2010-02:Ãœplingen

Aus grünes blatt
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Gentechnik in Üplingen ‒ Ein Diskussionsbericht

line Das 10-jährige Bestehen des InnoPlanta e.V. wurde mit einer Tagung der High Society der Genforschung in Üplingen begangen, wo Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Forschung zugegen waren. Kritische Beiträge finden sich im Programm am 06.09.2010 nicht, doch die inhaltliche Auseinandersetzung mit Gentechnik wird vor den Mauern des BioTech Schaugartens geführt. Die 4-tägige Veranstaltung vor den Mauern, gespickt mit Vorträgen, kreativen Beiträgen und Möglichkeiten zum Austausch, kritisiert die Vorgänge innerhalb der biotechnologischen Forschung, also der genetischen Veränderung lebenden Materials. Dieser Bericht soll sowohl die Motivationen der GentechnikbefürworterInnen als auch deren KritikerInnen aufgreifen und diskutieren.


Hintergründe zum BioTechSchaugarten in Üplingen und dessen Förderung

Um einige Kritikpunkte zu fundieren, habe ich mich mit den Prognosen und Zielen des BioTechSchaugartens beschäftigt. Besonders interessant ist die Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs, den ich hier kurz umreißen möchte: Nachhaltigkeit umfasst „soziale Gerechtigkeit, ökologische Verträglichkeit und ökonomische Leistungsfähigkeit“, so die Definition.1 Dieses Stichwort dient der Begründung der Fördermittelvergabe, auch aus dem Topf des Ministeriums für Bildung und Forschung.2 Doch sind diese Kriterien erfüllt?
Die gleichberechtigte Verteilung an alle Staaten und Völker klingen in meinen Ohren nach einer Vorstellung, von der wir hier und jetzt weit entfernt sind. Doch genau das verspricht die biotechnologische Forschung. Auf der Internetseite lassen sich Versprechen an anpassungsfähigere Pflanzen finden, um im Kampf gegen den Welthunger punkten zu können. Schädlingsresistente Pflanzen und die Reduktion von Ernteausfällen lauten die Aushängeschilder der Industrie, um sie selbst zu Wort kommen zu lassen: Ziel ist es „neue Pflanzen zu entwickeln, die dazu beitragen können, die große globale Herausforderung einer nachhaltigen Landwirtschaft zu bewältigen. Gentechnik – die Übertragung von „artfremden“ Genen – wird dabei immer dann eingesetzt, wenn ein bestimmtes Ziel mit anderen Züchtungsmethoden nicht oder nur eingeschränkt zu erreichen ist.“3
Doch die Dimensionen, die sich dahinter verbergen, sind weitreichender, als sich auf den ersten Blick vermuten lässt.


Zwischen fröhlicher Musik und einer bunt gemischten Menge von Menschen befinde ich mich, bereit, um mich mit den Motivationen zum Anbau von gentechnisch verändertem Material zu beschäftigen. Ich sehe mich ein wenig um. Die entscheidende Möglichkeit für ein Interview mit einigen aus dem Schaugarten heraustretenden Herren ergibt sich, obwohl ich nicht damit gerechnet hatte. Auf die kritischen Äußerungen seitens der Demonstrantinnen und Demonstranten reagieren sie mit geschicktem Themenwechsel, ohne die relevanten Punkte in ihre kurzen Antworten mit einzubeziehen. „Die Arbeit gegen den Hunger in Afrika mit trockenresistentem Mais anzukurbeln und einen Ausblick zur Herstellung von biologisch abbaubarem Plastik durch Gentechnik“ geben sie uns als Begründung für ihr Handeln. Das bringt mich zum Nachdenken. An den Zielen kann ich vorerst nichts Verwerfliches finden, doch es sind ähnlich formulierte Aspekte, wie sie sich auch auf der Internetseite des BioTech Schaugartens finden lassen und somit keine neuen Informationen.

Da ich meinen Bericht dennoch mit Informationen und Hintergründen zur Gentechnik füllen möchte, greife ich nun einige Gedanken von den dort protestierenden Personen auf. Die Interviews und Unterhaltungen, die ich dort geführt habe, gaben mir einen guten Überblick zu den Begründungen der Kritik an Gentechnik.


Die Kritik hat mehrere Facetten

Die Möglichkeiten zur „freien Entscheidung“ werden in verschiedenen Zusammenhängen dezimiert:

  • Die Kontamination von Saatgut der Bäuerinnen und Bauern, die sich nicht gentechnisch veränderten Mitteln bedienen, bleibt eine Gefahr.
  • Gentechnisch veränderte Samen dürfen nicht erneut ausgesät werden, da das Patentrecht auf die bestimmte Genotypen bei den Herstellern des Saatgutes liegt, wodurch eine permanente Abhängigkeit zwischen Bäuerinnen und Bauern und den Patentrechtinhabenden entsteht.
  • Auch die Wahlmöglichkeit der Konsumentinnen und Konsumenten droht in Frage zu stehen, da die Kontamination des Saatgutes nur schwer auszuschließen ist, schließlich kennen Pollen keine Mauern.

Die Selbstbestimmung der Landwirtschaft wird stark eingegrenzt und die Maximierung der Profite durch die Gentechnikindustrie muss die Folge sein. Das Saatgut, das jedes Jahr erneut erworben werden muss und das Verbot der selbstständigen Reproduktion von gentechnisch verändertem Saatgut, nimmt den Landwirtinnen und Landwirten ihre Unabhängigkeit. „Am Schaden verdienen die, die den Schaden verursachen“, erklärt einer der Organisatoren und meint damit auch die Spritz- und Düngemittel, die diese Industrie zu Verfügung stellen will. Zwar wird damit geworben, dass durch bestimmte genetische Veränderungen in den Pflanzen Insekten abgeschreckt werden, aber die Entwicklung von Resistenzen der Insekten fordert weit stärkere Spritzmittel, als es bisher der Fall ist. Ganz abgesehen von den gesundheitlichen Risiken, die es noch zu untersuchen gilt.

Die Argumentation zur Bekämpfung der Armut in den Südstaaten wurde auch auf der 4-tägigen Veranstaltung diskutiert. „Die kommenden Klimaveränderungen werden zu Ernteausfällen führen, sei es durch Überflutungen ganzer Landstriche oder Verdürrung von Boden, dagegen gilt es vorzugehen mit Hilfe der modernen Technik und daraus entstehenden Pflanzen, die besser angepasst an die jeweiligen Verhältnisse dennoch ertragreicher sein können“, so das Ministerium für Bildung und Forschung. Den Welthunger durch gentechnisch veränderten Mais beseitigen zu wollen, ignoriert die Möglichkeiten, die es bereits jetzt gibt. Der überdimensionierte Verbrauch von Lebensmitteln in den sogenannten Industrienationen, das billig importierte Tierfutter für Zuchttiere aus den Dritte-Welt-Ländern, spricht gegen jegliche Moral, die in dieser Industrie vorgegaukelt wird. Das größere Problem sehe ich darin, dass viele dennoch an die Argumention und den Sinn von derartigen leeren Versprechungen glauben und dafür einstehen wollen. Die Ziele der Industrie klingen im ersten Moment vielleicht ehrenwert, doch der Zweck kann deren Mittel nicht reinigen, zumal die Erfüllung des Zwecks noch zur Debatte steht.


Was sind die Ziele von Diskussionsveranstaltungen und des Protests gegen Gentechnik?

Es geht darum sich auszutauschen und neue Aspekte der Gentechnik kennenzulernen und über die Argumentation der Gentechnikbefürworterinnen und -befürworter zu diskutieren. Proteste setzen Prozesse in Gang. Die Herstellung einer Öffentlichkeit, die sich für das Geschehen vor Ort interessiert, kann und muss damit erreicht werden.

Offene Fragen, die ich stellen würde, wenn ich die Gelegenheit hätte (oder vielleicht habt ihr sie mal).

  • Was erhoffen Sie sich von den Ergebnissen der biotechnologischen Forschung, genauer der genetischen Veränderung von Pflanzen?
  • Welche Mittel würden Sie einsetzen, um Ihre Ziele zu erreichen?
  • Was nützt der Anbau von trockenresistentem Mais hier?
  • Wie setzen Sie sich mit Kritik an biotechnischen Projekten auseinander?
  • Denken Sie, dass Feldbefreierinnen und Feldbefreier begründete Argumente für ihre Aktionen haben und wenn ja, welche vermuten Sie dahinter?
  • Wie ist es zu rechtfertigen, dass diese horrenden Summen an Fördergeldern nicht in andere Forschungsprojekte gehen? Was lässt sich dieses Projekt gegenüber anderen vorziehen?
  • Wie weit würden Sie in Ihren biotechnologischen Forschungen gehen, gilt es auch Tiere und Menschen zu „verbessern“?

Quellen: