2016-02:Luther und die Juden

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Besonderer Feind - oder nur bekannter?

Luther und die Juden

jb Wenn überhaupt mal kritisch über Luther und die Reformation nachgedacht wird, dann beschränkt sich das (meist nur leise) Unbehagen auf seinen Aufruf an die damalige Obrigkeit, alle aufständischen Bauern zu töten - und seinen im Laufe des Lebens wachsender Hass auf Juden. Der ist in der Tat gewaltig und wuchs im Laufe der Zeit wie die Verteufelung (im wahrsten Sinne des Wortes) überhaupt aller Andersgläubigen. Anfangs wollte Luther die Juden noch bekehren (was bereits auch keine freundliche Gesinnung ist!)- Später weicht das reinen Vernichtungsphantasien.

Auch hier ist Wikipedia aufschlussreich - das Wissen liegt also offen zutage: „Seit einigen Missionserfolgen von Juden in evangelischen Gebieten unterstellte er ihnen kollektive Mordabsichten gegen die Christen und verweigerte 1537 ein Treffen mit Josel von Rosheim, ihrem Anwalt im Reich. 1538 führte er die christliche Sekte der Sabbater wider besseres Wissen auf jüdischen Einfluss zurück, um die Vertreibung der Juden aus Mähren zu erreichen. 1543 griff er sämtliche damalige antijudaistische Stereotypen auf, um alle evangelischen Fürsten zur Vertreibung der Juden aus ihren Gebieten zu bewegen. Er verlangte, ihre Synagogen, Schulen und Häuser zu zerstören, körperliche Zwangsarbeit für sie sowie ein Verbot ihrer Religionsausübung und des Geldgeschäfts. Private Gewaltakte gegen Juden lehnte er weiterhin ab („Von den Juden und ihren Lügen“). Zudem verhöhnte er die rabbinische Bibelexegese mit Bezug auf die Wittenberger Judensau („Vom Schem Hamphoras“). Kurz vor seinem Tod fasste er seine Haltung zusammen: Den Juden solle man als Brüdern zunächst die christliche Taufe anbieten; im Fall ihrer Taufverweigerung solle man sie vertreiben, da ihre Religionsausübung sonst Gotteslästerung fortsetze und damit auch das Christentum bedrohe.“


„Mein Kampf“ a la Luther

Im Jahr 1543 veröffentlichte der 60 Jahre alte Martin Luther sieben Forderungen als Teil seiner Hetzschrift „Von den Juden und ihren Lügen“. Komplett dokumentiert im Original und - jeweils auf der gegenüberliegenden Seite - übersetzt in ein aktuelles Deutsch, ist das gegen Juden gerichtete Pamphlet unter dem Originaltitel im Verlag Alibri (2016, 47 S., 20€). Die Kernsätze (im Buch ab S. 247):

„Was wollen wir Christen nun tun mit diesem verworfenen, verdammten Volk der Juden? [...] Ich will meinen treuen Rat geben: Erstlich, daß man ihre Synagoga oder Schule mit Feuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich.

Zum anderen, daß man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre.

Zum Dritten, daß man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein und Talmudisten.

Zum Vierten, daß man ihren Rabbinern bei Leib und Leben verbiete, hinfort zu lehren.

Zum Fünften, daß man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe.

Zum Sechsten, daß man ihnen den Wucher verbiete und ihnen alle Barschaft und Kleinode an Silber und Gold nehme.

Zum Siebten, daß man den jungen, starken Juden und Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst, Spaten, Rocken, Spindel, und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiß der Nase.“

Im Grunde hatte Luther damit das gefordert, was knapp 400 Jahre später in der Reichspogromnacht realisiert wurde und sich in den Holocaust steigerte.

Luthers Antisemitismus in aktuellen Büchern

In Bezug auf Luther unterscheiden manche Autor_innen zwischen Antijudaismus und Antisemitismus. Ersteres meint die Abneigung gegenüber der Religion. Ein Jude müsste dann nach Übertritt z.B. zum Christentum akzeptiert werden und die Diskriminierung aufhören. Luther schien zunächst die Hoffnung zu haben, dass sich Menschen jüdischen Glaubens für seine Versionen des Christentums gewinnen lassen. Da Luther insgesamt davon erfüllt war, dass seine Auffassung der christlichen Religion die allein richtige und direkt von Gott ihm eingegeben war, verlangte er von fast allen anderen Menschen, dass sie gefälligst seine Auffassung von Gott und der Welt zu teilen haben. Eine freiheitliche und emanzipatorische Auffassung war das von Anfang an nicht. Im Laufe seiner Schaffenszeit bemerkte Luther dann, dass seine Hoffnungen sich nicht erfüllten - und entwickelte dann einen eliminatorischen Hass auf alle Andersgläubigen. Ob Juden, Täufer, Türken oder andere - Luther hat zu allen Gedanken geäußert, die als Aufruf zum Massenmord verstanden werden können und im Kontext seiner Hasspredigten auch müssen. Seine Aufrufe zu Pogromen gegen Juden waren am Ende unabhängig davon, ob die Opfer noch für einen Übertriff zum Christentum zu gewinnen waren. Luther wollte das gar nicht mehr, sondern das Judemtum ausrotten. Das aber ist reiner Antisemitismus, weil er eben die Menschen als solche brandmarkt unabhängig von ihrer Gesinnung.

Dass Luther damit in bester Gesellschaft vieler Antisemiten war, ändert daran nichts - zumal spätere Judenfeinde einschließlich derer, die dann mit dem Holocaust den schrecklichen Höhepunkt aller antisemitischen Verfolgungen setzten, sich immer wieder auf Luther als Legitimation bezogen. Schriften wie das Buch „Judenklischees und jüdische Wirklichkeit“ (1985, Freie Akademie in Wiesbaden, 235 S.) versuchen, die vielfältigen Vorurteile gegenüber Juden zu beleuchten und mit ihnen aufzuräumen. Das genannte Buch dokumentiert eine Tagung mit etlichen Beiträgen über jüdisches Leben und seine Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte. Doch das, was dort an antisemitischen Projektionen benannt wird, lebt auch heute noch weiter und dringt bis in die Mitte der Gesellschaft vor. Erst vor wenigen Monaten geriet der baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon für judenfeindliche Formulierungen in die Kritik, die er in seinem dreibändigen Werk „Christlich-europäische Leitkultur“ (2009, R.G. Fischer in Frankfurt, je ca. 600 S. und 29,80 €) unter dem Pseudonym W.G. Meister verbreitete. Gedeon zeigt sich dabei zu verschiedenen Glaubensthemen als christlicher Fundamentalist, der nicht nur vor dem Zionismus warnt und ihm z.B. eine Komplizenschaft mit dem Nationalsozialismus unterstellt, sondern für Deutschland bzw. die EU einen christlichen Glaubensstaat erträumt (Auszüge auf S. 32). Neben dem Judentum zeigt der Autor offenen Hass gegen die USA, deren Politik angeblich die Schwächung des Konkurrenten Europa zum Ziel habe. Er verteidigt mehrfach sogar das Dritte Reich. Polen hätte, im Einvernehmen mit Frankreich und England, den zweiten Weltkrieg begonnen und Hitler hätte bis dahin eher als Friedenskämpfer agiert.