2005-02:Zu Besuch beim Tabakpflanzer

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Zu Besuch beim Tabakpflanzer

fb Die Tabakkampagne ist beendet; das bedeutet jedoch nicht, dass sich seitens der Greenkids niemand mehr mit dem Thema beschäftigt. Ende August '05 besuchten zwei Redakteure vom grünen blatt die Agrargenossenschaft Mühlanger eG. Nach der theoretischen Auseinandersetzung im Rahmen der Tagung "Umwelt - Tabak - Gesundheit" im Oktober 2004 wollten wir uns jetzt anhören, was Herr Richter, Vorsitzender des Tabakpflanzerverbands Brandenburg, dazu zu sagen hat.

Herausgekommen ist dabei ein Bericht aus dem Alltagsbetrieb eines Tabakproduzenten, der einen Einblick in den landwirtschaftlichen Betrieb gibt. Erwartungsgemäß thematisierte der Pflanzer die ökologischen und sozialen Auswirkungen des Tabakanbaus höchstens am Rande. Da wir im grünen blatt bereits darüber berichteten, erfolgt an dieser Stelle nur ein Verweis auf die Ausgaben Winter 04/05 und Sommer 2005 .

Der Tabakbetrieb

Die Agrargenossenschaft Mühlanger hat ihren Betrieb im gleichnamigen Ort bei Wittenberg. Sie verfügt über eine Anbaufläche von zweieinhalb Tausend Hektar, wovon 300 Hektar Grünland sind und elf Hektar für den Tabakanbau genutzt werden. Diese elf Hektar liegen laut Richter im mittleren Bereich der üblichen Anbauflächen. Neben der Pflanzenproduktion betreibt die Genossenschaft Schweinezucht und einen Kuhstall.

Insgesamt beträgt die Tabakanbaufläche in den Ost-Bundesländern 400-500 Hektar (bundesweit: viereinhalb Tausend Hektar). Der Wittenberger Anbaubetrieb verfügt über 31 ständige Beschäftigte, einen Lehrling und neun Saisonkräfte. Richter betont, dass Tabak sehr arbeitsintensiv sei und mehr Arbeitsplätze als beispielsweise beim Getreideanbau binde. Ob dies ein Argument sein kann, die gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Folgen in Kauf zu nehmen, bleibt fraglich.

Der Mühlangersche Tabakertrag liegt bei ca. 26,5 Tonnen. Diese werden zum Kilopreis von etwa 4 Euro (Marktpreis + Prämisse) verkauft.

Tabaksorten

Zunächst werden luftgetrockneter (Burley, Genderheimer) Tabak, der hierzulande stickstoffgedüngt wird, und technisch getrocknete Sorten, zu denen der Virgin-Tabak gehört. Letzterer wird in Wittenberg in der Mehrzahl angebaut. Dessen Trocknung erfolgt über mehrere Tage bei bis zu 67°C. Zwischendurch werden die Tabakblätter für die Weiterverarbeitung befeuchtet.

Da der Virgintabak gelb werden soll, darf nicht zuviel Stickstoff im Boden sein. Die Agrargenossenschaft Mühlanger führt daher keinen extra Stickstoffdünger zu, sondern beschränkt sich auf das Pflanzenmaterial, das durch den Fruchtwechsel liegen bleibt. Um Stickstoff zu binden, baut der Wittenberger Betrieb vorher Roggen an, dessen Stroh dann breitgelegt wird. Trotzdem wird auch hier gedüngt: mit Phosphor- und Kalizusätzen. Der Pestizideinsatz beschränkt sich in der BRD nach Richter auf solche gegen Blauschimmel und Insektizide gegen Blattläuse, da nur diese zugelassen seien.

Aus Qualitätssicherungsgründen werden die Tabakpflanzen oft bewässert, damit sie nicht vorzeitig ausreifen. Die Fruchtfolge (der Wechsel von Anbausorten) erfolgt beim Tabakanbau zum Teil auf den gleichen Flächen, bei Virgintabak wechseln diese dagegen meist.

Wohin geht der Tabak?

Die verschiedenen Erzeugergemeinschaften, in denen die Pflanzer vereinigt sind, haben Verträge mit Verarbeitungsunternehmen. Erst diese geben ihn an Tabakfirmen oder Pharmaunternehmen ab. Für den Wittenberger Tabak gibt es einen Vertrag mit Dimon-Rottack der wiederum Lieferant für Philipp Morris aber auch für Pharmafirmen ist.

Tabakernte

Die Tabakernte beginnt Anfang Juli. Zunächst werden die untersten 2-3 hellgrünen Blätter geerntet; wenn das Feld einmal durchlaufen wurde, geht es mit den nächsten Blättern weiter. Dieser Vorgang zieht sich über die gesamte Erntezeit hinweg. Je nach Wetterbedingungen beginnt die Arbeitszeit in Mühlanger gegen 6:00 oder 6:00 Uhr und endet nach dem Sortieren gegen 15:00 bis 17:30 Uhr. Während der Ernte wird jeden Tag ein Tabakofen gefüllt.

Davon hat die Agrargenossenschaft sieben Stück. Diese laufen mit Flüssiggas. Schon zu DDR-Zeiten wurde Tabak angebaut, allerdings nicht in Wittenberg. Vorher gab es auch hier schon Tabakpflanzer. Als die Agrargenossenschaft 1991 mit dem Anbau wieder startete, wurde mit zunächst vier Tabaköfen gearbeitet.

Der Zeitraum vom Befüllen der Öfen bis zum verkaufsbereiten Tabak dauert eine Woche. In dieser Zeit werden die Blätter getrocknet, wieder befeuchtet und nach und nach mit höheren Temperaturen beheizt. Der Arbeitstag der Tabak-ErntehelferInnen beginnt mit dem "Blättern" (der Ernte) bis 9:30 Uhr, danach wird der Tabak sortiert, die Öfen befüllt und nachreguliert. Die Ernte erfolgt mit Handschuhen, allerdings laut Richter nicht aufgrund des giftigen Nikotins, das über die Haut aufgenommen wird, sondern wegen der Klebrigkeit beim Pflücken.

Das Tabakfeld ist in Beete eingeteilt, von denen in Mühlanger jedes aus 28 Reihen besteht. JedE ErntehelferIn pflückt gleichzeitig zwei Reihen. So kann mit 14 Personen ein Beet parallel geerntet werden. In Mühlanger endet die Tabaksaison am 26. Oktober, dem letzten Verkaufstag.

Gewinn und Subventionen

Im Verhältnis zu anderen landwirtschaftlichen Produkten bringt Tabak höhere Gewinne. Das ist auch einer der eigentlichen Gründe, warum deutsche Tabakpflanzer auf diesen Anbau bestehen – es geht um wirtschaftliche Vorteile gegenüber anderen BäuerInnen. Zum Thema Gesundheitsgefahren sagt Richter nur, dass die dort angebauten Virgin-Sorten relativ wenig Nikotin enthalten. Außerdem forden die RaucherInnen schließlich den Tabak und so schieben die PflanzerInnen gern ihre Verantwortung ab.

Der Verkauf an die Verarbeitungsunternehmen erfolgt an abwechselnden Aufkaufstellen (meist einzelne Anbaubetriebe), zu denen die Erzeuger kommen und ihren Tabak abliefern. Und auch der Zoll ist am Verkaufstag dabei.

Da die EU-Agrarsubventionen für Tabak beschränkt sind, gibt es für die Länder begrenzte Produktionsquoten. Ab 2006 wird diese Quote abgeschafft und durch eine mit einer Obergrenze belegte Tabakprämie abgelöst. Tabakpflanzer wie Richter fordern häufig, statt der Subventionen eine Steuer von 1 Cent pro Schachtel einzuführen, die den Tabakpflanzern direkt zugeführt werden soll.

Gentechnik und Ökobau

Weder von ökologisch produziertem Tabak noch vom Anbau gentechnisch veränderter Sorten ist Richter für Ostdeutschland etwas bekannt. Beide Formen gibt es jedoch bereits - dass sowohl genmanipulierter als auch "ökologisch" produzierter Tabak widersprüchlich sind, ist naheliegend.

Unser Besuch beim Mühlangerschen Tabakpflanzer hat deutlich gemacht, dass diese Betriebe sehr um ihr Image bemüht sind. Argumente, die oft gegen Tabakproduktion vorgebracht werden, hat Richter versucht vorauseilend zu entkräftigen, in dem die Verantwortung an die Verarbeitungsunternehmen (Verkauf an Konzerne mit rechtsextremen Connections) oder die KonsumentInnen (Nachfrage) weitergeleitet wird.

Hätten wir nicht nachgefragt, wäre nur die Aussage, es gibt keinen Stickstoffdüngereinsatz im Raum stehen geblieben und wir hätten nicht erfahren, dass andere Dünger durchaus eingesetzt werden. Nicht zu verachten sind auch die ökologischen Folgen der Bewässerung und der Energieaufwand bei der Trocknung des Tabaks.