2015-02: Kälte, Nächte und mein Bild vom Erträglichen. Eine Erzählung.

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Kälte, Nächte und mein Bild vom Erträglichen. Eine Erzählung.

di Vor ein paar Wochen verbrachte ich einige Nächte in Schweden im Wald. Ohne Hütte, aber dafür mit viel Natur. Jetzt, im Januar 2015, verschlug es mich wieder nach draußen. Etwas geschützter aber dafür ohne Feuer. Beiden Zeitspannen gemein war die Kälte, der ich doch einige Zeit ausgesetzt war. (Temperaturen zwischen 11 und 2 °C) Ein Grund für meine gute Stimmung bei beiden Ausflügen, war mein Empfinden, dass ich mit der Kälte gut klar kam. Um das zu erreichen griff ich auf ein paar erlernte Tricks zurück; Abgesehen vom Tragen warmer, winddichter Kleidung und warmen Zubehörs zum Schlafen half mir fettes Essen. Viel Fett (also einige Zehner Gramm) und am besten vor dem Schlafen gehen (Ja: genau so, wie es Gewichtsreduktions-Fanatiker nicht empfehlen), zusätzlich noch Ballaststoffe in Form von Gemüse beziehungsweise Wildpflanzen als Hilfe für die Verdauung. Das sorgte für einen zuverlässiges und lang anhaltendes Ankurbeln von Verdauung und Stoffwechsel und somit für Wärme. Ein weiterer Trick war mit Hilfe eines Utensils durchführbar, das sowieso jeder bei sich führen sollte: einem Seil. Als Springseil verwendet kann es zur Auflockerung der Glieder, Gedanken und der Stimmung mit völliger Legitimation durch den Gewichtsreduktions-Fanatiker zu mehr Wärme auf der Welt beitragen. Wann waren Luftsprünge je so gut zu gebrauchen? Auch das weitest mögliche Vermeiden von häufigen, starken Temperaturschwankungen („Ich geh mal schnell rein aufwärmen“) half. Was vor Erfrierungen schützen kann ist bei ertragbaren Temperaturen eher hinderlich und sorgt dafür, dass sich der Körper/ Kopf nie so richtig an die Kälte gewöhnt. Ein letztes Hilfsmittel konnte ich unerwarteter Weise während des besagten Schweden-Aufenthalt finden: meine Einstellung zu Körpervorgängen bei Kälte, namentlich dem Zittern (Damit meine ich nicht das „Ich bin mitten im Winter in einen See gefallen“- Zittern. Wenn so etwas aufkommt sollte, man schleunigst nach Wärmequellen suchen. Ich meine das Allgemeine „Irgendwie ist mir kalt“- Zittern) Früher empfand ich schon Angst und den latenten Wunsch aus der Situation zu fliehen, wenn ich nur daran dachte, dass ich frieren könnte. Kam dann ein Zittern dazu, war ich sehr gefangen von diesem Thema und konnte mich eher schlecht als recht auf andere Aufgaben/ Dinge konzentrieren. Ich war Beherrscht von Emotionen und Instinkten. Heute ändert sich das Stück für Stück. Wenn ich ein Kälteempfinden bemerke, kommt der Verdacht, dass ich etwas dagegen tun sollte, eher unemotional hoch. Ich zittere und freue mich, dass mein Körper sich aufwärmt. Oft ist mir danach wieder so warm, dass ich gut mit den Dingen fortfahren kann, die ich so tue. Wenn nicht, kann ich ohne Aufregung angemessene Abhilfe schaffen. Das Herausragende daran ist, das durch das Fehlen von Angst die ganze Situation, die ich früher als unangenehm wahrgenommen habe, nicht mehr unangenehm ist. Es war also nicht primär die Kälte, die mich störte, sondern meine Angst vor ihr. Ohne diese Angst kann ich viel angepasstere Lösungen für meine Probleme finden. Das hat dann nichts damit zu tun, dass ich mich Kasteie, mich „Abhärte“ und meine persönlichen Schmerzgrenzen verletze, sondern lediglich behindernde, angsterfüllte Erwartungen und Gewohnheiten ablege. Mich erstaunt, dass ich darüber so erstaunt bin. Obwohl ich mich schon länger mit dem Thema Angst beschäftige brauche ich wohl noch einige Zeit, bis ich die Tragweite ihrer Einflussnahme wirklich fassen kann. Wie viele Situationen die mir unangenehm erscheinen, sind es nur, weil ich ihnen mehr oder weniger mit allen möglichen Sorten von Ängsten begegne? Wie viel leichter ließe sich die Welt erleben ohne Sie? Und wo wären meine Grenzen dann?

Und wie sähe die Welt aus, wenn viele Menschen ihre Gefühle und Bedürfnisse besser trennen könnten um überlegter zu handeln?