treibstoffen weiter arbeiten. Damit durfte der bisherige Treibstoff nicht verschlechtert und gestreckt, sondern verbessert werden. Das war aber leichter gesagt als getan: denn der Spiritus besitzt nur 6500 cal/kg, während Benzol 9500 und Benzin sogar 10.500 cal/kg besitzen.

Indessen kam man zu der Einsicht, daß diese geringe Wärmeeinheit keinesfalls der Verwendung von Spiritus hemmend im Wege stand. Es zeigte sich vielmehr bei eingehenden Versuchen, die beispielsweise der verstorbene Professor Wawrziniok, Dresden, und der englische Treibstoffsachverständige Ricardo anstellten, daß die innere Verdampfungswärme des Spiritus den Mangel an Energiegehalt wieder ausgleicht, so daß Spiritus in schnelllaufenden Verbrennungsmotoren einen genau so hohen Wirkungsgrad hat wie Benzin, kein Klopfen im Motor erzeugt, sogar klopfende Treibstoffe zu nichtklopfenden macht, ähnlich wie dies durch Benzol erreicht wird. 1925 wurde, nachdem schon die Reichsmonopol-Verwaltung praktische Vorarbeiten geleistet hatte, die Reichssprit-Gesellschaft m.b.H. gebildet, die das bekannte Monopolin in den Handel brachte, ein Treibstoffgemisch aus 20 - 25 v.H. Spiritus. Später kam das Enco-Monopolin auf, das mit 25 v.H. Spiritus und 10 v.H. Benzol versetzt war, und das Deurag-Post-Monopolin, mit dem die 10.000 Postkraftwagen betrieben werden.

Zuerst stand nur ein Spiritus von 95 v.H. Weingeistgehalt zur Verfügung, der nicht haltbar und nicht kältebeständig war. Man behalf sich mit Homogenisierungsmitteln, wie Äther, Benzol und dergl. Später fand man dann einen Weg, um einen wasserfreien Spiritus herzustellen, der ohne Homogenisierungsmittel verwendet werden kann und kältebeständig ist, nicht klopft usw. Im Jahre 1930 wurde die Verwendung wasserfreien Spiritus gesetzlich derart geregelt, daß jeder, der Brennstoff einführt oder herstellt, verpflichtet war 2½ v.H. Spiritus abzunehmen. Später wurde bei gleichzeitiger Herabsetzung des Preises, die Abnahmepflicht auf 6 v.H. festgelegt. 1935 wurde die Spiritusbezugspflicht, nachdem auch die Spiritusbeimischungspflicht eingeführt worden war, auf Methanol, dem bekannten synthetischen Methylalkohol ausgedehnt. Da jedoch Methanol mit Benzin nicht direkt gemischt werden kann, werden dem Spiritus auf 8 Teile schon sofort 2 Teile Methanol beigefügt.

Neben der Kartoffel, aus der hauptsächlich Spiritus gewonnen wird, gewinnen auch jene Pflanzen für die Spirituserzeugung an Bedeutung, die inulinhaltig sind, beispielsweise die Zichorie und Topinambur, weil der aus Inulin erhaltene Zucker schneller gärt als der aus Kartoffelstärke. Die Zichorie beispielsweise liefert auch 2½ - 4 mal größere Alkoholmengen. Es wäre deshalb zu überlegen, ob man die Fläche, die man bisher fürden Anbau von Spirituskartoffeln verwendete, nicht mit inulinhaltigen Pflanzen bebauen sollte.

Die außerordentlich günstigen Resultate, die das Beimischen von Spiritus zu anderen Treibstoffen im Verkehr gezeigt hat, führten naturgemäß von Jahr zu Jahr zu einer immer stärkeren Verwendung von Treibspiritus, der sich von 1926 bis 1936 von 167 000 hl auf 2 204 000 steigerte. Da infolge der gesteigerten Motorisierung auch die Verwendung von Spiritus als klopffestmachender Bestandteil für Benzine immer größer wurde, dient zur Klopffestmachung der Benzine auch das giftige Bleitetraäthyl, das heute in den südlichen Gebieten des Reiches als Beimischung verwendet wird.


Quelle

Lübke, Anton

Das deutsche Rohstoffwunder

Wandlungen der deutschen Rohstoffwirtschaft

Verlag für Wirtschaft und Verkehr, Forkel&Co., Stuttgart

7. Auflage 1941