2010-01:Waldbesetzung in Schottland

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"... nicht hier und auch nicht anderswo"

-Widerstand gegen die Braunkohleindustrie in Großbrittanien-

Floh Während sich im deutschprachigen Raum alle Bestrebungen eine radikale Klimabewegung aufzubauen auf die Mobilisierung nach Kopenhagen konzerntrierten, um dort in der Vereinnahmung durch NGOs und bürgerliche Presse untergingen, keine inhaltlichen oder aktionistischen Schwerpunkte setzten konnten, und so nur jene unterstützen, die einen legitimierenden Diskurs pflegen, und seit der Räumung der Waldbesetzung in Kelsterbach kaum noch Strukturen bestehen, welche lokale Konfliktpunkte schaffen wollen um die Verknüpfung von Herrschaft und Klimawandel zu thematisieren und anzugreifen, bestehen diese Strukturen in Großbritannien. Ein Beispiel dafür ist der Widerstand gegen die Braunkohleindustrie

Besetzung in Mainshill und weitere Aktionen

In Schottland sollen 20 neue Braunkohle-Tagebaue entstehen. Für den ersten in South Lanarkshire liefen die Rodungs- und Vorbereitungsmaßahmen seit dem Sommer 09. Am 21. Juni besetzten KlimaaktivistInnen Bäume auf dieser Fläche und errichteten ein Solidaritätscamp - in Solidarität mit der lokalen Bevölkerung, die schon seit Jahren gegen den Tagebau ankämpft, der ihre Umwelt und ihre Gesundheit zerstören wird. Fast täglich wurden die Rodungsarbeiten von dem Camp aus blockiert und Unbekannte sabotierten regelmäßig Rodungs- und Bohrmaschinen. Das Festketten am Arm eines Harvesters wurde fast zur tagtäglichen Aufwärmübung, die beiden regelmäßig eingesetzten Harvester wurden so oft blockiert, dass die Rodungsarbeiten soweit in Verzug sind, dass nun mehrere zusätzliche die Rodungsarbeiten zu Ende bringen müssen.

Auch andere spektakuläre Aktionsformen, wie das sky raft kamen zum Einsatz. Ein sky raft ist eine Konstruktion, bei der mehrere Traversen (Seilverbindungen) zwischen Bäume gespannt werden. An diesen Traversen wird eine Plattform aufgehängt und zu den Seiten hin abgespannt. So wurden die Zufahrtswege der Harvester einmal für 8 Stunden versperrt. Ein sky raft ist schwer zu räumen, da es in der Höhe verstellbar ist, vergleichsweiße zu einem Tripod. Das heißt, sobald eine Hebebühne kommt (die dann ja den Weg versperrt) kann es nach oben gezogen werden, sobald die Hebebühne weg ist, kann es wieder heruntergelassen werden.

Hintergrund über Braunkohle

Zum einen ist die Verbrennung von Braunkohle die klimaschädlichste aller Arten der Energiegewinnung, da sie extrem ineffizient ist, und sollte deshalb in Zeiten des bevorstehenden Klimachaos komplett unterlassen werden, anstatt noch neue Tagebaue zu errichten. Zum anderen zerstören Tagebaue die Landschaft und die Natur auf rießgen Flächen komplett und hinterlassen eine tote Mondlandschaft. Für die AnwohnerInnen bedeutet Braunkohleabbau zudem eine groß gesundheitliche Beeinträchtigung.

Weitere Folgen von Braunkohle Tagebaue sind:

  • Zerstörung der topographischen Landschaft
  • Zerstörung der Ökosysteme
  • Verschlechterung der Wasserqualität
  • Zerstörung der Landwirtschaft und der Wälder
  • Lärmbelästigung
  • Luftverschmutzung
  • Verursachung von Erosionen
  • Absenkung der Landschaft
  • Vibrationen durch das Sprengen beim Abbau

Außerdem zieht ein Tagebau eine gesamte Infrastruktur nach, oder besser vor sich. Dicke Straßen für die Laster müssen gebaut werden und meistens werden die Kohlekraftwerke dann auch gleich nebenan gebaut.


Interview mit einem Aktivisten aus Schottland, im Herbst 09

Frage: Seit wann Existiert euere Besetzung?

Antwort: Das Gelände wurde am 18. Juni besetzt. Also gibt es die Besetzung jetzt seit 5 Monaten.

Frage: Was habt ihr bis jetzt für Erfolge erzielt mit eurer Besetzung?

Antwort: Unsere Anstrengungen gingen bis jetzt dahin, die Besetzung vor einer möglichen Räumung zu schützen, und die Arbeiten die um unser Camp herum paßieren zu stoppen.

Scottish Coal hatte damit geplant, bereits jetzt Kohle abzubauen, aber durch unsere konstanten Aktionen die ihre Arbeit stören, sind sie Monate hinter ihren Planungen hinterher. Zwar wurden viele Bäume bisher gefällt, aber das ist wirklich alles was sie bisher erreicht haben.

Wir fokussieren auch eine lokale Opposition gegen die Kohlemine und andere Projekte von Scottish Coal, in Douglas Valley aufzubauen, dadurch dass wir nah mit den Gemeinden zusammenarbeiten. Wir haben zusammen mit den lokalen Gemeinden die Kohle-Gesundheitsstudie entwickelt, die erste Untersuchung, die auf lokale medizinische Daten zurückgreift, und den Einfluss von Kohle-Tagebauen auf die Gesundheit der AnwohnerInnen offenlegt.

Wir haben auch eine Schottland und UK-weite Kampagne gegen neuen Kohleabbau aufgebaut, Aktionen an anderen Orten durchgeführt und das Thema neuer Kohleabbau auf ein politisches Level gehoben. Wir haben auch andere Kampagnen gegen Kohletagebaue oder neue Kohlekraftwerke in Schottland unterstützt, mit dem Ziel die verschiedenen Kämpfe miteinander zu vernetzen und zu stärken.

Frage: Wieviele Menschen leben auf der Besetzung? Werdet ihr über den Winter durchhalten?

Antwort: Es herrscht eine sehr groß Fluktuation bei uns im Camp, deshalb können wir keine konstante Zahl sagen, wir sind aber immer genug AktivistInnen um Aktionen starten zu können. Während des Camp for climat action, das im August hier in Mainshill stattfand und auf diversen anderen Camps die wir hier organisierten, erreichten wir auch TeilnehmerInnenzahlen bis zu 100 Menschen. Der Winter ist schon über uns hereingebrochen, aber wir werden hier bleiben, bis wir die Kampange gewonnen haben.

Frage: Du sprichst von vielen Aktionen. Kannst du darüber etwas erzählen? Wie oft finden die statt, welches Niveau hat die Auseinandersetzung erreicht, und was waren die Erfolge der Aktionen?

Antwort: Aktionen auf dem Gelände reichen von digger diving, oder, vor die Maschienen springen, über Lock-on Aktionen an den Maschinen, oder dem versperren von Zufahrtßtraßn durch Tripods, bis hin zu Sabotage und krimineller Sachbeschädigung. Es gibt oft Konflikte zwischen uns und den Scottish Coal Bossen, der Polizei, oder ArbeiterInnen der Vertragspartnern von Scottish Coal. Jedenfalls haben wir uns bemüht gute Beziehungen zu den ArbeiterInnen aufzubauen und in Solidarität mit ihnen zu handeln. Die Chefs der Konzerne stellen immer die ArbeiterInnen zwischen sich und uns und sitzen in ihren Büros und machen sich die Hände nicht schmutzig. Deshalb haben wir versucht die Auseinandersetzung zwischen uns und den ArbeiterInnen abzuschwächen und statt dessen die Chefs und EntscheidungsträgerInnen ins Visier zu nehmen.

Aktionen passieren jeden Tag, oder manchmal bis zu dreimal am Tag je nach Anzahl der Menschen im Camp und deren Energie. Von daher ist es wichtig immer einen guten Fluß von Menschen zu haben, die kommen um Aktionen zu machen.

Frage: Was ist eure Motivation dabei, die Kohleindustrie zu stoppen?

Antwort: Unsere Motivationen sind dreierlei: Erstens handeln wir in Solidarität mit den betroffenen Menschen hier vor Ort. In Douglas haben 650 Menschen geklagt gegen den Planungsantrag für die Mine. Und die Menschen haben jahrelang gegen die Zerstörung ihrer Gesundheit und der Umwelt durch den Tagebau gekämpft. Niemanden interessiert das und das Parlament ist korrupt. Also haben wir gedacht direkte Aktionen zu starten ist ein effektiver Weg diesen Irrsinn zu stoppen.

Zweitens sind Tagebaue extrem destruktiv gegenüber der lokalen Umwelt, und Wildleben, verschmutzen die Luft und das Grundwasser. Im Mainshill Wood leben Dachse, Fledermäuse, seltene Orchideen, Greifvögel und viele andere Arten von wildem Leben und geschützter Spezies.

Zuletzt, ist der Klimawandel Realität und betrifft alle Menschen und Ökosysteme auf der Welt. Kohleabbau und -verbrennung ist eine wichtige Ursache des Klimawandels. Wenn wir eine Chance haben wollen die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden, muß das alles komplett gestoppt werden. Es sind genau diese Projekte wie der Tagebau in South Lanarkshire die gestoppt werden müßen im Kampf gegen den Klimawandel.

Frage: Was sind die politischen Hintergründe der Menschen auf der Besetzung?

Antwort: Die Hintergründe der Menschen hier sind unterschiedliche. Die Besetzung hangelt sich entlang an emanzipatorischen Werten. Entscheidungen werden im Konsens getroffen und Unterdrückung und Hierarchien werden nicht toleriert.

Die Besetzung ist ein offener Raum, für alle die diese Werte teilen und gegen neue Kohle kämpfen wollen.   Frage: Was ist die Meinung der Menschen bei euch im Camp zu den Protesten in Kopenhagen? Werden Leute von eurer Besetzung daran teilnehmen?   Antwort: Wahrscheinlich werden Menschen von hier nach Kopenhagen fahren. Aber wir appellieren auch dafür lieber hierher zu kommen als Alternative dazu nach Kopenhagen zu fahren.

Viele von uns glauben, dass den Klimawandel zu stoppen und den Zusammenbruch der ökosysteme zu verhindern, darüber funktioniert, die örtlichen Gemeinschaften darin zu bestärken sich selber zu ermächtigen und lokale Aktionen zu machen, anstatt sich auf globale Institutionen oder den freien Markt zu verlassen, dass diese das Problem für einen lösen.

Wie sollte mensch besser einer neuen Runde von Klimagesprächen entgegentreten, als damit sich selber an einen Harvester zu ketten?

Aber wir senden unsere ganze Solidarität denjenigen, die nach Kopenhagen mobilisieren und versuchen die Verhandlungen zu verhindern.

Frage: Gibt es noch mehr Besetzungen wie eure in UK?

Antwort: Es gibt einige. Da ist die Bilston Glen Anti-Bypass-Besetzung in der Nähe von Edinburgh, die Widerstand leistet gegen eine neue Straße für sie Biotechnologie. Da ist Titnore Emergency Action in Worthing, an der Südküste die ein Neubaugebiet und einen Tesco-Supermarkt verhindern wollen, und das Faslane Peace Camp in der Nähe von Helensburgh an der Westküste, die Widerstand gegen Atomwaffen leisten.

Frage: Kannst du etwas erzählen in welcher Verfassung sich die Klimabewegung in UK befindet?

Antwort:Die Klimabewegung hier wird stärker und stärker, zersplittert sich aber in viele verschiedene Richtungen. Da gibt es zum Beispiel die NGOs und Gruppen wie Stop Climate Chaos, die leider reformistische Taktiken benutzen und damit nichts zu erreichen scheinen. Es gibt Gruppen wie das Camp for Climate Action, die versuchen eine Massenbewegung aufzubauen für direkte Aktionen, und es gibt Earth First! Gruppen die eher eine "Keine Kompromiss Stellung" beziehen. Das Mainshill Solidarity Camp identifiziert sich am meisten mit den radikalen Positionen von Earth First, ist aber auch vernetzt mit den Camp for Climat action Gruppen von Schottland und England.

Frage: Wie können Menschen aus Deutschland eure Besetzung unterstützen?

Antwort: Verteilt die Information über uns soweit es geht und ermutigt die Leute bei uns vorbeizukommen, wenn das welche könnten, wäre es großartig! Eine Vernetzung und das Teilen von Erfahrungen und Reßourcen könnte sehr sinnvoll sein und Aktivitäten hier und in Deutschland stärken.

Frage: Was für Firmen sind involviert? Gibt es auch internationale Firmen die auch in Deutschland angegriffen werden könnten?

Antwort: Die größten Auseinandersetzungen haben wir mit Scottish Coal, Lord Home (Landbesitzer und Wichtigmensch bei der Coutts Bank) und South Lanarkshire Council. Die Kohlekraftwerke werden betrieben von ScottishPower die Iberdrola gehört. Es wäre definitiv interessant herauszufinden, welche Firma auch europaweit arbeitet.


Räumung in Mainshill

Nachdem das Mainshill Solidarity Camp sieben Monate bestand, viele direkte Aktionen von dort ausgingen, und es als Ort der Vernetzung von betroffenen AnwohnerInnen und KlimaaktivistInnen diente, oder die Grenzen dazwischen sogar abschaffte, begann am 28. Januar die Räumung. Anders als in Doofland werden in Großbrittanien Räumungen nicht direkt von den Bullen durchgeführt, sondern das „Dienstleistungsunternehmen“ UK-Evict führt die Räumungen durch, im Auftrag der Bullen.

Zahlreiche Blockadeaktionen sorgten für eine spektakuläre und langwierige Räumung: Baumhäuser, Lock-ons in den Bäumen, einem Sky Raft, und einem Tunnelsystem mit Ankettvorrichtungen. 5 Tage benötigte UK-Evict bis die letzte Kohlegegnerin aus dem Solidaritätscamp geräumt war. Für Großbrittanien eine vergleichsbare kurze Zeit. Und tatsächlich waren einige BesetzerInnen überrascht wie schnell die Räumung voranging: „UK Evict verfolgte eine neue Taktik: Sie arbeiteten 22 Stunden am Tag an der Räumung des Tunnels, machten also lediglich 2 Stunden Pause. Das ermöglichte es ihnen deutlich schneller voranzukommen.“ sagte eine Aktivistin. Die Räumung der Tunnelsysteme ist erfahrungsgemäß das langwierigste einer Räumung.

Dafür fanden aber noch während der Räumung andere Blockadeaktionen gegen die Braunkohlemaschinerie in Schottland statt. So wurde zum Beispiel der Ravebstruther Verladebahnhof über 5 Stunden blockiert, indem ein aktiver Braunkohlegegner auf den Kran kletterte und sich festkettete. 15 Kohlelaster und ein -Zug wurden so gestoppt. Am Ravenstruther Verladebahnhof wird auch die in Mainshill geförderte Kohle verladen werden, um dann zum Kohlekraftwerk Drax transportiert zu werden. Drax ist das Kohlekraftwerk, welches am meisten CO2 in ganz GB in die Luft bläßt. Deshalb fand hier 2006 auch das weltweit erste „Camp for climat action“ statt.

Vor und nach der Räumung gab es immer wieder Sabotage-Aktionengegen Bohrfahrzeuge und Bagger. „Das einzige was sich nach der Räumung, und mit dem Beginn des Abbaus, geändert hat, ist dass die Maschinen, die sabotiert werden können größer geworden sind“ heißt es in einem BekennerInnenschreiben.


Weitere Besetzungen gegen Braunkohleabbau

Die Räumung in Mainshill sollte aber nicht das Ende eines breiten Widerstandes gegen die Braunkohleindustrie sein, sondern der Anfang davon diese vielerorts anzugreifen:

In der zweiten Märzwoche 2010 wurde auf der Huntington Lane Tagebaufläche bei Birmingham ein Besetzungscamp errichtet. Hier will die Kohlefirm UK Coal ein knapp 100 Hektar großes Naturschutzgebiet, mit altem Baumbestand zerstören, um 900.000t Kohle zu fördern, wodurch mindestes 2.430.000t CO2-Emissionen freigesetzt werden, ohne das CO2 welches beim zerstören des Waldes freigesetzt werden. Das Camp existiert noch (Stand Ende Arpril) und wurde von vielen AktivistInnen ausgebaut.

In der Nacht vom 21. auf den 22. März besetzten Anti- Kohleabbau- AktivistInnen erneut einen Wald der für einen Kohletagebau weichen soll. Die Blair House Tagebaufläche wurde in Solidarität mit den AnwohnerInnen und als direkte Intervention gegen die Umweltzerstörung die sie versursachen wird, besetzt. Hier hat UK-Coal die Erlaubniss bekommen 720,000 Tonnen Kohle abzubauen. Damit werden die Einwände der AnwohnerInnen einfach übergangen. Fiona Richards, eine der BesetzerInnen sagt: „Diese Kohlemine ist nur eine von 20 die in Schottland die Planungs-Erlaubnis bekommen hat. Wenn wir eine Chance haben wollen einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern, und lokale Gemeinschaften vor Carbon-intensiver Industrie schützen wollen, müssen wir direkte Aktionen starten, da Stadtverordnete, Kohlekonzerne und die Regierung ihren kompromisslosen Unwillen gezeigt haben die Probleme zu lösen die wir bekämpfen.“

Das sogennante „Black Wood protest camp“ wurde aber nach einenhalb Wochen wieder verlassen. „Von Anfang an war der Plan eine kurzfristige Besetzung durchzuführen, um UK Coal zu zeigen, dass kein geplanter Tagebau sicher vor einer Besetzung und einem breitem Widerstand ist, und um die Kosten in die Höhe zu treiben. Außerdem wollten wir Kontakte zu lokalen, betroffenen Gemeinden knüpfen, und das Thema weiter öffentlich machen. Wir werden woanders wieder auftauchen.“ Heißt es in einer Veröffentlichung.