2009-02:Anti Atom Aktionswoche: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Luft raus oder Atempause?'''
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== Anti-Atom-AktivistInnen kündigen Aktionswoche an ==
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'''+++ Repression gegen AtomkraftgegnerInnen +++ Ein Aktivist in U-Haft +++ Strafbefehle über 80 Tagessätze +++ Prozess und angekündigte Aktionswoche drumrum +++'''
  
'''Widerstand gegen den Frankfurter Flughafen seit der Räumung'''
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Im November 2008 stoppte eine Gruppe von etwa zehn AktivistInnen den Castor in Grenznähe. Drei von ihnen hatten sich an einem Betonblock im Gleisbett festgekettet. Der Transport stand zwölf Stunden.
  
vega Seit seiner Inbetriebnahme in den 30er Jahren wird der Frankfurter Flughafen permanent ausgebaut. Jede Ausbaustufe war und ist verbunden mit Privatisierung von öffentlichen Raum, Umweltzerstörung, Belastung für Klima und AnwohnerInnen.
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Der Widerstand richtete sich gegen die immense Bedrohung durch die Atomindustrie: angefangen bei der gefährliche Gewinnung und Aufbereitung von Uran, über das unabschätzbare Risiko, wie es atomare Unfälle in der Vergangenheit zeigten, bis zum ungelösten Endlagerproblem. Vor allem kritisierten die AktivistInnen mit ihrer Aktion diekapitalistische Logik der Energiekonzerne.  
Momentan versucht der Flughafenbetreiber Fraport im Kelsterbacher Wald eine neue Landebahn zu bauen. Der jahrelange Widerstand der Bürgerinitiativen erhielt ende Mai 2008 Unterstützung, als eine handvoll AktivistInnen den Wald besetzten. Im folgenden dreiviertel Jahr wurde aus den paar Plattformen in den Bäumen ein Hüttendorf, in dem insgesamt viele hundert Menschen gewohnt haben. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Thema auch wieder überregional für die radikale Umweltbewegung und andere Linksradikale interessant. Mitte Februar, nachdem große Teile des Waldes gerodet waren, kam dann die Räumung. Ein Hausdachbesetzung 2 Tage später erregt noch einmal Aufmerksamkeit. Wie ging es danach weiter?
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Die Blockade sollte die öffentliche Aufmerksamkeit auch auf das Zusammenspiel von Staat und Atomlobby lenken, ohne das die Nutzung von Kernenergie gegen den Willen der Bevölkerung erst gar nicht möglich wäre.
  
Die meisten AktivistInnen reisten in der Folgezeit ab, die kleinen aber sehr aktiven Zusammenhänge der Wald-besetzung begannen auseinander zufallen. Es gibt weiterhin eine Mahnwache im Kelsterbacher Wald, die als offener Anlaufpunkt dienen soll. Jedoch engagieren sich hier deutlich weniger Menschen als bei der Waldbesetzung, und genau wie die Waldbesetzung hat die Mahnwache immer wieder an internen Problemen zu knabbern.
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Nun erhielten die drei Festgeketteten Strafbefehle über 80 Tagessätze zu je 10 Euro.
Es gab auch im Frühjahr und Sommer eine Reihe direkter Aktionen gegen den Ausbau. Gemeinsamkeit war immer, dass sie schnell eine große (und oft auch wohlwollende) mediale Aufmerksamkeit erzielten, dass aber (anders als während der Wald-besetzung) sich ausschließlich die in der Region etablierten Polit-Zusammenhänge einbrachten.
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Der Vorwurf der Nötigung ist dabei reichlich absurd. Schließlich stand der Zug nichteinmal auf der selben Seite der Grenze – geschweige denn in Sichtweite. Hinzu kommt, dass die Aktion ein angemessenes Mittel war, um konkrete Gefahren auf Leben und Gesundheit unzähliger Menschen abzuwenden.  
  
„Horst, Dein Auto brennt!“ (FR vom 12.03.)
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Matze – einer der drei Festgeketteten – hat im Gegensatz zu den anderen beiden den Strafbefehl nie erhalten. Da Matze wohnungslos gemeldet war, hing der Strafbefehl einfach am Amtsgericht Kandel aus und galt damit als zugestellt. Somit wurde ihm nie die Gelegenheit gegeben, Einspruch einzulegen und dem Vorwurf gegen ihn in einer öffentlichen Verhandlung zu begegnen.
Horst Amann ist Chefplaner des Flughafenausbaus. In der Nacht des 10. März (sein Geburtstag!) haben Unbekannte seinen Dienstwagen abgefackelt. Es gibt kein BekennerInnenschreiben, fast alle BeobachterInnen gehen aber von einer politisch motivierten Tat aus. Der Frankfurter Rundschau ist ein brennendes Auto 3 Seiten Zeitung wert, inklusive Rückblick auf den jahrelangen, militanten Kampf gegen die Startbahn West und Inter-view mit einem Sprecher der Bürger-initiativen. Dieser besitzt die Unver-schämtheit, zu behaupten, die AktivistInnen gegen den Ausbau wären nicht radikal, sondern „die treuesten Staatsbürger“. Peinlich...  
 
  
Demo in Walldorf
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Kürzlich wurde Matze wegen eines anderen Vorwurfs aus Frankfurt in Untersuchungshaft genommen. Er wurde beschuldigt im Frühjahr 2009 an einer Sabotageaktion gegen den Wachschutz der umstrittenen geplanten Landebahn Nord West im Kelsterbacher Wald beteiligt gewesen zu sein.
Nicht nur in Kelsterbach sondern auch im nahegelegenden Walldorf fiel Wald für den Flughafenausbau. Hier sollen Lagerhallen und sonstige Infrastruktur gebaut werden. Ein Bündnis lokaler Initiativen mobilisierte vor Ort sehr aufwendig für eine Demonstration zu den Rodungsflächen. Diese fand am 26. April statt, 450 Menschen nahmen teil, für viele schien es die erste Demo zu sein. Die Demo war eher bürgerlich geprägt und recht unspektakulär.
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Hintergründe zum Widerstand in Kelsterbach und zur aktuellen Situation dort sind unter Waldbesetzung.blogsport.de zu finden.
  
Feierlicher erster Spatenstich gestört
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Mehrere Wochen saß er deshalb in Untersuchungshaft. Während seines Engagements für die Freiraumbewegung in Berlin wurde er im August von der Polizei aufgegriffen und zunächst in Moabit in U-Haft genommen – später wurde er in die JVA Weiterstadt (Nähe Darmstadt) überführt.
  
Am 8. Mai inszenierten die Flughafenbetreiber den feierlichen ersten Spatenstich für die Landebahn. Obwohl das ganze unter der Woche während der Arbeitszeit stattfand, folgen etwa 100 Personen dem Aufruf ezu einer Gegendemonstration auf der einzigen offiziellen Zufahrt. Trotz einem Großaufgebot der Polizei gelang es einigen Robin Wood AktivistInnen sich von einer Eisenbahnbrücke über der Straße samt Transparent („Klimaschutz statt Kahlschlagparty“) abzuseilen. Gemeinsam wird die Zufahrt für mehrere Stunden für Fahrzeuge blockiert, die meisten geladenen Gäste müssen durch ein Spalier wütender AnwohnerInnen laufen. Schließlich räumte die Polizei sehr brutal eine Sitzblockade, die KletterInnen wurden per Hubwagen geräumt.  
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Inzwischen wurde der Vorwurf aus Kelsterbach eingestellt. Allerdings sind durch die Untersuchungshaft Anwaltskosten in Höhe von 1000 Euro entstanden.
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Weitere 800 € müssen aufgebracht werden um den Strafbefehl aus Kandel zu bezahlen, gegen den – aufgrund der krassen Diskriminierung Wohnungsloser durch die Justiz - nun keine Rechtsmittel mehr möglich sind.
  
Bäume gepflanz
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Die AktivistInnen kritisieren nicht nur die Anstrengungen der Justiz gegen politisch Aktive, sondern auch das Rechtssystem und der Justiz im Normalbetrieb. Denn deren Aufgabe ist es, die Besitz- und Profitinteressen der Besitzenden und Profitierenden vor denen zu schützen, die durch diese ausgebeutet oder vom Reichtum ausgeschlossen werden. Und vor denen, die (um beim Thema Kernkraft zu bleiben) zwischen Tailings - den ungesichert zurückbleibenden Schlacken der Uranmienen – leben müssen oder vor denen, die im unmittelbaren Umfeld von Asse, Morsleben und anderen End- und Zwischenlagern leben.
  
Am 10. Mai pflanzten knapp 50 Personen vor Augen der Lokalpresse junge Bäume auf der Rodungsfläche. Die Meisten auf einer Fläche außerhalb des Bauzauns, einige überwanden aber auch den Zaun und pflanzten im eingezäunten Bereich. Die Polizei war nach einer Weile mit einigen Streifenwagen vor Ort – nicht genug um einzugreifen.
 
Proteste vor dem VGH-Kasse
 
  
Am 2. Juni (nachdem ein großer Teil des Waldes längst gerodet war) beginnen beim Volksgerichtshof Kassel die Verhandlungen über die Recht-mäßigkeit des Ausbaus. Eine Fahr-radkarawane von AktivistInnen fährt 5 Tage lang von der Mahnwache bis zum Gericht. Vor dem Gericht findet eine Kundgebung der Bürgerinitiativen statt.  
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Um für die entstandene Kosten aufzukommen und auch um die anstehenden Prozesse finanzieren zu können, organisieren die AktivistInnen und weitere UnterstützerInnen Solipartys und sammeln Spenden (Konto: Spenden und Aktionen, Betreff: Gleisblockade, KtoNr 92881806, Volksbank Mittelhessen, BLZ 51390000). Immer wieder betonen sie aber auch, dass finanzielle Unterstützung zwar wichtig und nützlich ist, dass aber der Widerstand nur dann erfolgreich fortgesetzt werden kann, wenn sich mehr Menschen selbst den kapitalistischen Großprojekten und Risikotechnologien in den Weg stellen. Und dass sie persönliche Unterstützung und Solidarität mindestens genauso zu schätzen wissen wie finanzielle Hilfe.
  
Bürgerbegehren in Kelsterbach
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Unterstützung können die AtomkraftgegnerInnen auch bei den noch anstehenden Prozessen brauchen. Die Prozesstermine stehen noch nicht fest, werden aber für die nächsten Monate erwartet. In zeitlicher Nähe zu den Verhandlungen soll eine Antirepressionswoche stattfinden. Sie soll das Thema noch einmal verstärkt in die Öffentlichkeit bringen, wie auch Menschen zusammenbringen, die sich mit den Angeklagten solidarisieren. Die AktivistInnen laden alle Interessierten dazu ein sich zu beteiligen, eigene Ideen einzubringen und sich selbst der Atomlobby und Repressionsorganen in den Weg zu stellen. Im Zentrum der Aktionswoche werden sowohl Handlungsoptionen und Hintergründe für Anti-Atom-AktivistInnen als auch Kritik an Staatsmacht und Strafmechanismen stehen.  Denn eine Funktion von Rechtssystemen und Justiz ist es unter Androhung von Strafe das Verhalten der Menschen zu normieren. Auch die Atomkraft wäre einerseits ohne Repressionsstaat gar nicht möglich und legitimiert andererseits durch die von ihr ausgehende Gefahr auch dessen Notwendigkeit.
  
Während die ersten Bäume fielen, schloss der Bürgermeister von Kelster-bach einen Vertrag mit den Flughafen-betreiber. Inhalt: Die Stadt Kelster-bach verzichtet auf Klagen gegen den Ausbau, verkauft das Gebiet auf dem die Landebahn liegt und viele weitere Grundstücke, und kriegt dafür einen Batzen Geld. Einige Kelsterbacher BürgerInnen beantragten ein Bürger-begehren, welches den Vertrag stop-pen sollte, und sammelten auf Anhieb die nötigen Unterschriften. Das Refer-endum hatte nicht nur die Funktion, in staatliche Entscheidungsprozesse einzugreifen. Viele Betroffene, die bis dato wenig über die Materie wussten und keine Meinung hatten, sollten auf einmal Stellung beziehen. So gelang es recht effektiv, den Ausbau in Kelsterbach zu thematisieren. Am 5. Juli war die Wahl: Mehr als 60 Prozent der TeilnehmerInnen stimmten gegen den Verkauf. Das Bürgerbegehren wurde nicht rechtskräftig, da 264 Personen zu wenig gegen den Vertrag gestimmt haben. Jetzt soll das Stadtparlament noch einmal über den Verkauf entscheiden. Die letzte Sitzung zu dem Thema wurde von AusbaugegnerInnen gesprengt...
 
  
Wahnsinnstage statt Klimacamp
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Mehr Infos unter:                                                     
Ursprünglich war geplant, im Au-gust ein Klimacamp bei Kelsterbach zu organisieren. Doch mit dem ausein-ander fallen der Waldbesetzungszu-sammenhänge dünnte auch der Vorbe-reitungskreis sehr aus, deutliche Über-belastung war die Folge. Schließlich wurde der Entschluss gefasst, statt des Klimacamps ein Klimawochenende in der Mahnwache zu organisieren.
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* http://www.bloXberg.blogsport.de oder [mailto:bloXbergÄTTriseup.net bloXberg ÄTT riseup.net]{{Spamschutz}}
Diese sogenannten Wahnsinnstage waren gut besucht, und eine bunte Mischung aus Workshops, Vorträgen und Diskussion zu Umweltthemen, Kulturprogramm und einigen Aktionen. So wurde zum Beispiel mit Wolle stun-denlang eine Zufahrt zur Baustelle der Landebahn versperrt, außerdem gab es mehrere nächtliche Angriffe auf den Bauzaun...
 
  
Noch eine Baumbesetzung
 
In den letzten Augusttagen, gelang eine weitere Besetzung der noch auf dem Landebahngelände verblei-benden Bäume. Obwohl der Rest-Wald eingezäunt und bewacht war, gelang es einer Handvoll Robin Wood-AktivistInnen, zwei Plattformen und Transparente zwischen den Kronen zweier Bäume zu befestigen. 3 KletterInnen hielten die Besetzung für knapp 3 Tage aufrecht und wurden schließlich von einer Klettereinheit der Polizei geräumt.
 
  
Stell dir vor, es ist Rodung und niemand geht hin...
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<small>{{Fußnoten}}</small>
Einen Tag später, am 1. September begann die Rodung des bis dato verbleibenden Kelsterbacher Waldes. Während Tags über die BewohnerInnen der Mahnwache aufgrund ihrer geringen Zahl nur ohnmächtig zusehen konnten, waren die Bürger-initiativen abends nicht in der Lage mehr als 50 Mensch zu einer spontanen Kundgebung am Kelsterbacher Bahnhof zu mobilisieren.
 
Pläne die Rodungen zu behindern, indem sich Menschen in unmittelbarer Nähe der Bäume aufhalten schei-terten, weil die HölzfällerInnen die Sicherheitsvorschriften komplett misssachteten. Ein einwöchiger Hungerstreik einer Mahnwachen-bewohnerin erregte etwas mediale Aufmerksamkeit, änderte aber nichts an den Rodungen. Inzwischen ist das gesamte Gelände der Landebahn gerodet. Die Bauarbeiten laufen, geplante Inbetriebnahme ist 2011.
 
  
Wie geht’s weiter?
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Die Zusammenhänge der Waldbe-setzung haben sich weitgehend aufgelöst. Die Resignation bei den Bürgerinitiativen und der unorgan-isierten Bevölkerung ist momentan sehr hoch. Das liegt wahrscheinlich an zwei Dingen: Die Räumung der Waldbesetzung, die bis dahin vielen Mut gemacht hatte und viele Menschen neu für das Thema aktiviert hat. Zum andern das Urteil des Verwaltungsgerichtshof Kassel, der den Ausbau juristisch durch gewunken hat. Hierzu ist kritisch anzumerken, dass ein Teil der BIs ihre Hoffnungen auf Gerichte gesetzt haben, anstatt sich selbst für ihre Belange zu engagieren – eine Position die immer noch vom gemäßigten Flügel der Bürgerinitiativen vertreten wird.
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[[Kategorie: Herbst 2009]]
Trotz des eher desolaten Zustandes des Widerstandes vor Ort, ist das Thema für eine emanzipatorische Umweltbewegung weiterhin wichtig und lohnend. In Zeiten sowohl des immer bedrohlicheren menschge-machten Klimawandels einerseits und des weltweiten Ausbaus von Flughäfen anderseits, sollte der Flugverkehr (die klimaschädlichste Fortbewegungsart) im Fokus der Kritik stehen.
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[[Kategorie: Artikel]]
Der Frankfurter Flughafen ist momentan das größte Ausbauprojekt im deutsch-sprachigen Raum. Auch wenn der symbolträchtige Wald gerodet wurde – solange hier noch nicht die geplante Steigerung der Flugbewegungen um 50% Prozent stattgefunden hat, kann das Schlimmste noch verhindert werden. Außerdem steht längst fest, dass der Ausbau mit Inbetriebnahme der Landebahn noch lange nicht vorbei ist.
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[[Kategorie: Atomkraft]]
Aktionen gegen den Ausbau sind für die Presse in Hessen längst eine feste Größe, auch das es Umweltaktiv-istInnen ohne eine Organisation im Hintergrund gibt, ist bis in die Redaktionen vorgedrungen. Momen-tan gibt es Pläne, die Mahnwache im Kelsterbacher Wald auch über den Winter fortzuführen. Das alles spricht für eine Anknüpfung an den Widerstand der letzten Jahre.
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[[Kategorie: Repression]]
Hauptaufgabe der radikalen und emanzipatorischen Umweltbewe-gung sollte es sein, Strukturen zu ent-wickeln die diese Kämpfe fortführen und wieder aufleben lassen.
 

Aktuelle Version vom 1. November 2009, 20:14 Uhr

Anti-Atom-AktivistInnen kündigen Aktionswoche an

+++ Repression gegen AtomkraftgegnerInnen +++ Ein Aktivist in U-Haft +++ Strafbefehle über 80 Tagessätze +++ Prozess und angekündigte Aktionswoche drumrum +++

Im November 2008 stoppte eine Gruppe von etwa zehn AktivistInnen den Castor in Grenznähe. Drei von ihnen hatten sich an einem Betonblock im Gleisbett festgekettet. Der Transport stand zwölf Stunden.

Der Widerstand richtete sich gegen die immense Bedrohung durch die Atomindustrie: angefangen bei der gefährliche Gewinnung und Aufbereitung von Uran, über das unabschätzbare Risiko, wie es atomare Unfälle in der Vergangenheit zeigten, bis zum ungelösten Endlagerproblem. Vor allem kritisierten die AktivistInnen mit ihrer Aktion diekapitalistische Logik der Energiekonzerne. Die Blockade sollte die öffentliche Aufmerksamkeit auch auf das Zusammenspiel von Staat und Atomlobby lenken, ohne das die Nutzung von Kernenergie gegen den Willen der Bevölkerung erst gar nicht möglich wäre.

Nun erhielten die drei Festgeketteten Strafbefehle über 80 Tagessätze zu je 10 Euro. Der Vorwurf der Nötigung ist dabei reichlich absurd. Schließlich stand der Zug nichteinmal auf der selben Seite der Grenze – geschweige denn in Sichtweite. Hinzu kommt, dass die Aktion ein angemessenes Mittel war, um konkrete Gefahren auf Leben und Gesundheit unzähliger Menschen abzuwenden.

Matze – einer der drei Festgeketteten – hat im Gegensatz zu den anderen beiden den Strafbefehl nie erhalten. Da Matze wohnungslos gemeldet war, hing der Strafbefehl einfach am Amtsgericht Kandel aus und galt damit als zugestellt. Somit wurde ihm nie die Gelegenheit gegeben, Einspruch einzulegen und dem Vorwurf gegen ihn in einer öffentlichen Verhandlung zu begegnen.

Kürzlich wurde Matze wegen eines anderen Vorwurfs aus Frankfurt in Untersuchungshaft genommen. Er wurde beschuldigt im Frühjahr 2009 an einer Sabotageaktion gegen den Wachschutz der umstrittenen geplanten Landebahn Nord West im Kelsterbacher Wald beteiligt gewesen zu sein. Hintergründe zum Widerstand in Kelsterbach und zur aktuellen Situation dort sind unter Waldbesetzung.blogsport.de zu finden.

Mehrere Wochen saß er deshalb in Untersuchungshaft. Während seines Engagements für die Freiraumbewegung in Berlin wurde er im August von der Polizei aufgegriffen und zunächst in Moabit in U-Haft genommen – später wurde er in die JVA Weiterstadt (Nähe Darmstadt) überführt.

Inzwischen wurde der Vorwurf aus Kelsterbach eingestellt. Allerdings sind durch die Untersuchungshaft Anwaltskosten in Höhe von 1000 Euro entstanden. Weitere 800 € müssen aufgebracht werden um den Strafbefehl aus Kandel zu bezahlen, gegen den – aufgrund der krassen Diskriminierung Wohnungsloser durch die Justiz - nun keine Rechtsmittel mehr möglich sind.

Die AktivistInnen kritisieren nicht nur die Anstrengungen der Justiz gegen politisch Aktive, sondern auch das Rechtssystem und der Justiz im Normalbetrieb. Denn deren Aufgabe ist es, die Besitz- und Profitinteressen der Besitzenden und Profitierenden vor denen zu schützen, die durch diese ausgebeutet oder vom Reichtum ausgeschlossen werden. Und vor denen, die (um beim Thema Kernkraft zu bleiben) zwischen Tailings - den ungesichert zurückbleibenden Schlacken der Uranmienen – leben müssen oder vor denen, die im unmittelbaren Umfeld von Asse, Morsleben und anderen End- und Zwischenlagern leben.


Um für die entstandene Kosten aufzukommen und auch um die anstehenden Prozesse finanzieren zu können, organisieren die AktivistInnen und weitere UnterstützerInnen Solipartys und sammeln Spenden (Konto: Spenden und Aktionen, Betreff: Gleisblockade, KtoNr 92881806, Volksbank Mittelhessen, BLZ 51390000). Immer wieder betonen sie aber auch, dass finanzielle Unterstützung zwar wichtig und nützlich ist, dass aber der Widerstand nur dann erfolgreich fortgesetzt werden kann, wenn sich mehr Menschen selbst den kapitalistischen Großprojekten und Risikotechnologien in den Weg stellen. Und dass sie persönliche Unterstützung und Solidarität mindestens genauso zu schätzen wissen wie finanzielle Hilfe.

Unterstützung können die AtomkraftgegnerInnen auch bei den noch anstehenden Prozessen brauchen. Die Prozesstermine stehen noch nicht fest, werden aber für die nächsten Monate erwartet. In zeitlicher Nähe zu den Verhandlungen soll eine Antirepressionswoche stattfinden. Sie soll das Thema noch einmal verstärkt in die Öffentlichkeit bringen, wie auch Menschen zusammenbringen, die sich mit den Angeklagten solidarisieren. Die AktivistInnen laden alle Interessierten dazu ein sich zu beteiligen, eigene Ideen einzubringen und sich selbst der Atomlobby und Repressionsorganen in den Weg zu stellen. Im Zentrum der Aktionswoche werden sowohl Handlungsoptionen und Hintergründe für Anti-Atom-AktivistInnen als auch Kritik an Staatsmacht und Strafmechanismen stehen. Denn eine Funktion von Rechtssystemen und Justiz ist es unter Androhung von Strafe das Verhalten der Menschen zu normieren. Auch die Atomkraft wäre einerseits ohne Repressionsstaat gar nicht möglich und legitimiert andererseits durch die von ihr ausgehende Gefahr auch dessen Notwendigkeit.


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