2016-02:Von den Juden und ihren Lügen

Aus grünes blatt
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Martin Luther:

Von den Juden und ihren Lügen

fb Anlässlich der für 2017 zu Ehren Martin Luthers von der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) ausgerufenen sogenannten "Lutherdekade" wurde von den Herausgebern Karl-Heinz Büchner, Bernd P. Kammermeier, Reinhard Scholz und Robert Zwilling das von Martin Luther 1543 veröffentlichte Buch "Von den Juden und ihren Lügen" aus dem Frühneuhochdeutschen ins heutige Deutsche übertragen und erschien als Band 1 in der Reihe "Luthers judenfeindliche Schriften" beim Alibri-Verlag. Original in alter Schrift und Sprache werden mit der Übetragung auf jeder Doppelseite gegenübergestellt, so dass ein Nachprüfen direkt erfolgen kann, sofern mensch sich mit dieser alten Sprache auseinandersetzen möchte. Dem Originaltext wurden einige wenige Anmerkungen und eine Vielzahl Begriffserläuterungen beigefügt. Luthers Schrift soll vor allem für sich selbst sprechen. Und das tut sie auch.

Luther stellt gleich zu Beginn "die Juden" den "Deutschen" gegenüber - deutsche Jüd*innen gibt es für ihn offenbar nicht. Ausgangspunkt seines von Anfang an formulierten Judenhasses ist offenbar der Machtkampf unter den Religionen. Und dass dies sein Metier ist, zeigt ja auch Luthers Engagement im innerkirchlichen Machtkampf um die richtige Bibelinterpretation, die ihn berühmt gemacht hat. In beleidigender Sprache wertet er von der ersten Seite an Menschen jüdischen Hintergrunds ab, verhöhnt sie und behauptet sie seien falschen Glaubens. Dabei stellt er sie als unverbesserlich dar und fordert mit ihnen solle nicht geredet werden, stattdessen sollten sie ausgegrenzt werden. Mit welch drastischen Mitteln er sich das vorstellt, folgt später, nachdem er meint anhand von selektiven Bibelzitaten nachweisen zu müssen, dass "die Juden" es nicht anders verdienten. Im Vorbeigehen lästert Luther außerdem über Ausländer bis hin zum "Barbaren" Platon.

Der große Reformator ereifert sich regelrecht in seiner Schimpfrede gegen die Andersgläubigen und behauptet gar zu wissen Gott sei zornig auf "die Juden" wegen ihrer Art Glaubensbekenntnis. Überhaupt ist Luther ziemlich intim mit Gottes Gefühlswelt, denn was der Arme zu erleiden hat, beschreibt er ausführlich. Es ist fast amüsant einen derart absurden Versuch von Argumentation zu lesen, wenn der gottesgläubige Martin Luther seine menschlichen Maßstäbe zur Basis von Gottes Gefühlsleben erklärt. Das aber ist wohl ein grundlegendes Problem religiöser Verblendung.

Luthers Judenhass stellt sich als Ausprägung eines aktiven Glaubenskrieges dar, den dieser "Große Deutsche"[1] führt. Er will die andere Religion, die so wie die seine behauptet den wahren Glauben zu besitzen, aus dem Weg räumen. Zwar beziehen sich seine Argumente entgegen der späteren Anwendung seiner Zielformulierungen durch die Nazis nur teilweise auf angebliche Verhaltensweisen in der weltlichen Sphäre, die ihre behauptete Schlechtigkeit beweisen sollen (diese macht er allerdings in permanenter Randbemerkung geltend), sondern auf die theologische Praxis, aber auch Luther führt bereits rassistische Argumentationen, wenn er zeigen will, dass die Abstammung "der Juden" sie nicht zum Volk Gottes mache.

Die vielleicht bekannteste antisemitische Hetze Luthers, sein Aufruf zum Niederbrennen ihrer Synagogen, Zerstören ihrer Häuser, Vertreibung etc. findet sich im letzten Drittel des Buches. Hier erklärt er, dass nun, da mit diesem Werk den Christen klargemacht sei, wie gotteslästerlich "die Juden" seien, es nicht länger vor Gott erlaubt wäre diese frei weiter walten zu lassen. Die vorherige Unterlassung aus Unwissenheit verzeihe Gott, aber von nun an sei Handeln angesagt. Unter Androhung von Gottesstrafe fordert er insbesondere die Herrschenden auf, gegen "die Juden" tätig zu werden: "Die Obrigkeit lasse man hier mit ihnen verfahren, wie ich schon gesagt habe (...)"[2] Und seinesgleichen erinnert Luther: "Gerade wenn ihr Prediger seid, wo Juden sind, sollt ihr mit Nachdruck eure Herren und Regenten bitten, in ihrem Amt zu bedenken, was sie Gott schuldig sind (...)"[3] Das wiederum stelle keine Rache dar, sondern gottesfürchtige Praxis gegen die Feinde Gottes. Die einfachen Leute sollten das ihren Herrschern überlassen - zumindest solange diese täten was nötig sei.

Konkret fordert Luther: "Ich will meinen wohlgemeinten Rat geben. Erstens, dass man ihre Synagogen oder Schulen anzünde und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und überschütte, sodass kein Mensch für alle Zeiten weder Stein noch Schlacke davon sehe. (...) Zweitens soll man auch ihre Häuser abbrechen und zerstören (...) Zum dritten möge man ihnen alle ihre Gebetbüchlein und Talmude nehmen (...) Zum vierten soll man den Rabbinern bei Leib und Leben verbieten, weiterhin zu lehren. (...) Zum fünften soll man den Juden das freie Geleit auf den Straßen ganz und gar verwehren und verbieten. (...) Zum sechsten soll man ihnen wuchern verbieten (...) Und man nehme ihnen alle Barschaft und Wertsachen wie Silber und Gold und lege es zur Verwahrung beiseite. (...) Siebtens soll man den jungen und starken Juden und Jüdinnen Flegel, Axt, Hacke, Spaten, Spinnrocken und Spindel in die Hand geben und sie ihr Brot verdienen lassen im Schweiße ihres Angesichts"[4] Die Herren und Fürsten warnt er nicht untätig zu bleiben, da sie sonst vor Gott schuldig würden und Anteil "an all dem Lügen, Lästern, Bespucken und Fluchen, wie es die aufbrausenden Juden gegen die Person unseres Herrn Jesus Christus, seine liebe Mutter, gegen alle Christen und Obrigkeiten und gegen uns selbst so frei und absichtlich treiben" hätten[5].

Mit zumindest aus heutiger Sicht uninteressanter langgezogener Interpretation von Bibelzitaten, biblischen Persönlichkeiten und Geschichten argumentiert er gegen den jüdischen Glauben und will ihn als unsinnig, gotteslästernd und falsch darstellen. Religionswissenschaftler*innen können dem vielleicht etwas abgewinnen, für mich als wenig religionsgeprägten Menschen liest sich Luthers Argumentation langweilig und an den Haaren herbeigezogen. Und sie wäre auch irrelevant, selbst wenn sie schlüssig klänge. Trotzdem lohnt es dieses Buch zu lesen, um sich die antisemitische Hetze Luthers vor Augen zu führen und der Verherrlichung dieses Menschen etwas konkret entgegen zu stellen.

  • Martin Luther: "Von den Juden und ihren Lügen"
  • Übertragen aus dem Frühneuhochdeutschen durch Karl-Heinz Büchner, Bernd P. Kammermeier, Reinhold Scholz und Robert Zwilling
  • Alibri Verlag, Aschaffenburg, 2016
  • ISBN 978-3-86569-196-5
  • 347 Seiten, Taschenbuchformat, 20,00 EUR


  1. Im Zuge einer ZDF-Aktion ("Unsere Besten") wurden die Zuschauer gefragt, wer in ihren Augen der "wichtigste Deutsche" sei - auf Platz 2 landete Martin Luther nach Konrad Adenauer und vor Karl Marx. Siehe auch http://www.zdf-jahrbuch.de/2003/programmarbeit/arens.htm - gesichtet am 5. August 2016
  2. Martin Luther: "Von den Juden und ihren Lügen"; Alibri Verlag; Aschaffenburg, 2016; S. 259
  3. Martin Luther: "Von den Juden und ihren Lügen"; Alibri Verlag; Aschaffenburg, 2016; S. 261
  4. Martin Luther: "Von den Juden und ihren Lügen"; Alibri Verlag; Aschaffenburg, 2016; S. 247 ff.
  5. Martin Luther: "Von den Juden und ihren Lügen"; Alibri Verlag; Aschaffenburg, 2016; S. 259