2015-01:Nicht vergessen: Religion

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Nicht vergessen: Religion

jb In Zeiten sozialer Unsicherheit und einer komplexer werdenden Lebenswelt gewinnen einfache Erklärungsmuster und höhere Wahrheiten überall an Zugkraft - die Ausdehnung vereinfachter Welterklärungen zeugt davon. Doch auch traditionelle Varianten der Kopfabschaltung wie Religionen und andere Esoteriken dienen als Ersatz und bedürfen daher der Kritik.

Die Unterordnung unter Werte, die außerhalb der menschlichen Erfahrungswelt stehen und damit unüberprüfbar sind, ist Bestandteil jeder religiösen Ideologie. Daher verwundert auch nicht, dass religöse Strukturen fast immer hierarchisch aufgebaut sind und einen enormen Anpassungsdruck auf die Gläubigen ausüben. Neben autoritären Grundlogiken finden sich innerhalb religiöser oder esoterischer Gedankengebäude Andockpunkte für rechte Denkmuster. Nicht neu ist, dass mit Religionen und Esoteriken immer deutlich weltlichere Interessen verknüpft sind als die überirdischen Botschaften vermuten lassen, mit denen willige Schäfchen geködert werden sollen. Ob Kirchen oder andere Sekten - es geht um Macht und Ressourcen. Kritik an Kirchen, Religion und Esoteriken ist daher fester Bestandteil herrschaftskritischer Theorie und Praxis. Religion ist die Mutter aller vereinfachter Welterklärung. Nicht denken, so fordert es die Bibel auch im neuen Testament - wortwörtlich: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ (Johannes-Evangelium 20, 29)


Geld als Motiv

Die vielfältige Arbeit von Caritas und Diakonie kommt vor allem dem Image der beiden Kirchen zugute: „Die tun doch so viel Gutes.“ Hinsichtlich der Finanzierung dieser Einrichtungen darf die beständige Wiederholung: „Die Kirche ist der Träger von Kindertagesstätten, Krankenhäusern, Altenheimen etc.“ jedoch nicht täuschen, da in wesentliche Bereiche überhaupt kein Cent Kirchengeld fließt und die gesamten kirchlichen Zuschüsse für Caritas und Diakonie nur 1,8 Prozent von deren Gesamtkosten abdecken. ... Dafür wird jetzt Abhilfe geschaffen. Das bereits von der rot-grünen Bundesregierung formulierte Antidiskriminierungsgesetz, das dieser Tage vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, gibt den Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften das gesetzlich festgeschriebene Privileg, nach ihren eigenen ethischen Lehren „Loyalitätsanforderungen“ zu formulieren, die nicht als Diskriminierung gelten. Das bedeutet für die vielen MitarbeiterInnen beider Kirchen und bei Caritas wie Diakonie eine gesetzlich erlaubte Beschränkung der individuellen Rechte der freien Religionsausübung, der Berufswahl, der sexuellen Selbstbestimmung, der freien Partnerwahl und Lebensform - also Diskriminierung auf Grund eines Bundesgesetzes, das behauptet, gerade das verhindern zu wollen. Dies ist ein besonders fatales Beispiel für den Abbau von Bürger- und Menschenrechten. In Deutschland. Aktuell.

Der gesamte Absatz stammt aus Carsten Frerk, „Das Geschäft mit der Nächstenliebe“, in: FR, 1.6.2006 (S. 9)


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