2011-01:Ticker Gentechnik und ihre Seilschaften

Aus grünes blatt
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Ticker Gentechnik und ihre Seilschaften

(jb) zusammengestellt als Häftling 99/10/7 im Gießener Gefängnis
c/o Projektwerkstatt, Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen, 06401/903283
saasen@projektwerkstatt.de, www.biotech-seilschaften.de.vu

Sie ist da: „Monsanto auf Deutsch“ - die Enzyklopädie der Gentechnik-Seilschaften!
„Monsanto auf Deutsch“ - schon der Titel trägt den Widerspruch in sich. In Deutschland wird zur Agro-Gentechnik vor allem über den US-amerikanischen Konzern geredet. Blicke hinter die Kulissen der deutschen Akteure, immerhin drei Global Player und viele Kleinfirmen, fehlen bislang. Dieses Loch will das am 1. Janaur 2011 erschienene Buch füllen. 240 Seiten sind mit Informationen über Personen, Organisationen, Behörden, Lobbytätigkeit, Geldflüsse und konkreten Beispieln gefüllt. Zu allem finden sich präzise Quellenangaben. Seite für Seite erfolgt ein tiefer Blick in die Seilschaften der Agro-Gentechnik. Die ersten Kapitel drehen sich um die Verflechtungen zwischen Behörden, Firmen, Lobbyvereinen, PR-Agenturen und WissenschaftlerInnen. Immer wieder ziehen die gleichen Personen in verschiedenen Funktionen an den Strippen, zwischen allen Beteiligten besteht ein enges Geflecht, in dem sowohl Genehmigungsbehörden wie auch Geldgeber voll mitspielen: Noch nie ist ein Feldversuch mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland abgelehnt worden. Staatliche Mittel schmieren den Betrieb. Dabei wird belogen und betrogen, was das Zeug hält. Dieser Beschreibung der Netzwerke fügt Autor Jörg Bergstedt einen zweiten Teil an. Nun werden an konkreten Fragestellungen die Strategien der Gentechnikbranche dargestellt: Ihre Propaganda und was davon zu halten ist. Das Spiel mit der Koexistenz. Die Repression gegen KritikerInnen. Hinzu kommt ein Kapitel über ein konkretes Feld: Betrug, Fälschungen und Schlampereien sind die Realität draußen, wo die Pflanzen stehen. Über 2000 Quellenangaben und ein präzises Stichwort- und Personenverzeichnis machen das Buch zu einem Lexikon der Agro-Gentechniknetzwerke. Eine erschreckende Sammlung, die Wut macht.

Aktuelle Ergänzungen zum Gentechnikfilz:

Personen und Organisationen

Jens Katzek wechselt zu BASF
Er war schon fast überall - erst Gentechnik-Chefkritiker beim BUND (ja, dem Umweltverband), dann von einem Tag auf den anderen Pressesprecher der KWS, von dort zu Industrieverbänden und dann als Chef zum sachsen-anhaltinischen Financier der Gentechnik, BioMitteldeutschland. Von dort springt er jetzt zur Gentechniktochter der BASF.

Gert Lindemann wieder auf Posten
Er war Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium und wies mit allerlei Lügen und Verdrehungen die Dienstaufsichtsbeschwerden des Umweltinstituts München gegen die BVL-Herren Buhk und Bartsch ab. Jetzt wird er neuer Landwirtschaftsminister in Niedersachsen.

Marianna Schauzu offenbart Position
Bislang war einiges um diese Person nebulös, es gab keine klaren Beweise. Würde sie zu den DrahtzieherInnen der Gentechnik-Seilschaften gehören, so wäre das doppelt interessant, denn Schauzu ist die in Genehmigungsverfahren von Genfeldern beteiligte Person beim Bundesamt für Risikobewertung (und winkt diese dort immer durch), arbeitete früher direkt in der Genehmigungsbehörde BVL und ist Funktionärin der Partei Die Linke in Berlin. Nun hat sie ihre Einseitigkeit öffentlich bezeugt - und das gleich in der Linken-nahen Tageszeitung „Junge Welt“, die auch solche Pro-Gentechnik-Marktschreier wie InnoPlanta Preisträger Thomas Deichmann schreiben lässt und Artikel über die Gentechniknetzwerke aus Angst vor Klagen aus selbigen nicht zu veröffentlichen wagt. Marianna Schauzu lobt in ihrem Text Firmen wie Monsanto als Entwicklungshelfer für die hungerleidenden Menschen. Da bleibt nur ein neidischer Blick auf die GentechnikbefürworterInnen: Wer solche „GegnerInnen“ hat (sprich: wenn marxistische Parteien und Zeitungen schon für Monsanto & Co. werben), braucht auch keine Argumente.

Peter Bleser wird Staatssekretär
Der flammende Befürworter der Agro-Gentechnik ist seit Januar 2011 neuer Staatssekretär der Verbraucherministerin Aigner - die gentechnikbefürwortende Position wird also auch in der Ministeriumsspitze jetzt personell sichtbar. Die Durchwink-BeamtInnen von BVL, BfR, JKI usw. wird es freuen.

Bionade: Ende der Lügen
Wer die Geschichte von Bionade kennt, weiß auch, wofür der Name eigentlich stand: Ein biotechnologisch erzeugtes Getränk - hipp und modern. Dumm war, dass die Kennzeichnungsverordnung der EU einen Namensbestandteil verbot, wenn das Produkt nicht „bio“ war im Sinne von ökologischer Erzeugung. Was also bliebt den Geschäftemachern übrig: Tatsächlich Biozeug verwenden. Die Ökos aus Zwang wurden zum angesagten Getränk der Öko-Schicki-Micki-Szene - und irgendwie passt das zu einem reich gewordenen BürgerInnentum, bei dem vor allem der Schein zählt, sowohl der Wellness- und Gutfühlfaktor der oft von weither importierten und aufwändig verpackten Produkte wie auch das Stück Papier im Portemonnaie, dass den Zugang zu diesen Exklusivgütern ermöglichte. Da ist es vielleicht sogar ganz gut, wenn mal irgendwo ganz auffällig die Fassade eingerissen wird - wie jetzt bei Bionade.

Nachrichten

Pro Gentechnikerklärung unter dem Deckmantel der Patentkritik
Das liest sich auf den ersten Blick schön: Mitglieder aller Bundestagsfraktionen veröffentlichten anlässlich der Grünen Woche eine Erklärung, die so anfängt: „Als zuständige Berichterstatter für den Bereich der sogenannten Biopatente sprechen wir uns anlässlich der Grünen Woche 2011 gegen die Patentierung konventioneller Züchtungsverfahren aus. Dies gilt ebenso für Pflanzen und Tiere, die mit konventionellen Verfahren gezüchtet wurden und daraus resultierende Erzeugnisse.“ Wer aber das Wort „konventionell“ betont, macht aus dem Satz einen neuen Inhalt: Gentechnische Züchtungsverfahren sollen also sehr wohl patentiert werden! So läuft Propaganda in der Demokratie - und erschreckend ist, dass sich selbst die ThemenspezialistInnen haben einlullen lassen: Ulrike Höfken von den Grünen, Kirsten Tackmann von den Linken und Matthias Miersch von der SPD stehen mit Happach-Kasan und Lehmer einträchtig unter der Erklärung. Letztere werden sich ins Fäustchen lachen, wie dumm die Parlamentsluft die GentechnikkritikerInnen immer wieder macht.

Kritik an DFG-Broschüre
Gutachtliche Stellungnahme von vier Wissenschaftlern der Universitäten Kiel und Gießen (ja, so was gibt es auch!) zur DFG-Schrift „Grüne Gentechnik“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft wollte mit ihrer Schrift ja so etwas ähnliches wie eine wissenschaftliche Stellungnahme zur Grünen Gentechnik vorlegen. Die Stellungnahme der vier WissenschaftlerInnen entlarvt: Viele Fehler und sehr unwissenschaftlich. Link zur Stellungnahme: http://www.enveurope.com/content/23/1/1

Amflora-Feld dieses Jahr in Üplingen
2010 gab es nur ein massiv umkämpftes Feld mit gentechnisch veränderten Pflanzen, nämlich das Amflorafeld der Firma BASF in Zepkow (Mecklenburg-Vorpommern). Das lag auch daran, dass gentechnikkritische Parteien und Umweltverbände die großen Versuchsstandorte in Groß Lüsewitz, Üplingen und Braunschweig auf eine seltsam penetrante Art ignorieren. Doch genau das ist für 2011 kaum noch möglich - und vielleicht liegt da die Chance einer BASF-Entscheidung, die vor wenigen Tagen bekannt wurde: Der Chemiegigant wird sein Feld verlegen - und zwar direkt an die hochgesicherte BioTechFarm nach Üplingen. Das ist eine Art Zoo: Gv-Pflanzen werden dort ausgestellt und können mit Busreisen besichtigt werden. Außerdem findet hier jährlich das größte Treffen der Gentechnik-Seilschaften, genannt InnoPlanta-Forum, statt. Finanziert wurden das Hofgut von einem reichen Westmäzen und aus verschiedenen staatlichen Töpfen der EU bis zur kommunalen Ebene, bei denen Gelder für Nachhaltigkeit, Gemeindearbeit usw. ziemlich dreist in die Hände der mafiös agierenden Gentechniklobby umgeleitet wurden. Nun also soll die gv-Kartoffel neben dieser BioTechFarm stehen. Ist das eine Chance, dass endlich sich auch die Umweltverbände und Öko-Parteien mal intensiver damit beschäftigen, was so an Sümpfen mit Steuergeldern entstanden ist? Ziehen Umweltverbände und unabhängige AktivistInnen jetzt mal an einem Strang? Lernen KommunalpolitikerInnen und Bevölkerung aus der Börde jetzt endlich, was sie sich mit ihrem willigen VollstreckerInnentum gegenüber FDPlern, Firmen und LobbyistInnen da einfangen?

Gentechnik-Lobby-Organisation wegen Verleumdung verurteilt
Der französische Wissenschaftler Gilles-Eric Séralini hat vor Gericht einen Sieg errungen. Die Pro-Gentechnik Organisation l'Association française des biotechnologies végétales (AFBV) muss 1000 Euro Bußgeld wegen Verleumdung und die 4000 Euro Gerichtskosten zahlen. Seralini ist ein international anerkannter Wissenschaftler, der kritische Studien zu den Gefahren von Gentechnik-Pflanzen und Pestiziden erstellt. In Indien trugen seine Forschungsergebnisse zu einem Moratorium von Gentechnik-Auberginen bei. Siehe http://www.keine-gentechnik.de/news-gentechnik/news/de/23131.html.

Hausverbot an der Universität Gießen
Erwartungsgemäß wurde das Hausverbot gegen den Gentechnikkritiker Jörg B. an der Universität Gießen gerichtlich bestätigt. Es ging um das Verhindern unerwünschter Recherchen über Forschungen in der Gentechnik, über Konzernnähe und über Fälschungen bei Zuschuss- und Genehmigungsanträgen. Der Richter hatte von Beginn an im Verfahren auf der Seite der Uni gestanden und das auch deutlich gemacht. Vor diesem Hintergrund wirkt das Urteil schwach begründet. Die Uni dürfe halt machen, was sie wolle. Pressefreiheit gelte nicht immer - warum da nicht, begründet das Gericht allerdings nicht.
Der für einige ZuhörerInnen positive Verlauf der Verhandlung (http://de.indymedia. org/2011/01/298129.shtml) dürfte mehr mit der für ihn überraschend hohen ZuschauerInnenzahl und fehlendem Wachpersonal zu tun haben. Dass er das Urteil schriftlich zuschickte, hatte sicherlich auch darin seinen Grund. Denn formuliert hatte er es sicherlich schon vorher. Vom Gerichtsprozess ist nichts erkennbar in den Wortlaut eingeflossen. Stattdessen sind weitgehend wörtlich die Vorentscheidungen einfach übernommen worden. Link zum Urteil: http://www.projektwerkstatt.de/gen/giessen/ vg110117urteil.pdf.
Der Betroffene ging in Berufung, zumal ihm ein neues Dokument in die Hand fiel - eine Art Hausordnung der Gentechnik-Fachbereiche der Uni. Die regelt auch mögliche Hausverbote, und danach wäre das nicht legal. Dennoch besteht wenig Hoffnung: Gerichte sind dazu da, den Eliten der Gesellschaft den Weg frei zu räumen und sie vor unangenehmen Enthüllungen zu schützen.


Buch, Broschüre, Vorträge und ...

„Organisierte Unverantwortlichkeit“ auf Englisch
Nach etwas mühevoller Übersetzungsarbeit, koordiniert von GM Watch, ist die Broschüre zu den Gentechnik-Seilschaften in englischer Sprache im Internet zu finden unter www.corporatewatch.org/?lid=3872.
Die deutsche Fassung (3. Auflage) ist über www.biotech-seilschaften.de.vu ebenfalls herunterzuladen oder auch in Papierform zu bestellen - gerne auch in größerer Anzahl zum Verteilen.

Buchverkauf „Monsanto auf Deutsch“
Noch bevor die ersten 500 Exemplare in der Druckerei bereit lagen, waren schon mehr Bücher bestellt, so dass einige bis zum Januar auf ihre Bücher warten mussten. Inzwischen sind alle Bücher geliefert und insgesamt schon über 1000 verschickt worden. Wie bei der Broschüre waren es wieder viele Basisgruppen und Einzelpersonen, die bei der Weiterverbreitung mithelfen. Neben http://www.aktionsversand.de.vu und über Buchhandlungen kann das Werk über den AbL-Verlag (Zeitung „Bauernstimme“) und bei Gentechnikfreies Europa e.V. bezogen werden. Offen ist zur Zeit, ob das Buch den Weg in die Medien findet. Viele der schon länger am Thema arbeitenden JournalistInnen meiden solche Werke, die auch selbstkritische Blicke enthalten. Auf www.projektwerkstatt.de/gen/buch sind aber die ersten Rezensionen dokumentiert - der Autor scheint da interessante Titel zu sammeln und wird mit Ackerkratzdisteln oder Don Quichotte verglichen. Mal schauen, was FR, taz & Co. so machen. Sie sind in der Regel recht einseitig mit den Umweltverbands- und grünen Parteiapparaten verbunden oder sympathisieren mit diesen. Da sind unabhängige Kreise nicht besonders beliebt, stellen sie doch aus Sicht der Verbandsspitzen eine Konkurrenz dar. Dort wird ja nicht in Stärke des Widerstandes, sondern in eigenen Marktanteilen an Spenden und Medienaufmerksamkeit gedacht. Was schade ist und für den Protest außerordentlich schädlich. Für das Buch „Monsanto auf Deutsch“ aber bleibt das in aller Ruhe abzuwarten, denn auch ohne Unterstützung von Bewegungseliten verbreitet es sich gut.

Vorträge zu Gentechnik-Seilschaften
Am 22. März 2011 wird der Autor von „Monsanto auf Deutsch“ aus dem Knast entlassen, wo er wegen einer Feldbefreiung ein halbes Jahr absitzen musste. Danach kann es wieder mehr Veranstaltungen zum Thema geben. Wer Lust an dem Vortrag hat, sollte sich unter joerg(at)projektwerkstatt.de melden. Was immer auch geht, ist ein Filmabend zum Thema, denn es gibt eine schöne Filmaufzeichnung des Vortrags in einem Lebensmittelgeschäft in Ostrach - die DVD kann in der Projektwerkstatt und über http://www.aktionsversand.de.vu bestellt werden.


Rezensionen zu Ernährung und Gentechik

Årpád Pusztai/Susan Bardócz Sicherheitsrisiko Gentechnik
(2010, Orange Press in Freiburg, 180 S., 18 €)
Die Autoren beleuchten die Rollen von Konzernen und Politik und deren indirekte Einflussnahme über die Finanzierung auf die Ergebnisse der Genforschung. Er liefert Vorschläge für eine effektive, wissenschaftlich seriöse Forschung im Dienste der Sicherheit von Mensch und Natur. Årpád Pusztai wurde nach der Veröffentlichung kritischer Gentechnik-Untersuchungen 1998 von seinem Posten an dem schottischen Rowett Research Institut suspendiert.

Thomas Deichmann Warum Angst vor der Grünen Gentechnik?
(2009, Projekte-Verlag Cornelius in Halle, 257 S., 28,50 €)
Schön ... eine Sammlung von Ergüssen des Alles-wird-Gut-Propagandisten, der als einst als Marxist mit einfachen Erklärungsmodellen die Welt glücklicher zwingen wollte und nun zu einem fast religiös anmutenden Glauben an das Gute aus dem Fortschritt gewechselt ist. Das Buch ist eine Sammlung seiner Aufsätze in verschiedensten Zeitungen und Internetseiten. „Informiert ... wie kein zweiter“ benannt ein Schweizer Professor im lobenden Vorwort den Autor. Aber von Wissen sind die Texte nicht geprägt. Eher wirken sie wie aus einer PR-Agentur. Genau das aber ist auch die Stärke des Buches: Für alle, die am Stammtisch die Gentechnik unterstützen wollen, finden hier kräftig Material. Und alle, die sich ein Bild machen wollen, wie platt hier oft argumentiert wird, sind mit dem Buch auch gut bedient. Klar, dass da auch der Angriff auf Greenpeace nicht fehlen darf: Dem Öko-Konzern wird Geldorientierung und interne Hierarchie vorgeworfen. Das stimmt zwar, aber es demaskiert auch die Gentechnikbefürworter: Was bitte hat das mit dem Thema zu tun? Einen besonderen Spaß dürften AnhängerInnen direkter Aktionen haben: Deichmann listet am Ende des Buches minutiös auf, welche Felder wann zerlegt wurden ...

Max Annas/Jürgen Binder Genfood - Das aktuelle Handbuch
(2009, orange press in Frankfurt, 208 S., 15 €)
Ein gutes Buch zum Einstieg ins Thema. In kurzen Kapiteln wird die Lage der Dinge dargestellt: Von politischen Debatten über die Verbreitung der Gensaaten. Den Hauptteil bilden Texte zu den verschiedenen Lebensmitteln und den dort eingesetzten gentechnischen Methoden. Ein kleines Schlusskapitel nennt Adressen von Initiativen, die sich gegen Gentechnik wehren. So entsteht ein guter erster Überblick für alle, die sich hineinlesen wollen. Schade, dass - wie bei europäischen AkteurInnen üblich - vor allem der Name Monsanto fällt. Informationen zu den großen europäischen Konzernen (darunter die drei deutschen BASF, Bayer und KWS) sowie zu den spezifischen Methoden der deutschen Agrogentechnik von der Verschleierung der Felder als Sicherheitsforschung bis zur Gründung und Liquidierung schwer erkennbarer Kleinstfirmen findet sich in dem Buch wenig bis gar nichts.

Peter H. Feindt/Joachim Lange (Hrsg.) Agrarpolitik im 21. Jahrhundert
(Loccumer Protokolle 30/2007, Evangel. Akadamie, 330 S.)
Der Band zeichnet die Vorträge und Diskussionen einer Tagung in Loccum nach. Dabei bietet er eine große Bandbreite von Beiträgen - nicht nur der ReferentInnen. So ist eine Art Lesebuch zum Thema entstanden, das gut geeignet ist, die aktuellen Entwicklungen in der Agrarpolitik und den Paradigmenwandel auf dem Lande unter verschiedene Fragestellungen und Blickwinkeln zu erfassen. Die Hauptkapitel drehen sich um die ökologischen Wirkungen, um Effizienz und Teilhabe mit einem Schwerpunkt auf die Rolle von Subsistenzwirtschaft sowie die ökonomien, überwiegend global ausgerichteten Verwerfungen.

Martin Möller u.a. Nanotechnologie im Bereich der Lebensmittel
(2009, vdf Hochschulverlag in Zürich, 211 S., 34 €)
Das Buch liefert einen ziemlich umfassenden Einblick in die Technik und ihre gesellschaftlichen Aspekte. Es geht sowohl um die aktuellen Forschungsansätze wie auch um rechtliche Fragen, Akzeptanz und überhaupt die Definition des schwer abgrenzbaren Technikgebietes. Am Ende versuchen die AutorInnen vom Zentrum für Technologiefolgenabschätzung ein Fazit und sprechen Empfehlungen für den weiteren Umgang aus. Das Interesse für politische Fragestellungen ist zu erkennen, auch wenn - wie bei solchen Veröffentlichungen üblich - eine gewisser Glauben an die Objektivität von Wissenschaft nicht zu übersehen ist. Einen Vergleich mit den Debatten um die Gentechnik ziehen die AutorInnen selbst - und sehen als „Gefahr“ eine Wiederholung solcher Diskussionsmuster.

Birgit Pauker Streit um die Agrar-Gentechnik
(2010, transcript in Bielefeld, 360 S., 33,80 €)
Es gibt Bücher, auf die mensch sich richtig freut - und die umso mehr enttäuschen. Dieses gehört dazu. Es soll eine Analyse der Netzwerke in der Agro-Gentechnik und im Protest gegen diese bieten. Das klingt vielversprechend, neu und notwendig. Doch in dem mit wissenschaftlich klingenden Worthülsen vollgestopften Buch erfolgt eher gar keine Analyse, sondern es sind willkürlich ausgewählte Texte hintereinander zitiert und kaum in Beziehung zueinander gesetzt worden. Innere Widersprüche der dort zitierten Organisationen werden gar nicht erwähnt (z.B. wird der Deutsche Bauernverband mit nur einer einheitlichen Position abgebildet). Zudem nutzt die Autorin nur einfach zugängliche Einzelverlautbarungen der zentralen Apparate großer Organisationen. Damit hat sie aber das Feld der AkteurInnen nur zu einem Teil erfasst - und gerade Abweichungen von den dominanten Diskursen ganz missachtet. Inhaltlich und auch vom wissenschaftlichen Anspruch her unbrauchbar.

Bettina Weiguny Bionade
(2010, Eichborn in Frankfurt, 246 S., 19,95 €)
Ein Erfolgsbericht des Aufstiegs der führenden Limonade in den bessergestellten Schichten der Republik und denen, die sich als solches empfinden. Das Buch ist aus neoliberaler Brille geschrieben. Im Mittelpunkt steht das ehemalige Siechtum der Brauerei in Ostheim, der zunächst langsame, dann rasante Aufschwung von Bionade und die ersten Schwierigkeiten durch Preiserhöhungen oder kritische Fragen an das Produkt. Politisch ist das Buch nicht, eher beiläufig wird berichtet, dass die Brauer nur widerwillig auf Öko-Rohstoffe umgestiegen sind und ihr Werbeslogan von einer besseren Welt nur dem besseren Verkauf diente. Ganz außen vor gelassen wird die problematische Win-Win-Situation: Die Brauerei macht Kasse und das betuchte BildungsbürgerInnentum oder die pseudo-alternativen Kiezszenen fühlen sich besser. Es ist ärgerlich, auf welch flachen Niveau die Massenware Buch seit Jahren Titel um Titel raushaut und damit eigentlich spannende Themen tötet.
Im Januar 2011, also nach Erscheinen des Buches, wurde bekannt, dass Bionade von Dr. Oetker gekauft wurde und statt Gentechnikkritik und Öko-Image nun auf Sport und Kultur setzen will. Überraschend daran ist nicht dieser Wandel, sondern wie blöd die waren, die etwas Anderes erwartet hatten.

Agrarbündnis Der kritische Agrarbericht 2011
(2011, AbL Bauernblatt GmbH in Hamm, 304 S., 22 €)
Immer zu Jahresbeginn, passend zur Grünen Woche, erscheint diese wichtige Sammlung von Texten zur aktuellen Agrarpolitik. Sie nahm dieses Jahr einen besonderen Rang ein, denn der Dioxin“skandal“ im Tierfutter - eigentlich nur eine logische Folge profitorientierter Produktionsbedingungen - schuf viel Aufmerksamkeit für das Thema. So fand der Agrarbericht bereits Eingang in viele politische Berichte und Buchvorstellungen auch bürgerlicher Medien. Das ist gut so, denn er ist eine stete Stimme für eine andere Agrarkultur - angereichert mit aktuellen Zahlen über die Lage der Höfe und den internationalen Handel mit Agrarprodukten. Die Qualität der einzelnen Themen ist allerdings stark von den AutorInnen abhängig. Wo große, staatsgeldgefütterte Organisationen das Sagen haben, fällt das Niveau ab. Seit Jahren ist das beim wichtigen Thema Gentechnik der Fall, wo auch im 2011er-Bericht viel über das Lieblingsthema MON810 geschrieben wird, während die deutschen Gentechnikhochburgen mit keinem Wort erwähnt werden - wie in den Jahren zuvor auch schon.

Tade Matthias Spranger Recht und Bioethik
(2010, Mohr Siebeck in Tübingen, 452 S., 114 €)
Noch spezieller geht es in diesem Buch zu Werke. Aus dem gesamten Bereich der Risikotechnologien ist die Biotechnologie ausgewählt mit Schwerpunkt der medizinischen und Reproduktions-Gentechnik. Klonen, Patente auf Leben, Genom und Biosafety sind Begriffe, um die sich die Ausführungen ranken. Das Lebensmittelrecht und damit die zur Zeit am meisten debattierte Agro-Gentechnik kommen nur am Rande vor. Insgesamt zeigt das Buch auf, welche Grenzen die Rechtsprechung hat, wenn es um Neues oder gar Zukünftiges geht. Gesetze sind eben die Welt von Gestern - gegossen in Normen für heute, die auch morgen noch halten sollen, aber nicht können und so eher konservative Wirkung haben. Weshalb, oftmals aus machttaktischen Gründen, Innovationsdebatten aus Gerichtssälen meist verbannt werden.

Jürgen Roth Mafialand Deutschland
(2009 Eichborn in Frankfurt, 320 S., 19,95 €)
Jürgen Roths Bücher lesen sich wie Krimis - und er hat wichtige Enthüllungsarbeit geleistet. Dieses Buch fällt jedoch gegenüber früheren Werken deutlich ab. Die vermeintlichen Beweisführungen über die Existenz von Mafiosos in Deutschland sind oberflächlich. Die meisten in Anführungsstriche gesetzten „Zitate“ haben keine Quellenangabe, oft stammen sie erkennbar vom Hörensagen. Russen und Italiener verkommen im Buch zu simplen Feindbildern - das erinnert eher an die gemachte Kriminalität oder Terrorgefahr von Innenministern oder Polizeichefs. Doch letztere werden ebenso wie auflagengeile Medien immer wieder als Quelle für seriös gehalten - falls Quellen angegeben wurden. Dieses Buch überzeugt nicht.

Handbuch Medikamente (7. Auflage 2008, Stiftung Warentest in Berlin, 1359 S., 39 €)
und
Handbuch Rezeptfreie Medikamente
(2009, Stiftung Warentest in Berlin, 719 S., 29,90 €)
Zwei richtig dicke Bücher - gedacht und gemacht als Nachschlagewerke. Sortiert nach Krankheitsbildern bzw. den erkrankten oder verletzten Körperteilen werden 6000 rezeptpflichtige bzw. rezeptfreie Medikamente vorgestellt. Zum einen gibt es Tabellen, wo alle Medikamente nach ihren Markennamen aufgeführt und kurz beschrieben werden hinsichtlich Packungsgrößen, Preisen und Bewertung vorgestellt werden. Umfangreicher sind die Textteile. Dort sind die Medikamente unter dem jeweiligen Einsatzgebiet oder Wirkstoff aufgeführt mit zusammenfassenden Texten zu Anwendungen, Gegenanzeigen, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Lebensmitteln sowie unerwünschte Nebenwirkungen. Was fehlt, sind Hinweise auf weitergehende Informationsquellen (z.B. Literatur, Internet) - und damit auch zu kritischeren Betrachtungsweisen. Denn pharmakritisch sind dieses beiden Wälzer nicht, sondern stellen eher ein praktisches Kompendium präziser Schulmedizin dar.

Anita Idel Die Kuh ist kein Klima-Killer!
(2010, Metropolis in Marburg, 200 S.)
Die Kuh und ihre Ausscheidungen - Thema eines ganzes Buches? Ja, und das auch noch spannend zusammengestellt und höchst informativ geschrieben! Offenbar hat sich die Autorin durch Berichte, die Kuhhaltung sei für den Klimawandel verantwortlich, herausgefordert gefühlt. Minutiös beschreibt sie, wie Kühe eigentlich leben, was sie eigentlich fressen würden, womit sie aber zwangsweise vollgestopft werden und dann die Ausrichtung der Landwirtschaft, der Umgang mit Boden, Pflanzen und Tieren eine Ursache des Klimawandels ist - nicht aber die Kuh.