2008-01:Kleine freie Männer

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Kleine freie Männer

pn Der Untertitel, „Ein Märchen von der Scheibenwelt“, verweist zwar auf das bekannte, schräge Fantasy-Universum von Terry Pratchett. Aber er deutet zugleich an, dass sich das Buch von anderen Scheibenwelt-Romanen unterscheidet – und das tut es in der Tat.

Es handelt davon, wie sich die ‚Nachwuchshexe’ und Hauptdarstellerin der Geschichte, Tiffany Weh, aufmacht, um ihren von einer Feenkönigin entführten Bruder Willwoll zu retten. Im Märchenland der Feenkönigen warten, im wahrsten Sinne des Wortes, traumhafte Gefahren. Unterstützung erfährt Tiffany dabei von den Größten, kampflustigen kleinen Kobolden, die sich auch auf’s Stehlen verstehen, manchmal schlechte Poesie als Waffe verwenden und sich vor wenig fürchten – außer vor Anwälten.

Die Besonderheiten des Buches entfalten sich schon auf den ersten Seiten: Im Vergleich zu anderen Scheibenwelt-Büchern wirkt die Geschichte von Tiffany liebevoller erzählt; Orten und kleinen Details (z.B. den Bildchen am Kapitelanfang), die dabei helfen, sich richtig von den gelesenen Seiten „aufsaugen“ zu lassen, wurde viel Aufmerksamkeit geschenkt. Das Kreideland, eine von Schafherden und bäuerlichem Leben geprägte Umgebung (und Ausgangspunkt der Geschichte), wird – insbesondere zu Beginn – sehr einladend beschrieben. Auch die zahlreichen „Einblendungen“, die Tiffanys Erinnerungen wiedergeben, (meistens sind es Erlebnisse mit ihrer verstorbenen Oma), strahlen viel Leben aus und machen das Lesen „gemütlicher“. Man fühlt sich schnell aufgehoben in dieser Welt.

Die Heldin des Romans, Tiffany, wird als mutige, selbstbewusste Person dargestellt, die aufgrund ihrer kühl-rationalen Art und dem Hang, hinterfragend zu denken eine soziale Außenseiterin darstellt. Sie zweifelt vieles von dem an, was Erwachsene üblicherweise Kindern auftischen, z.B. deckt sie auf, wie Märchen zur Kontrolle kindlichen Verhaltens (meistens durch Angstmache) verwendet werden. Gleichzeitig zeigen ihre Gedanken, dass sie sich meistens selbst gar nicht als coole Heldin fühlt – was sie ‚echt’ und sympathisch erscheinen lässt. Der Titel des Märchens lenkt allerdings ziemlich von Tiffany ab ... ob das gewollt war?

Der spielerische Umgang mit Hexenbildern wird höchst amüsant betrieben. So ist die Magie, die den Hexen zugeschrieben wird, in „Kleine freie Männer“ fast immer eine Mischung aus Psychologie und aktiver Verwendung des eigenen Gehirns.

Der schwarze, stets präsente Humor sowie zahlreiche Anspielungen und philosophischer Hintersinn sind eine Konstante geblieben, die auch aus anderen Scheibenwelt-Erzählungen bekannt ist. Allerdings finde ich den Umgang mit Gewalt und Mord in dem Buch gefährlich: Teilweise fehlt es an Reflexion, auch wenn die überzeichneten, skurrilen Situationen nicht gerade realistisch oder nachahmbar wirken.

Alles in allem eine skurrile und sehr anziehend erzählte Fantasy-Story – Unterhaltungsliteratur der intelligenteren Art.

Terry Pratchett: Kleine Freie Männer. (2006, Goldmann in München, 320 S, 8,95 EUR, ISBN 3442463092)