2010-02:Schlichtung, Mediation, Integration: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 14:11, 17. Aug 2010

Seit Beginn der Abrissmaßnahmen für Stuttgart 21 (mit einem Rießenbauprojekt soll der Überirdische Kopfbahnhof zu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof werden) hat der Widerstand gegen dieses Projekt eine massive Breite erlangt. Fast täglich sind Tausende bis Zehntausende auf der Straße und teilweiße bleibt das Ganze nicht nur symbolisch, sondern es wird auch real versucht zu blockieren. Wo die Einen fest behaupten Stuttgart 21 sei unumkehrbar, bekommen es die Anderen mit der Angst zu tun, und fürchten um den öffentlichen Frieden. So etwa Boris Palmer, Tübingens grüner OB welcher die Unterbrechungen der Baumaßnahmen fordert für die Einrichtung eines Kongresses mit Gegner_innen und Befürworter_innen, um ein "gemeinsames Ergenbnis" auszuarbeiten. Dass all das nur der Befriedung des Konfliktes dienen soll, gibt Palmer unumwunden zu.


Dieser Artikel ist der Versuch einer Einordung der Strategie von Befriedungsmaßnahmen dieser Art, und ein Plädoyer dafür den Widerstand nicht befrieden und nicht in systemkonforme Bahnen integrieren zu lassen.


Widerstand gegen ungewollte Großprojekte wird heutzutage normalerweiße einfach ignoriert. Zu wenig Durchschlagskraft hat der Widerstand , zu leicht lassen sich die aktiven Teile isolieren. So ist es ein leichtes wirtschaftlich und politisch gewollte Großprojekte durchzuknüppeln, ohne dass die Risse im Legitimationsfundament der Herrschaft einen Flächenbrand erfahren, oder um im Bild zu bleiben, das Legitimationskonstrukt zum einbrechen bringen. Seit den Erfahrungen der großen Bauplatzbesetzungen der 80er gegen die Startbahnwest, Atomkraftwerke oder Wideraufbereitungsanlagen, gab es keine Auseinandersetzungen mehr (zumindest nicht gegen einzelne Bauvorhaben) die zum Ergebniss hatten dass auf lokaler Ebene in weiten Teilen der Bevölkerung jede Loyalität zu den herrschenden Strukturen verloren ging, und die Politik hat seitdem dazugelernt:


So wurde schon zum erneuten Ausbau des Frankfurter Flughafens, mit der Landebahn Nordwest, der Versuch unternommen, den nach wie vor vorhandenen Widerstand (welcher zu Beginn der Planungen für die Landebahn noch viel breiter war als dann beim Ausbau selber) gegen den Flughafen mit einer Mediation zu befrieden. Dabei sollte per rundem Tisch den GegnerInnen suggeriert werden, sie könnten an der Entscheidungsfindung teilhaben, und so die Akzeptanz stärken und den Protest in institutionelle und kontrollierbare Wege lenken.


Nun, da die Proteste gegen Stuttgart 21 eine Breite gewinnen, die wohl manch eine/n erschaudern lassen, und - wenn schon nicht um die Legitimation von Herrschaftsstrukturen - so doch um den eigenen Sesselplatz fürchten lassen, kommen ähnliche Ideen auf. Festzuhalten gilt es hier schonmal, dass überhaupt die Idee, das - konstruierte - einfache Volk könne irgendetwas mitentscheiden erst zu dem Zeitpunkt aufkommt, wo es einigen Angst und Bange wird, und nicht wie oft argumentiert, weil sich alle brav an die Spielregeln halten.


Wer würde sich nun besser eignen für das fordern einer Befriedungsmaßnahme als ein grüner Oberbürgermeister? Steht doch diese Partei als solche für die erfolgreiche Befriedung fast einer kompletten Widerstandsbewegung - haben doch etliche ihre gesamte Hoffnungen in diese Partei gesteckt,und damit den Glauben an die Selbstermächtigung aufgegeben. So brachte Boris Palmer, Tübinger OB, gestern nachdem erneut 11 000 Menschen gegen S21 protestierten und einige Hunderte in dessen Verlauf die Baustelle besetzten, den Vorschlag die Bauarbeiten für einige Monate zu unterbrechen, und währenddessen eine Konferenz einzurichten an der BefürworterInnen und GegnerInnen teilnehmen sollen. Bis etwa Ende des Jahres sollte das gehen und bis dahin ein Ergebnis erzeugen. Die Unterbrechnungen sollen "eindeutig befristet sein und eine Friedenspflicht der Projektgegner bewirken: keine Demonstration im Zeitraum der Gespräche". So offen lässt Palmer aus dem Sack worum es geht: Die Friendenspflicht bewirken. Deutlicher kann es nicht gesagt werden. Weitergedacht heißt das aber auch, dass jene, die sich auf diese Verhandlungen einlassen wollen, innerhalb der ProjektgegnerInnen jeden Protest außerhalb dieses "Kongresses" verhindern müssen. Also die Drohnung von oben weitergeben müssen, dass ansonsten die Verhandlungen platzen. Genau das würde zu einer enormen - gewollten - Spaltung führen. Außerdem hat sich oft gezeigt, dass bei einer solchen Unterbrechung der Proteste, die Wideraufnahme meist nur kläglich gelingt, weil die Luft und die Dynamik drausen ist.


Palmer wird aber noch deutlicher worum es ihm eigentlich geht. Denn es "führt entweder das verabschiedete Papier selbst zu einer Befriedigung (wohl Befriedung gemeint) der Situation" oder die Integrationsmaßnahmen werden "auch bei der Mehrheit der Gegner zu einer Akzeptanz führen, die für die Zukunft ein gedeihliches Miteinander auch mit Stuttgart 21 ermöglicht". Es wird also gar nicht versucht zu suggerieren, dass es um so etwas wie "Mitentscheidung" (welche ja noch genug zu kritisieren wäre, da sie eben nicht Selbstbestimmung ist) der Betroffenen an sich gehen könnte. Sondern erklärtes Ziel ist ganz eindeutig, eine weitere Legitimationsebene zu schaffen um dieses Projekt GEGEN den Willen der davon Betroffenen durchzusetzten.


Auf einer Meta-Ebene geht es bei solchen Auseinandersetzungen also immer darum, dass ab einer Breite bei der die Herrschaftsseite handlungsbedarf erkennt, versucht wird den Widerstand zu integrieren in vorgegebene, institutionelle Rahmen. Dadurch wird jede herrschaftsüberwindende Potentz zerstört, und im Gegenteil, die innovativen Elemente, oder auch ein damit verbundener Lifestyle des Widerstandes werden davon absobiert, und in systemkonforme Bahnen gelenkt. So wird das System bei jeder erfolgreichen Integration modernisiert. Ganz nach dem Motto: Was uns nicht umbringt macht uns stark. Da das Ziel jeden emanzipatorischen Anspruches es aber sein muss eben jenes System umzubringen, muss jeder Integrationsversuch erkannt werden und auf das entschjiedenste Abgelehnt werden.


Das Ziel des Mediationsverfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens wurde erkannt von den Bürgerinitativen, und fast geschlossen abgelehnt. Innerhalb der Frankfurter BIs sind aber auch herrschaftskritische Gruppen und Menschen die einen gewissen diskursiven Einfluss haben. Gibt es solche herrschaftskritischen Strümungen auch in Stuttgart? Oder wenigstens Leute die strategisch soweit denken können, um zu erkennen, dass genau Palmers Kongress dass Ende jeden Widerstandes währe?