2014-03:psychiatrie aktionen

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Aktionen

Warum schreibt und komponiert ihr nicht?! Warum malt und modelliert ihr nicht?! Warum schreit und randaliert ihr nicht?! F.K. Waechter

jb Würden Gewerkschaften zu Tarifrunden gehen, aber im Falle des Scheiterns weder streiken noch irgendetwas anders tun können, um Druck auszuüben, so wäre ihr Gang zu den Inhaber_innen der Produktionsmittel sinnlos. Leider sind in Deutschland Streiks aber eher selten, obwohl diese ein völlig legales und ziemlich zurückhaltendes Mittel sind. Fabrikaneignungen oder Sabotage würde den Ausbeuter_innen von Mensch und Natur mehr weh tun. Die Folge: Deutschland ist Billiglohnland, Weltmeister in Überstunden und gezeichnet von physisch-psychischer Zerstörung durch den Arbeitsalltag. Doch sind schon die Gewerkschaften ein Beispiel, wie politische Kampfkraft in diesem Land schwächlich ausfällt, so sieht es darüber hinaus meist noch düsterer aus: Fast überall bieten gesellschaftliche Akteur_innen gar nichts anderes außer Bittstellerei und Lobbyarbeit, Appelle an die Mächtigen - kombiniert mit Spenden- und Mitgliedersammeln. Es ist fast ein Wunder, dass es trotzdem den einen oder anderen Erfolg gibt bzw. Schlimmeres manchmal verhindert oder wenigstens abgemildert wird.

Doch es geht anders. Das sollen die nächsten Seiten zeigen. Sie bieten Einblicke in Handlungsmöglichkeiten. Diese sind immer nur kurz angerissen. Dieser kleine Text ersetzt nicht den Direct-Action-Reader, die spezielleren Aktionshefte (auf www.aktionsversand. de.vu zum Bestellen oder Download) oder als riesige Fundgrube von Beispielen, Tipps und Texten die Internetseite www.direct-action. de.vu. Ebenso sollen die vielen anderen Formen der Einmischung weder vergessen noch herabgewürdigt werden. Von Selbsthilfegruppen bis zu politischer Beratung hat alles seinen Sinn, wird hier aber nicht weiter ausgeführt, weil sich dieser Text speziell um Aktionen dreht. Kritik der Psychiatrie ist mehr als Aktion, aber sollte auch das sein bzw. werden. Die wachsende Vielfalt unterschiedlicher Handlungsformen würde sich nämlich gegenseitig stärken. Wer mit Politiker_innen oder Kliniken verhandelt, hat eine stärkere Position, wenn draußen auf der Straße Druck gemacht wird. Gerichte, Psychiater_innen oder Polizei werden Patient_innenverfügungen und andere Schutzrechte eher anerkennen, wenn sie wissen, dass da draußen Menschen aufpassen und laut sein können. Eher dumm wäre es, das nicht zu nutzen - noch dümmer, sich in peinlicher Unterwürfigkeit von anderen Aktivitätsformen zu distanzieren. Das nähme genau die Stärke weg, die Zwangspsychiatriekritik braucht!
Fangen wir also an, Aktionsformen zu beschreiben - und hoffentlich Appetit zu machen, das Spektrum auch zu nutzen. Denn es ist vieles möglich. Entdecke die Möglichkeiten ... Die Beispiele, die im Folgenden genannt werden, stammen aus verschiedenen politischen Feldern. Zur Kritik an Psychiatrie ist wenig dabei, weil es dort bislang nur wenige Aktionen gab. Das sollte sich ändern - und hoffentlich dann zukünftige Hefte Stück für Stück mit Berichten davon gefüllt werden. Bis dahin müssen die Ideen von den hier genannten Themen auf Anwendungen zum Thema Psychiatrie bzw. vor oder in psychiatrischen Einrichtungen und deren Trägern übertragen werden. Wir fangen an, wo es noch ziemlich normal wird: Die Demonstration. Auch die kann aber schon mehr sein als Stehen, Gehen, Jammern und wieder nach Hause fahren ...


Kreativ demonstrieren ...

Einen Vorteil hat die Zwangspsychiatrie ja: Direkten Zwang darf angesichts des Gewaltmonopols nur der Staat anwenden, also nur er darf gegen den Willen der Betroffenen erschießen, prügeln, fixieren, spritzen ... Folglich müssen Gefängnisse aller Art (Knast, Psychoknast, Abschiebelager ...) unter der Regie des Staates laufen, auch wenn der versucht, soviel wie möglich zu privatisieren, damit nicht die Allgemeinheit, sondern nur Einzelne an dem Ganzen verdienen. Der Staat aber ist grundrechtsgebunden, d.h. es gelten Meinungsfreiheit, Demonstrationsrecht usw. Das lässt sich nutzen und verschafft Vorteile. Dabei muss es nicht immer die übliche Latschdemo sein, denn das Versammlungsrecht schreibt nicht vor, wie eine Versammlung auszusehen hat. Es ist eher eine Erfindung der meist langweiligen politischen Organisationen in diesem Land, dass jede Demo aus Reden anhören, latschen, Reden anhören, nach Hause fahren besteht. Es geht viel mehr - und das soll im Folgenden kurz angerissen werden. Mehr findet Ihr in der Aktionsbroschüre „Kreativ demonstrieren“. Trotz ihrer Begrenztheit beginnen wir aber mit der klassischen Versammlungsform.

Klassische Demo

Schon die 0-8-15-Nummer bringt Bewegung in die Sache. Bunt, laut, mit Spruchbändern und Flyern - das ist vor den Türen und Fenstern der Psychoknäste etwas Neues. Es schafft auch Chancen der direkten Kontaktaufnahme mit den Betroffenen, aber auch mit Angehörigen oder denen, die in der Psychiatrie ihren Job verrichten.

Variable Demoformen

  • Kreide: Optimal, um Wege und Straßen mit Sprüchen zu verschönern oder auf Herrschaftsdurchgriffe in der Öffentlichkeit zu reagieren. Wo das Wetter irgendwann wieder alles wegwäscht, ist Kreide legal. So können einerseits Parolen gut sichtbar untergebracht und der Weg der Demo passend umgestaltet werden. Bei den Protestmärschen zur Vitos-Psychiatrie in Gießen war hinterher der gesamte Weg voller Parolen. Andererseits ist Kreide auch ein kreativer Umgang mit Repression. Polizeifahrzeuge oder einzelne Polizist_innen lassen sich per Spruchblasen auf dem Boden kommentieren.
  • Lieder: Lustige Sprechgesänge und Lieder können eine Demo, aber auch andere Aktionen, lustiger und bunter gestalten. Mehr siehe unter Straßentheater ...
  • Flash Mob (laut Wikipedia): Zunächst wird ein Aufruf von einem Urheber erfasst und via Online-Communitys, Weblogs, Newsgroups, E-Mail-Kettenbriefe oder per Mobiltelefon verbreitet. Dabei wird ein öffentlicher Ort als Treffpunkt und ein genauer Zeitpunkt angegeben. Zumeist werden auch Informationen über die Aktion selbst und evtl. mitzubringende Gegenstände oder zu tragende Kleidung mitgegeben. Sollte die genaue Aktion nicht bekannt sein, treffen sich die Teilnehmer zunächst an dem vereinbarten Ort für die notwendigen Absprachen. Dann startet der Flash- Mob dadurch, dass jemand zum vereinbarten Zeitpunkt mit der vereinbarten Aktion beginnt und die anderen Teilnehmer_innen rasch einsteigen. Diese wie aus dem Nichts blitzartig entstehende Bildung des Mobs und das identische Handeln der Personen im Mob (z. B. applaudieren, telefonieren mit gleichen inhaltlichen Texten), sind typisch für Flashmobs. Für die unwissenden Passanten ist der Flashmob völlig überraschend und die Tätigkeit erscheint zumeist sinn- und inhaltslos. Der Flashmob endet durch ein vereinbartes Signal, eine erreichte Zeit, oder das natürliche Ende der Aktion (z.B. beim gemeinsamen Singen von „O du fröhliche“ im Sommer nach der letzten Strophe). So schnell, wie die Menschen zusammengekommen sind, löst sich ihre Gruppe vor den Augen der häufig verdutzten Zuschauer auch wieder auf. Möglich überall, auch in/vor Gerichten oder Kliniken ...
  • Critical Mass: Auf Rädern (Fahrrad, Inliner ...) auf den Straßen unterwegs sein, einfach chaotisch und immer in Bewegung. Den Verkehr chaotisieren - aber das Ganze nicht als organisierter Block, sondern wie ein zufälliges Zusammentreffen vieler Menschen, die unabhängig was voneinander tun (fahren, Kreidemalerei, Flugis verteilen). Eine Demo? Nein, wo denn? Ein_e Versammlungsleiter_in? Ist doch gar keine Gruppe hier, ich bin ganz zufällig grad hier am Langfahren ... usw.
  • Reclaim the ... streets/fields/factories/...: Gemeint ist die Wiederaneignung des Raumes für ein freies und buntes Leben. Das können Parties auf Straßen, ein Garten auf der öden Kurzrasenfläche (z.B. vor der Klinik?) oder ein selbstverwalteter Betrieb in der Ausbeutungs- oder stillgelegten Fabrik sein. Zum Schutz vor Räumungen sind Ankettvorrichtungen oder erkletterbare Türme (Dreibeine, sog. „Tripods“) üblich.
  • Bunte Aktionsmischungen: Warum nur eine Demo? Es gehen auch mehrere - über die Stadt verteilt, mit unterschiedlichen Aktivitäten, aber dadurch an mehreren Orten gleichzeitig. So lassen sich mehr Menschen erreichen und die Wirkung erhöhen. Irgendwo wird Theater gespielt, eine Gruppe agiert mit Kreide, zwei Kleingruppen sind mit Lautsprechern unterwegs - immer sind Flugblätter dabei.

Mehr Ideen und genauere Beschreibungen enthält die Broschüre „Kreativ demonstrieren“ (Download oder Bestellung für 1 € über www.aktionsversand.de.vu).

Subversion: Die eigene Gegendemo

Subversiv denken heißt, im Kopf einen Salto zu vollziehen. Die eigene Position wird dadurch (und oft viel wirksamer!) vermittelt, dass die Gegenposition eingenommen und karikiert wird. Das nimmt zudem denen, gegen die sich Protest richtet, den Raum genommen, selbst aufzutreten. Weil sich mit solchen Methoden oft viel erreichen lässt, gibt es unter dem Titel „Kommunikationsguerilla“ dazu noch ein Extra-Kapitel. Hier soll aber schon mal die Idee der Gegendemo beschrieben werden. Sprich: Ihr demonstriert gegen Euch selbst bzw. für die andere Seite - gleichzeitig, vor und/oder nach Euren eigenen Aktivitäten. Wer also zu einem Thema aktiv ist, kann eine Gegengruppe erfinden bzw. eine vorhandene imitieren. Wie wäre es dann mit einer Demo für die Psychiatrisierung von Leuten, die notorisch Essen anbrennen oder das Licht angeschaltet lassen, die immer wieder im Halteverbot parken, ständig in jede Kamera reden, beim Abwaschen kleckern oder beim Sex immer oben liegen wollen. Oder eine Lichterkette für die notleidende Industrie zur Herstellung von Psychopharmaka oder Fixiergurten. Das Ganze kann ernst oder skurril sein, in jedem Fall schafft es einen deutlich kommunikativeren Rahmen als nur eine „Normal-Demo“. In die scheinbar echte Debatte mischen sich schnell mehr ein ...

Pro & Contra (oder besser Chancen und Risiken): Demonstrieren

Demo - das ist das Konzept politischen Ausdrucks auf der Straße. Die Vormachtstellung innerhalb politischer Bewegung Deutschlands hat nichts mit der besonderen Qualität und Durchschlagskraft von Versammlungen zu tun, sondern mit der Ängstlichkeit und Autoritätsgläubigkeit selbst derer, die Protest organisieren. Gänzlich sinnlos sind Demos aber auch nicht. Sie können ein Baustein vielfältiger Aktionskonzepte sein. Listen wir also ein paar Vorteile/Chancen auf:

  • Besser als nichts: Demonstrieren bedeutet, sich öffentlich zu zeigen. Das ist in jedem Fall besser als nichts, auch als die Selbstbeschränkung auf Treffen ohne Außenwirkung oder tagebuchähnliche Blogs für Insider.
  • Es geht mehr: Außerdem engt das formale Versammlungsrecht weniger ein als es scheint. Die Anmeldung als Demonstration (oder bei aktuellen Anlässen auch ohne Anmeldung, siehe www.demorecht.de.vu) eröffnet eigentlich nur den Raum. Wie er gefüllt wird, ist weitgehend offen.
  • Demonstrationsrecht bricht allgemeine Verordnungen: Polizeirechtliche Maßnahmen (Kontrollen, Platzverweise, Gewahrsam) sind gegenüber Teilnehmer_innen von Versammlungen ebenso unzulässig wie Hausverbote auf der Versammlungsfläche. Das gilt zwar nur während der Demo, aber immerhin - und hebt bestehende Verbote zumindest für die Zeit der Versammlung auf.

Dennoch sei auf einige Gefahren hingewiesen. Diese stammen aus der Praxis politischen Protestes.

  • Zur Begleitfolklore des Unabwendbaren werden: Versammlungen sind meist Appelle an die Mächtigen. Sie können diese zwar nerven, stören aber tatsächlich nur begrenzt. Die Mächtigen bleiben unangefochten, sie können die Demos aussitzen. Am Tag danach ist alles wieder wie vorher. Entwickeln sich Versammlungen zur Routine, ohne zusätzlichen Druck zu entfalten, werden sie selbst zur Normalität - so wie Lichterketten gegen Rassismus oder Mahnwachen gegen Kriege, die längst zum integrierten Bestandteil des Schreckens geworden sind.
  • Sich in enge Formen pressen lassen: Das Versammlungsrecht schafft nicht nur neue Möglichkeiten, sondern auch Grenzen. So sind „Passivbewaffnung“ (Anketten, Festbinden, Schutzhelm usw.) und Vermummung in einer Demo verboten, außerhalb aber oft kein Problem. Schlaue Mischungen helfen, um alle Stärken zum Ausdruck zu bringen.

Niemand ist gezwungen, so langweilig zu agieren wie die meisten politischen Gruppen in Deutschland, wenn sie „Demo“ machen. Wenn das Mittel flexibel eingesetzt, kann es hilfreich sein. Doch auch bei kreativem Gebrauch hat es Grenzen. Daher ist wichtig, weitere Aktionsformen im Blick zu haben.


Kreative Aktionen auf Straßen, Plätzen, in Restaurants, U-Bahnen und mehr

Von den vielen weiteren Aktionsmöglichkeiten seien einige ausgewählt und beschrieben. Sie wirken vor allem in öffentlichen bzw. kommunikativen Räumen - also den Plätzen, wo Menschen besonders gut erreicht werden können.

Aktionen im Alltag

Der Alltag hat einen Vorteil, der vielfach als Nachteil empfunden wird: Er ist immer da, mensch muss also nicht extra nicht hin-, kann aber auch nicht weggehen. Herrschaft in all seinen Ausformungen durchzieht die Gesellschaft bis in den letzten Winkel. Das ist bedrückend, aber schafft Gelegenheiten. Wer aufmerksam durch den Tag wandelt, bemerkt tausend Stellen, an denen kleine Zeichen gegen das genormte Dasein hinterlassen werden können. Das gilt auch für die Einteilung in „krank“ und „gesund“, in „normal“ und „irre“, in die Ausgrenzung des Andersartigen. Eine hohe Aufmerksamkeit, die Dinge zu entdecken, ist der wichtigste „Ausrüstungsgegenstand“ für den Widerstand im Alltag. Dazu kommt, sich gezielt Aktionstechniken anzueignen, um diese situationsbezogen einsetzen zu können. Im Folgenden sollen kleine Interventionen in die Welt beschrieben werden - einschließlich der Accessoires, die mensch dafür braucht. Vielleicht habt ihr immer eine Aktionssammlung dabei habt, um nie mehr ohnmächtig daneben zu stehen.

  • Wachsmaler, dicker Filzstift („Edding“): Spontane Veränderungen auf Plakaten, Toiletten, Behörden usw. Stifte aus Plastik werden von Metalldetektoren (oft an Eingängen von Polizeistationen, Gerichten, ...) nicht bemerkt.
  • Konfetti: Autoritätspersonen oder Macker_innen werden durch Konfetti ein wenig „dekonstruiert“.
  • Parfüm: Es kratzt an Autorität und dürfte peinlich wirken, wenn Uniformierte „plötzlich“ anfangen, nach Rosenblüten zu „duften“.
  • Leere Plakate/Stoffe sind in Kombination mit dicken Stiften immer gut, um spontan auf Situationen reagieren zu können, z.B. um bei einer Festnahme den Beamt_innen zu folgen mit gehobenem Plakat (Aufschrift: „Hier findet eine ... Gewaltmaßnahme statt“).
  • Mars-TV-Ausstattung (Aktionsbeschreibung folgt noch)
  • Leere oder ergänzbare Aufkleber helfen, um sexistische Magazine zu kommentieren, Produkte zu entwerten („Dieses Produkt ist entwertet - alles für alle statt Eigentum“), Lichtschalter („Zwangspsychiatrie ausschalten“) oder Klotasten („Krank-Definitionen runterspülen“) als Fläche für Slogans nutzen zu können. Briefetiketten in Verbindung mit einem Stift reichen.
  • Kleber: Sekundenkleber kann Schlösser unbrauchbar machen, Türen ganz verschließen (in Türrahmen schmieren) und vieles lahmlegen (Tasten, Knöpfe, ... nix geht mehr). Klebeband dient zum Plakatieren, aber auch um Bewegungsmelder, Lichtschranken usw. unauffällig zu blockieren. Vor Videokameras können lustige Bildchen, Straßendreck u.ä. gehängt werden. Achtung: Auf Fingerabdrücke auf dem Klebeband achten!
  • Achter-Vierkantschlüssel oder wahlweise Mehrfach-Innenschlüssel (Vierkant, Dreikant usw.): Das Allround-Werkzeug, um in Zügen und Bahnhöfen an Sprechanlagen zu gelangen, Türen zu öffnen oder zu schließen, Klappen im Zug zu öffnen (z.B. um was zu verstecken) usw. - auch praktisch für Lebensmittelcontainer, wenn Einkaufen mal nichts kosten soll.
  • Kreide: Der Sinn wurde schon beschrieben. Sie ist das Allround-Vermittlungswerkzeug.
  • Ereigniskarte „Sie kommen aus dem Gefängnis frei“: Hilft zwar nicht wirklich gegen Festnahmen, ist aber lustig.
  • TV B Gone (oder ähnliches): Klein, unauffällig und nur für spezielle Orte einsetzbar ist der Infrarotstrahler am Schlüsselring. In ihm sind viele Frequenzen der Ein-/Ausschaltimpulse für Fernsehgeräte oder Beamer gespeichert. Richtet mensch nun das Gerät auf solche und drückt den einzigen Knopf, den das Gerät hat, so dauert es meist ein paar Sekunden - und dann ist der Fernseher aus. Oder an. Das bietet interessante Chancen, z.B. auf Veranstaltungen, Wahlpartys, im Unterricht oder wo auch immer das Aus von Propaganda oder auch nur des ständigen Gaffens erwünscht sein kann.
  • Trillerpfeife, Alarmstift u.ä.: Zum Lärmmachen überall. Alarmstifte sind kleine, batteriebetriebene, extrem schrill-laute Sirenen. Sie sollen z.B. Angreifer_innen in der Nacht abschrecken. Aus ihnen wird ein Stift gezogen oder eine Taste gedrückt und das Ding irgendwo hingeworfen. Es kann nicht ausgeschaltet werden. Wenn es also bei einer Veranstaltung irgendwo oben auf einem Gerüst oder in einem Ablauf landet, wo niemand so schnell rankommt, ist es vorbei mit dem Labern, Feiern, Heldengedenken oder was auch immer grad läuft.
  • Plastikkartenhalter: An Hemdtasche oder anderswo befestigt, gibt so ein transparenter Visitenkartenhalter schnell ein förmliches Aussehen. Am besten gleich mit vielen Karten füllen und immer die passende nach vorne holen - je nach Lage: Sicherheitsdienst, Presse, Umsonstfahren (wenn mensch es offensichtlich macht, ist es keine Straftat!), Kontrolletti, „Ich bin auch wichtig“ ... oder was mensch mal kurz sein oder zeigen will.


Straßentheater

Laut, bunt, voller Bewegung, geheimnisvoll: So oder durch Einbeziehung der Passant_innen lässt sich eine Performance auffällig gestalten. Eine der wichtigsten Entscheidungen ist der Ort, denn ein Straßentheater muss dort, wo Menschen nur vorübergehen, ja so attraktiv sein, dass sie stehen bleiben. Sonst verfehlt es seine Wirkung. Das aber dürfte schwierig sein. Es gibt aber zwei Alternativen. Zum einen kann ein Ort gewählt werden, wo die Menschen nicht fliehen, z.B. ein Straßenbahn- oder Zugwaggon, ein Laden, ein Restaurant oder ein anderer Innenraum voller Menschen. Zum anderen kann das Theater eine konkrete Runde Menschen direkt in den Bann ziehen. Als Beispiel dafür seien „Mars-TV“ und die Clowns Army beschrieben.

Mars-TV: Mars-TV ist eine lustige Form, die heutige Gesellschaft in Frage zu stellen oder der Repression frech zu begegnen. Während Aktionen stattfinden, so z.B. Demos oder Blockaden, können Teams von als Marsianis verkleideten Aktivisten umherschwirren, Polizisten oder Bürger befragen oder einfach nur im Weg sein (eine genauere Beschreibung möglicher Dialoge siehe unten). Das kann durch lustige Verkleidungen zur Deeskalation führen, aber auch eine kreative Form der Vermittlung zu einer bestimmten Aktion sein. So z.B. bei einer Tierrechtsaktion zum Thema Pelzhandel in der Bielefelder Innenstadt, wo Fußgänger gefragt wurden, ob es auf der Erde üblich sei, Verwandte zu ermorden, um sich in ihrer Haut vor der Kälte zu schützen. Oder bei Fahrkartenkontrollen interviewt ihr Fahrgäste und Kontrollettis, was der Sinn vom Bezahlen ist, ob die Züge dadurch schneller fahren, was der gigantische Kontrollaufwand bringt usw. Das Team muss mindestens aus drei Marsmenschen bestehen: ein_e Moderator_in/Interviewer_in und zwei weitere Personen, die einen aus Stoff ausgeschnittenen Fernsehbildschirm halten. Hinter dem Bildschirm steht die_der Interviewer_in und stellt knackige Fragen. Die Polizei kann bei Eintreffen in die Aktion gut mit einbezogen werden. Auch bei Repression gegen Demo oder Blockade usw. kann Mars-TV sehr gut einschreiten.

  • Clowns Army: In deutlich skurrilen Armeeuniformen verkleidet verhalten sich die Spieler_innen extrem albern-nervig. Zwar agieren sie als Gruppe (z.B. dort Gleichschritt oder militärischem Gruß), aber alle wählen eigene Formen des Störens von Seifenblasen über Trillenpfeifen oder Singen. So stören sie offizielle Anlässe oder belästigen Ordnungshüter_innen.

Eine besondere Möglichkeit ist das versteckte Theater. Gemeint ist eine gespielte Situation, von der aber nicht auffällt, dass sie künstlich erzeugt ist. Beispiele, die es schon gegeben hat:

  • Gratis„einkauf“ (Kritik an Preisen): Ein Mensch sammelt Waren im Supermarkt ein, geht zur Kasse und sagt dann während des Einscannens etwas wie „Ich habe übrigens kein Geld. Aber es ist doch genug für alle, da kann ich das doch auch so mitnehmen, oder?“ In der Regel entsteht ein Gespräch. Sinnvoll ist das alles, wenn Schlangen an den Kassen sind. Denn die Menschen dort sind der angesprochene Kreis. In dieser Schlange können - unerkannt - weitere Personen aus der versteckten Theatergruppe sein, die je nach Lage in das Gespräch eingreifen.
  • Wegguckeritis: Ein sexistischer, rassistischer oder sonst diskriminierender Übergriff wird im öffentlichen Raum (Fußgänger_innenzone, Restaurant, Waggon, Schulhof ...) nachgestellt. Danach diskutieren Menschen, die nicht an der eigentlichen Szene beteiligt waren, mit den Umstehenden darüber, warum sie weggeguckt/nicht eingegriffen haben (bzw. für den seltenen Fall, dass jemand eingreift, warum das gut war).

Viele weitere Beispiele sind möglich. Etliche finden sich zusammen mit Tipps auf der Infoseite zu Straßentheater: www.mars-tv.de.vu.

Darbietungen

Langweilige Latschdemos bringen wenig Kommunikation. Reines Flyerverteilen erinnert an Firmen oder Sekten. Es lohnt daher, sich kleine Sachen auszudenken.

  • Musik: Selbst komponieren oder, meist einfacher und schneller, bekannte Melodien mit neuem Text versehen. Dann können auch andere gleich mitsingen. Wer Liederzettel an die Umstehenden verteilt und sie zum Mitsingen/-gröhlen einlädt, kann so auch Gespräche anzetteln. Beispiele für kreative Texte auf populäre bis peinliche Musik als Gag und Aufmerksamkeitsstifter (mit Akkorden) unter www.projektwerkstatt.de/lieder. Sie mögen eher als Anregung denn als Kopiervorlage dienen. Manches ist sehr einfach. Dichtet doch selbst mal weiter: „Im Ort hier steht ein Irrenhaus, wir holen alle Irren raus, damit in dieser öden (schönen?) Stadt, das Menschenrecht 'ne Chance hat“ ...
  • Tanzen: Auf der Straße tanzen und dabei politische Inhalte (per Parolen, Spruchbänder, Kreide usw.) rüberbringen. Kann bei politischer Ausrichtung als Demo angemeldet, um auch den Straßenraum zu erobern.
  • Artistik: Alles flutscht besser, wenn es spektakulär rüberkommt. Schon das Verteilen von Flugblättern geht besser vom Einrad oder von hohen Stelzen. Akrobatik kann Menschen ebenso aufmerksam machen wie Musik oder Theater. Andere können dann den Zuschauenden Flyer in die Hand drücken.
  • Straßengemälde oder wenigstens ein paar Sprüche mit Kreide malen.


Kommunikationsguerilla

Diese Welt ist durchzogen von Codes, Labeln und Moden. Sie ist aufgeladen mit Autorität. Ob Lieschen Müller etwas sagt oder „der Vorsitzende der SPD X-Stadt“, der „Präsident von und zu“ oder der „Direktor der blablabla“, macht einen Unterschied. Anstrengend bis chancenlos erscheint, sich selbst die gleiche Wirkung beschaffen zu wollen wie die Berühmtheiten oder Autoritäten dieser Welt. Und doch gibt es einen Trick, um die wichtige Gegenöffentlichkeit und eigene Vermittlung zu erreichen: Die Subversion. Sie ist so etwas wie japanische Kampfkunst auf politische Aktion angewendet: Die Wucht des Gegners nutzen für die eigenen Ideen. Zum Beispiel statt zum x-ten Mal gegen die Agenda 2010 wettern, diese noch überdehnen und als SPD-Gruppe die Erweiterung Agenda 2020 ankündigen. Oder verdeckt als Straßentheater agieren. In einer Veranstaltung statt protestieren sich überidentifizieren mit den benannten Zielen - „Law and Order“ und Zwangsbehandlungen, Wirtschaftsorientierung oder Aufrüstung bejubeln und selbst einfordern. Plakate nicht mehr überall selbst kleben, sondern bestehende unauffällig, aber die Aussage verdrehend verändern. Mehr findet Ihr in der Aktionsbroschüre „Kommunikation subversiv“ und auf www.direct-action.de.vu.

Subversives Theater

Im versteckten Theater kann mit den Codes der Herrschenden gespielt werden: Auftritte in Polizei-, Security-, Armeeuniform oder Arztkittel, Aktionen vor Firmenfilialen im scheinbaren Dress der Firmen oder als Ordnungstruppe vor der Klinik. Kaum etwas davon ist verboten. Bestraft würde nur Amtsanmaßung, die aber erst greift, wenn mensch auch eine Amtshandlung durchführt (also z.B. Bußgelder kassiert oder Menschen fest nimmt). Verkleidungen mit Autoritätscodes helfen auch für andere Ziele: Durch eine Polizieikette geht es am einfachsten in Polizei- oder Securityuniform. In ein bewachtes Gebäude kommt mensch gut mit weißem Overall und Werkzeugkasten („wegen dem verstopften Klo“) usw.

Als Subversion gilt auch die Überidentifikation, d.h. die übertriebene, aber in der Regel gerade noch ernst genommene Übernahme der eigentlich kritisierten Position des politischen Gegners. Durch die gesteigerte Präsentation, im günstigen Fall unter Offenlegung der dahinter stehenden Interessen, kann so diese Meinung diskreditiert werden. Mögliche Formen sind frenetischer Applaus, Jubeln oder Slips-Werfen bei Auftritten von Politiker_innen, Industrievertreter_innen usw., die Gründung einer Unterstützungs-BI, die Unterschriften oder Spenden sammelt, Petitionen einreicht oder Demonstrationen durchführt für die dadurch lächerlich gemachte Position oder die Anmeldung von Gegendemos gegen die eigene Demo (siehe oben).

Fakes

„Faken“ bezeichnet das Fälschen administrativer und behördlicher Verlautbarungen oder Firmenmitteilungen. Ein Fake stützt sich dabei auf die Verfremdung und Erfindung von Tatsachen oder Ereignissen, um einen Bruch in geordneten gesellschaftlichen Verläufen zu provozieren. So könnten die Bürger_innen einer Stadt, in der in naher Zeit eine öffentliche Vereidigung von Rekruten stattfindet, plötzlich ein amtliches Schreiben in ihren Briefkästen finden, das alle wehrfähigen Bewohner_innen dazu auffordert, mit selbstgemachten Uniformen und Waffen beim Gelöbnis zu erscheinen, um zu demonstrieren, dass die gesamte Bevölkerung hinter der Bundeswehr als institutionalisierte Hüterin der nationalen Sicherheit steht. Eine Klinik kann zu Freiwilligendiensten beim Fixieren aufrufen. Den Möglichkeiten sind kaum Grenzen gesetzt.
Fakes benötigen ein verstörendes Moment, sind darauf angelegt, Irritation auszulösen und Ambivalenzen zu aktivieren. Im Fall des oben genannten Schreibens: Das Gefühl, einer amtlichen Anordnung Folge leisten zu müssen, kollidiert mit der Empörung über eine derartig unverschämte Einmischung des Staates in das eigene Leben. Wer hat schon Lust, sich mit Holzgewehr und Karnevalsuniform zum Gespött zu machen.

Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, müssen sich Faker_innen nicht nur um ein professionelles Aussehen der Fälschung bemühen (amtliche Briefköpfe, sauberes Papier - bei Werbefakes aufwendige Gestaltung), sondern auch Sprache und Stil der Gefakten überzeugend kopieren. Andernfalls erscheint ein gut durchdachtes Fake bloß als billiger Scherz. Die Fälschung muss einerseits plausibel erscheinen, aber auch durch die falsche Information absurd wirken. Sie darf nicht so überzeugend sein, dass sie den imitierten Machtdiskurs verstärkt und Gehorsam nach sich zieht, sondern Empörung und Auflehnung. Das Fake benutzt die Sprache und die Informationskanäle der Macht, um sie ihrer Legitimität zu berauben.

Viele Fakes ziehen ein Dementi der Gefakten Seite nach sich. Das wäre ein Indiz für die Qualität der Fälschung. Besonders wirkungsvoll kann es sein, auch das Dementi noch selbst zu faken. So kann beispielsweise ein Fax an regionale und überregionale Medien rausgehen, indem eine Klinik die Zahlen für Fixierungen oder Menschenrechtsverletzungen bestreitet halten - das sei eine Falschmeldung von radikalen Psychiatriegegner_innen gewesen. Stattdessen seien es etwas weniger. Durch die doppelte Botschaft wird das Thema noch breiter in die öffentliche Debatte geschubst, und die Vertreter_innen der Klinik müssen sich gut überlegen, wie darauf zu reagieren ist, ohne sich weiter in die Scheiße zu reiten.

Es gibt endlos viele Einsatzbereiche für Fakes ... von Ankündigungen auf dem Briefpapier anderer über Stellungnahmen erfundener oder existierender Gruppen oder Politiker_innen bis zu unsinnigen Unterstützungsaktionen für eine dadurch thematisierte Politik. Mensch kann auch einfach Pizza zur Staatskanzlei bzw. Preisausschreiben-Anrufe in ein Parteibüro bestellen. Generell kann in verschiedene Stoßrichtungen von Fakes unterschieden werden.

  • Behördenschreiben oder amtliche Plakate, die unbescholtene Bürger_innen mit kafkaesker amtlicher Willkür verunsichern. Diese greifen die Rechtmäßigkeit von staatlichen Institutionen an.
  • Schreiben, die Handlungen provozieren, die bestimmten taktischen Interessen nützen, z.B. als Infohotline deklarierte Privatnummer des Vorstandsvorsitzenden einer Firma angeben, die dick im Atomgeschäft ist o.ä.
  • Fakes, die die Exklusivität von Räumen oder Handlungen angreifen, indem fingierte Eintrittskarten oder Einladungen für Tage der offenen Tür oder Nobelveranstaltungen verteilt werden.
  • Als sehr spaßig können sich gefälschte Werbeflyer von Warenhäusern erweisen, die angeblich zu einem Free-Shopping-Day/Kaufen ohne Knete einladen.

Adbusting

Mit diesem Begriff, einer Kombination der englischen Wörter „Advertising“ (Werbung) und dem Verb „bust“ (umgangssprachlich für zerschlagen), ist das Verändern der bereits vorhandenen Werbung für eigene Zwecke und Botschaften gemeint. Es wird also kein eigenes Plakat geklebt oder Graffiti gesprüht, sondern das vorhandene verändert. Verschiedene Varianten sind denkbar:

  • Einfach etwas mit dem eigenen Inhalt füllen, z.B. dem Werbeplakat Sprechblasen hinzufügen, auf dem Verkehrsschild unter das „Stopp“ ein „Atomkraft“ oder „Psychoknäste“ oder unter „Einbahnstraße“ einen passenden Begriff malen.
  • Den vorhandenen Inhalt eines Plakates gegen sich selbst drehen, also z.B. ein sexistisches Plakat zur Aufklärung gegen Sexismus wandeln, die Propaganda für Wahlen zur Kritik am Mitspielen bei Pseudobeteiligungen machen. Firmenwerbung zur Kritik an ihnen verändern. Besonders anspruchsvoll ist es, dass so geschickt zu machen, dass es gar nicht auffällt (z.B. durch Überklebungen in gleicher Farbe, mit gleichen Buchstabengrößen und -formen usw.).


Stören, blockieren, sabotieren

Die meisten der bisherigen Aktionen sollen zum Nachdenken oder Diskutieren anregen. Sie greifen ein in die üblichen Denkmuster und damit in den Kern gesellschaftlicher Herrschaftsbereiche. Denn die Grundlage z.B. für die Psychiatrisierung von Menschen sind nicht Spritzen, Fixierbänder, Mauern, Gitter und Stacheldraht, sondern das Einteilen in „gesund“ und „krank“, in „normal“ und „verrückt“ sowie der Glaube an Wahrheit „im Namen des Volkes“ und die Objektivität der Gutachter_innen. All das gilt auch für den physischen Eingriff in den Normalbetrieb dieser Gesellschaft, also den direkten Angriff auf Zwangspsychiatrien, die Transporte dorthin oder das dazugehörige Geschehen in den Gerichten. Militanz oder Sabotage ohne Vermittlung von Kritik und Alternativen, das Infragestellen des Selbstverständlichen und das Benennen des bislang Übersehenen ist in der Regel sinnlos. Es bietet aber Elemente, die zusätzlich wirken können.

  • Blockaden: Ein Transport oder eine Veranstaltung kann durch eine Sitzblockade verzögert, be- oder verhindert werden. Beispiel: Wenn die Türen dicht sind, erleben auch die Angestellten einer Zwangspsychiatrie mal, wie es ist, das Haus nicht verlassen zu können. Technische Hilfsmittel (Anketten an Türen, Masten, Betonblöcken usw.) machen Blockaden wirksamer.
  • Besetzungen: Mensch kann Zugänge versperren - oder gleich das Objekt übernehmen. Flächen, Häuser und Teile davon lassen sich besetzen, um den Betrieb lahmzulegen, Vorhaben zu verhindern und die Kritik lautstark öffentlich zu machen. Je nach Lage kann solch eine Aktion Hausfriedensbruch sein - muss aber nicht (schlaue Durchführung vorausgesetzt). Mehr im A5-Aktionsheft „Aneignung jetzt!“.
  • Sabotage: Beschädigung und Zerstörung von Steuerungen, Maschinen, Infrastruktur oder anderen Dingen zugunsten eines höheren Zweckes („Gewalt“ gegen Sachen). Das können sehr kleine Sachen sein wie das Verkleben von Bewegungsmeldern und Schlössern, um eine Tür dauerhaft zu schließen (oder zu öffnen), das Kappen des Kabels zur Überwachungskamera oder das Luftablassen aus Baumaschinen. Es geht aber auch mehr ...
  • Gewalt gegen Menschen: Sie wird regelmäßig verpönt - sowohl von Seiten der Politik (die mit ihren Armeen, Polizei, Psychiatrien und Knästen allerdings selbst krass gewalttätig agiert) als auch von vielen politisch Aktiven. Dabei gilt auch hier: Alles muss überlegt, angemessen und vermittlungsstark sein. Die Ohrfeige von Beate Klarsfeld als Ausdruck der Abneigung gegenüber Altnazis in Führungspositionen ist ein ebenso bekanntes Beispiel für einen symbolträchtigen Angriff auf eine Person wie auch die Tomatenwürfe der frühen Feminist_innen oder so manches Torten„attentat“. Ohne solche Aktionen wäre die Geschichte anders verlaufen. Mitunter ist sogar noch mehr passend: Georg Elser hätte mensch sogar mehr Erfolg beim Töten von Menschen gewünscht!


Umgang mit Repression

Wer politisch aktiv ist und nicht nur das Unabwendbare jammernd begleiten will, zieht den Ärger der Obrigkeit auf sich. Denn die, die vom Status Quo profitieren, mögen den Ruf nach einer anderen Welt nicht. Bewegt sich Widerstand zudem jenseits vorgezeichneter Bahnen und ausgelatschter Protestpfade, folgt Repression. Damit gemeint sind alle Formen strukturell verankerter Unterdrückung, die sich gegen Normabweichungen richten. Zu den Repressionsorganen zählen Polizei, Gerichte, Staatsanwaltschaften, (Psycho-)Knäste und Militär sowie ihre Zuträger_innen in Anzug (Chef_innen & Co.), Kittel (Gutachter_innen) oder Pullover (Blockwarte & Co.). Alltäglich ist auch die Repression durch Lehrer_innen in Schulen oder Erwachsene gegenüber Kindern. Vom Polizeiknüppel über Strafbefehle und einstweilige Unterbringung bis hin zur Totalüberwachung gibt es ein breites „Angebot“ repressiver Politik. Ihre Ziele liegen auf der Hand. Durch massives, gewaltsames und autoritäres Auftreten soll eine Einschüchterung erzielt werden: Angst vor Schmerzen, vor finanziellen Konsequenzen, Eintragungen im polizeilichen Führungszeugnis oder Druck durch das soziale Umfeld. Repression beginnt nicht erst, nachdem formale Grenzen überschritten oder gegen Regeln verstoßen wurden, sondern wirkt vorauseilend auf Handlungen und Ansichten. Für die Herrschenden wäre das schließlich das eleganteste Ergebnis, wenn Menschen nicht mehr gegen Staatsorgane, Institutionen, Regeln und Gesetze kämpfen, sondern immer stärker mit sich selbst. Der Staat braucht kaum noch aktiv zu werden, wenn jeder Mut unter Normdruck und Sanktionsfurcht verloren geht. Repression wirkt schon im Kopf.

Kreative Antirepression als Gegengift

Kreative Antirepression will Menschen die Handlungsmacht wieder zurückgeben und Ohnmacht durchbrechen. Es geht darum, Repression anzugreifen, zu demaskieren oder einfach lächerlich zu machen. Besonderes Augenmerk lohnt auch hier dem subversiven Denken: Wie kann Repression gegen sich selbst gewendet, für andere Zwecke verwendet werden oder ins Leere laufen? Gegenüber hierarchischen Apparaten sind Frechheit, Überraschung und Wendigkeit das „Gegengift“.

Praktische Möglichkeiten

Kreative Antirepression kann in vielen Formen auftreten. Ein paar sollen an dieser Stelle kurz angerissen werden:

  • Repression einfordern: Subversiv wäre, Repression offensiv einzufordern - gerade dann, wenn die Gegenseite sich in Einschüchterungsversuchen ergeht („Das ist verboten!“ - „Na und? Machen Sie doch eine Anzeige; dann kann ich vor Gericht noch einmal für mein Anliegen werben!“). Diese Taktik kann auch als Schutz vor Kriminalisierung wirken, weil sie die bekannten Muster durchbricht und die verunsichert, die Von-oben-Agieren gewohnt sind. Beispiel: Neben einer umstrittenen Demonstration wandert eine eigene Gegengruppe, welche die Polizei ständig völlig überzogen auffordert, erstere aufzulösen. Das schafft einen breiteren Kommunikationskorridor für die Aktion, irritiert die Polizei und lenkt ihr Interesse möglicherweise eher auf die Pöbler_innen.
  • Überidentifikation: Überidentifikation ist eine verwandte, ähnlich wirkende Praxis. Beim Auftauchen der Polizei wird diese z.B. bejubelt oder gar angebetet. Solche Performances können helfen, die Autorität von Repressionsorganen zu untergraben. In der Praxis verbindet sich das für viele mit der Erfahrung, weniger oder kaum noch Angst vor dem Auftreten von Polizist_innen zu empfinden ... ein Zuwachs an Selbstsicherheit für die Akteur_innen.
  • Autorität brechen: Um die Autorität und tendenzielle Mackerigkeit von Uniformierten zu dekonstruieren, kann es sinnvoll sein, immer mit Konfetti, Luftschlangen, Parfüm-Proben (um die „Opfer“ unauffällig nach Blumen duften zu lassen) oder anderen Utensilien ,bewaffnet' zu sein. Bei Gerichtsverfahren oder anderen, vorhersehbaren Abläufen mit gesetzter Atmosphäre können solche Utensilien für einigen Wirbel sorgen.
  • Offensive Kommunikation: Bei Zugriffen auf Demonstrant_innen oder Vernehmungen bestimmen meist die Sicherheitsbehörden das Geschehen. Offensive Kommunikation bedeutet, gar nicht erst auf Fragen oder Anordnungen zu warten, sondern selber ein unverfängliches Thema zu setzen oder Fragen zu stellen. So kann eine Vernehmung einfach umgedreht werden, in dem die Uniformierten nach Namen, Adressen, ihrem Aufenthalt in den vergangenen oder ihre Motive für die Taten zu befragen. Das dürfte auch mit Gutachter_innen gehen, deren Alltagsmacken abgefragt werden, um eine „Diagnose“ zu erstellen. Um nicht verunsichert auf Gegenfragen zu reagieren, helfen Entgegnungen, die immer passen: „Machen sie das jetzt, weil sie das müssen oder ist es ihr persönliches Interesse?“ Eine ausgefeilte Form dieser Taktik ist Mars-TV, d.h. mit Transpi-Fernsehbildschirm als Reportage-Team von einem Planeten aufzutreten, auf dem es keine Herrschaft gibt (siehe oben). Eine andere Variante liegt darin, sich in der Kommunikation einen Fixpunkt zu überlegen, auf den du immer zurückkommst, z.B. ständig nachzufragen, wann die bestellte Pizza kommt oder endlich die Karten fürs Skatspiel ausgeteilt werden. Das schützt nebenbei auch davor, versehentlich verwertbare Aussagen zu machen. Denn immer dran denken: Die wollen was von uns wissen. Es nützt niemandem etwas, wenn wir was ausplaudern!
  • Autoritäre Aufladung nutzen: Repression kann umgangen werden, indem du dich der bestehenden autoritären Aufladungen bedienst. Mit dem passenden Dresscode ist es schon häufiger gelungen, durch Polizeiketten zu wandern oder Zugang zu gut gesicherten Räumlichkeiten zu erhalten.
  • Sabotage: Eine Möglichkeit ist z.B. die farbliche Umgestaltung von Polizei- oder Militärfahrzeugen, Klinik- oder Gerichtsgebäuden, verbunden mit inhaltlicher Vermittlung. Massenhaftes Verkleben herrschaftsdemaskierender Etiketten ist eine weitere Form, den repressiven Alltag zu „kennzeichnen“.
  • Selbst- und Laienverteidigung vor Gericht: Kommt es doch zu einer Anklage, ist noch lange nicht alles verloren. Im Gegenteil. Gerichtsprozesse sind Bühnen. Dort kann es gelingen, per Anforderung und Einsicht in Akten und Beweismittel oder durch Zeug_innenvernehmungen tiefe Einblicke in Welten zu nehmen, die sonst verborgen sind. Wann darf mensch schon mal eine_n Laborleiter_in, eine_n Gutachter_in, Uniformierte oder Klinikchef_innen selbst vernehmen - und die müssen auch noch antworten? Das geht vor Gericht. Das Handwerkszeug zu einer offenen Selbstverteidigung wird in Prozesstrainings (www.vortragsangebote.de.vu) oder auf www.prozesstipps.de.vu vermittelt. Es ist auch möglich, sich gegenseitig zu verteidigen, denn Strafverteidiger_in dürfen auch rechtskundige Personen ohne Studium sein (www.laienverteidigung.de.vu).

Wichtige Hinweise und Gefahren

Kreative Antirepression ist eine Denkweise, die eigensinnige und dadurch überraschende Antworten auf Repression sucht. Daher kann es keine konkreten, immer gültigen Formen geben, sondern es bedarf der ständigen Weiterentwicklung bestehender Ansätze - auch, weil die Gegenseite sich mit der Zeit auf offensive Umgangsweisen einstellen wird. Wichtig ist zudem, eine (selbst-)kritische Perspektive zu wahren, um nicht z.B. aus Selbstüberschätzung in Polizei-Verhören doch verwertbare Aussagen zu machen. Hilfreich dafür sind vorherige, intensive Trainings, bei denen ihr euch gegenseitig bewusst macht, welche Sätze z.B. unfreiwillig für staatliche Schnüffler_innen nützliche Informationen enthalten. Oder, dass Verneinungen wie „Ich war es nicht“ immer Aussagen darstellen. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass kreative Antirepression selbst wieder ein neues „Mackertum“ hervorbringt - z.B. dadurch, dass offensive Kommunikation als Norm vorausgesetzt wird und es als „uncool“ erscheint, sich ängstlich und unsicher zu fühlen. Deshalb sollte in der Praxis kreativer Antirepression mitbedacht werden, umsichtig zu handeln, aufeinander zu achten und eine Atmosphäre zu schaffen, in der über Ängste vor Repression und Versagen geredet werden kann.


Nie vergessen: Die Aktion ist „nur“ die Verpackung, der Inhalt ist wichtig

Nicht die Taten bewegen die Menschen, sondern die Worte über die Taten. Aristoteles

Eine Aktion soll Aufmerksamkeit erringen. Die Mischung mehrerer Aktionen soll viel Aufmerksamkeit erringen. Doch das nützt wenig, wenn dieser „Erregungskorridor“ nicht gefüllt wird mit Inhalt. Das können konkrete Kritiken sein, oder Enthüllungen über Internas, ebenso aber auch Forderungen, eigene Vorschläge oder utopische Überlegungen einer ganz anderen Welt, in der es kein Einsperren mehr gibt.

Pressearbeit

Der „klassische“ Weg zu anderen Menschen läuft über die Presse. Zwar wird das im Zeitalter anzeigenfinanzierter Medien nicht einfacher, aber bleibt möglich. Presseinfos mit eigenen Forderungen, Einladungen an Journalist_innen bei Aktionen und vieles mehr können den Weg in die Medien ebnen.

Eigene Veröffentlichungen

Ob ein Text in die Zeitung kommt, ist nie vorhersehbar. Sicherer sind eigene Veröffentlichungen. Die ersetzen herkömmliche Pressearbeit nicht, sondern wirken zusätzlich. Ob Demo, Straßentheater oder eine andere Aktion - wer dabei nichts verteilt, verpasst die Chance, Aufmerksamkeit zu nutzen. Außerdem lassen sich in der konkreten Handlung (Theater, Spruchband) die Inhalte kaum so präzise oder umfangreich vermitteln wie in einer begleitend verteilten Schrift.

  • Flyer und mehr: Habt bei jeder Aktivität Flyer dabei - passend zur Aktion oder eine allgemeine Schrift für all die Fälle, bei denen ihr nicht etwas extra machen wollt oder könnt. Insofern ist es für jede Gruppe schlau, ein Standard-Flugblatt zu entwickeln, welches immer passt. Es sollte die wichtigsten Kritiken und Forderungen enthalten, dazu Hinweise für weitergehende Informationen, Handlungsmöglichkeiten und Kontaktadressen. Und eine kleine Bitte: Es nervt, dass politische Flyer meist wirken wie Karstadt-Reklame - mit Kontonummer und Mitgliedsantrag im Vordergrund. Politische Arbeit hat mit Inhalten zu tun. Es wäre schön, wenn Flyer weniger Werbung und mehr Inhalt enthielten ...
  • Ausstellungen: Nicht nur in passenden Räumen, sondern auch bei jeder Aktion lassen sich Stelltafeln mit Informationen aufbauen. Menschen, die eurer Aktion zuschauen, haben dann etwas zu gucken.
  • Eigene Medien (allein oder in Kooperation): Vielerorts könnt ihr in freien Radios z.B. eine Sendestunde pro Woche oder Monat gestalten zu eurem Thema. Oder ihr beteiligt euch an einer alternativen Zeitung in der Region. Das schafft Unabhängigkeit.

Weitere Möglichkeiten sind Aushängekästen, Wandzeitungen und Veranstaltungen. Es ist wichtig, immer wieder Kritiken und Forderungen zu benennen. Nehmt euch die Zeit, eure Inhalte ausdrucksstark in die Welt zu tragen!


Recherche: Zitate der anderen Seite als „Waffe“ nutzen

Viele Veröffentlichungen, Flugblätter oder Presseinformationen enthalten allgemeine Kritik oder - oft gruselige - Geschichten von Betroffenen. Das soll nicht schlechtgeredet werden, aber für Firmen, Psychiater_innen, Richter_innen und weitere Beteiligte ist es leicht, das abzutun. Ein „stimmt nicht“ reicht oft. Gesteigert ist in Psychiatriekreisen noch der Hinweis in Mode, das Jammern gehöre zum „Krankheitsbild“ der Betroffenen, sei also kein Beleg für Menschenrechtsverletzungen in der Klinik, sondern für die Berechtigung des Einsperrens. Solche Probleme lassen sich umgehen, wenn statt eigener Beschreibungen die Unterlagen der anderen Seite verwendet werden. Also holt die Belege für eure Kritik aus:

  • Patient_innenakten und Unterlagen (Briefe, Verfügungen, Urteile usw.), die im Laufe eines Psychoknastaufenthaltes oder anderer „Begegnungen“ mit der Zwangspsychiatrie und ihnen zuarbeitenden Institutionen entstehen.
  • Veröffentlichungen aus den Kreisen der Zwangspsychiatrie wie Bücher, Flugblätter, Werbeschreiben, Presseinfos und Internetseiten der dort Tätigen.
  • Macht (heimliche) Mitschnitte bei Veranstaltungen, öffentlichen Auftritten, Seminaren und Begegnungen.
  • Leuchtet das Umfeld der Beteiligten aus! Wer hängt mit wem zusammen? Wer agiert unter welchen Titeln, hat noch welche Institutionen, Vereine usw. nebenher laufen? Wie fließt das Geld, werden Aufträge verschoben usw.? Wo wäscht eine Hand die andere?
  • Undercover-Recherche: Selbst z.B. als Journalist_in, Praktikant_in oder vermeintlicher Gutachter_in agieren oder Informant_innen gewinnen, die im System arbeiten.

Wer interne Informationen veröffentlicht oder Kritik übt, die auf solchen Recherchen beruht, muss die Quellen sichern, um später auch nachweisen zu können, dass die Aussagen stimmen. Also in Ordnern alles schön sammeln (ein papierner Ordner und einer für digitale Quellen). Auch Internetseiten speichern, denn die können später verändert oder verschwunden sein.

Nicht auf Minimalforderungen beschränken!

Viele Aktionen richten sich gegen konkrete Missstände oder Anlässe. Das ist auch gut so, denn so bekommt der Protest eine konkrete Form und kann nachvollziehbare Ziele formulieren. Es ist aber weder nötig noch sinnvoll, sich darauf zu beschränken. Denn fast immer ist das konkrete Problem beeinflusst oder Folge übergeordneter Verhältnisse. So sind Übergriffe gegen gefangene und/oder hilflose Personen keine Sondersituation, sondern die logische Folge, wenn Menschen dauerhaft Macht übereinander ausüben. Der Missbrauch von Macht in Form z.B. von Gewalt ist nur der typische Gebrauch, also keine Überraschung und auch keine bedauerliche Fehlentwicklung - sondern das, was zu erwarten war. Daher lohnt es sich, mit der Kritik am Konkreten auch die Forderung nach dem weiteren Ziel zu verbinden: Keine Fixierungen oder Zwangsbehandlungen als Schritt auf dem Weg ganz raus aus der Zwangspsychiatrie! Keine Strafe für Schwarzfahrer_innen als Schritt hin zu einer Gesellschaft ohne Knäste. Und so weiter ...


Mehr Aktionsideen ...

  • In den A5-Aktionsheften und dem Direct-Action-Reader auf www.aktionsversand. de.vu.
  • Auf der Internetseite www.direct-action. de.vu mit vielen Tipps und Beispielen.

Außerdem hilft üben: Macht gemeinsam Rollenspiele, denkt euch kreative Aktionen aus! Wer Lust hat, kann ein Training organisieren, wo wir solche Aktionen üben. Auf www. vortragsangebote.de.vu findet ihr die passenden Kontakte.