2017-02:Die Aktualität Harry Potters in einer nach rechts driftenden Gesellschaft

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Die Aktualität Harry Potters in einer nach rechts driftenden Gesellschaft

reka Überall in der Welt sind die rechten Bewegungen im Aufschwung, wachsen, gewinnen Wahlen und prägen immer mehr die gesellschaftlichen Diskurse. Ob sie wie in den USA die Wahlen gewinnen oder ‘‘nur‘‘ Zweiter werden wie in den Niederlanden, Österreich oder jetzt vorraussichtlich auch in Frankreich, sie schaffen es immer mehr Einfluss auf die aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen zu nehmen.

Jede Generation hat ihre popkulturelle Analogie für aktuelle Geschehnisse. Für Jahrzehnte war es Star Wars, nun ist es Harry Potter. So ist laut Monster[1] Harry Potter ein „Musterbeispiel von anspruchsvoller antifaschistischer Jugendliteratur“, denn während die Ideologie Lord Voldemorts auf „arischer“ Reinblütigkeit (Zauberer mit langer Zauberabstammung) und der Unterdrückung aller Anderen beruht, kämpfen Harry und seine Freund*innen für eine freie, offene Gesellschaft in der alle gleichberechtigt leben können. So wird z.B. der Orden des Phoenix zur Widerstandsgruppe antifaschistischer Aktivist*innen und Dumbledores Armee zur antifaschistischen Selbstverteidigungsgruppe von Schüler*innen in Hogwarts, denn wie auch im wahren Leben: wer im Kampf gegen den stärker werdenden Faschismus auf die Regierung hofft, ist verloren[2].

Die Potterserie ist also für Menschen jeden Alters geeignet, denn sie behandelt Themen wie Rassismus, Klassismus, Sexismus, Homophobie und Ignoranz, wobei die Hauptbotschaft Vielfalt und die Akzeptanz von Unterschieden ist. Während die Charaktere aufwachsen und die Bücher komplexer und reifer werden, werden auch die politischen Konsequenzen durch das Missachten dieser Botschaft immer düsterer und bedrohlicher. So hat die Voldemorts Ideologie der eigenen Überlegenheit der Reinblüter über die Schlammblüter (Zauberer mit Menschenabstammung) Untertöne von ethnischen Säuberungen, denn nach ihrer rassistischen Bewertung sind alle, deren Blut durch irgendwelche Muggelahnen „verunreinigt“ ist, eigentlich keine wahren magischen Menschen. Somit sind die Todesser Faschisten. Wie im wahren Leben ist das Zaubereiministerium voller inkompetenter, korrupter Menschen, deren einziges Ziel es ist, an der Macht zu bleiben. Die Presse ist nicht vertrauenswürdig, hysterisch und eine Marionette im System der Machthabenden, um deren Meinung zu verbreiten.

Hier ein kurzer Überblick über die Serie: 1. Buch: Es beginnt mit dem Doppelmord eines 21-jährigen Elternpaares, die ihren Sohn somit als Kriegswaisen zurück lassen. Das Kind wächst dann mit Vernachlässigung und emotionalen Misshandlungen auf, wird von Lehrern und Mitschülern gemobbt und es werden die Nachteile von Ruhm und Berühmtheit gezeigt. Aber auch dass es Dinge/Ideale gibt für die es sich zu kämpfen und sterben lohnt, werden durch den Kinderprotagonisten benannt. Die drei Hauptcharaktere handeln auch auf Grund der Bereitschaft der Selbstaufgabe, dabei werden zwei auch verletzt.

2. Buch: Das Equivalent zu Rassismus im Buch ist ja die Reinblutideologie, welche durch ein dafür manipuliertes 11-jähriges Mädchen umgesetzt wird, die unter der Kontrolle eines charmanten, älteren Jugendlichen steht. Hier wird unter anderem das Verhältnis von Macht und der daraus resultierende Missbrauch in Abhängigkeitsverhältnissen gezeigt.

3. Buch: Hier wird die Thematik Ableism aufgezeigt, indem ein netter und kompetenter Erwachsener als weniger menschlich und somit wertvoll betrachtet wird in der Gesellschaft, weil er eine Krankheit hat, die sein Verhalten zu bestimmten Zeiten beeinflusst. J.K.Rowling sagte, dass sie die Werwolfverwandlungen als Synonym für AIDS einbrachte, um die Ausgrenzung, welche Betroffene mit dieser Krankheit durch die Gesellschaft erfahren, zu thematisieren.

4. Buch: Von rassistischen Übergriffen während einer Weltmeisterschaft, bis hin zu einem Sportturnier, was todesgefährliche Aufgaben beinhaltet und von den Zuschauern trotzdem bejubelt wird. Am Ende wird ein Jugendlicher ermordet, weil er den Nazis im Weg war und der jugendliche Protagonist wird von ihnen gefoltert, gedemütigt und fast ermordet.

5. Buch: Der junge Protagonist hat inzwischen eine Posttraumatische Belastungsstörung, während sein Patenonkel und wichtige Vaterfigur eine Depression hat, die durch den erzwungenen Verbleib im Haus, wo er in der Kindheit misshandelt wurde, getriggert wird. Die Schule wird inzwischen von einer Tyrannin geleitet, die die Schüler*innen im Namen der Regierung foltert. Der Versuch das Leben eines wichtigen Menschen zu retten, misslingt und geht einher mit dem Verlust einer wichtigen Vaterfigur und vielen Schuldgefühlen.

Um nicht alles vorher zu verraten, lasse ich Beschreibungen der letzten beiden Bände an dieser Stelle weg...

Über den aktuellsten Film über die magische Welt „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ sagte die Autorin J.K.Rowling: „Ich wurde teilweise vom Aufschwung der rechtspopulistischen Bewegungen in der Welt inspiriert.“[3] Die Anti-Zauberei-Stimmung in der Gesellschaft, welche im New York der 20er im Film gezeigt wird, wo No-Majs (amerik. für Muggle/ Nichtmagische) Angst haben attakiert zu werden, spiegelt das Brexit-Britannien wider, wo die Menschen ihre durch die Auswirkungen des Jahrzehnte andauernden Neoliberalismus entstandenen Ängste gegen Geflüchtete und die europäische Politik richten.

2013 veröffentlichte Anthony Gierzynski, ein Professor der Politikwissenschaften der Universität in Vermont, eine Studie namens „Harry Potter und die Millennials (Kinder der Jahrtausendwende): Forschungsmethoden und die Politik dieser Muggle Generation“. Diese hatte das Ziel herauszufinden, ob die Harry Potter Geschichte das Politikverständnis der Millennials beeinflusst hat. In der Einführung diskutiert Gierzynski die Onlinevergleiche, welche beispielsweise Voldemort mit Rick Perry und Dick Cheney gleichsetzen, heut zu Tage wird Voldemort regelmäßig mit Trump gleichgesetzt. Dazu sagt er: „Zu sagen die politische Landschaft hat sich verändert, ist eine Untertreibung. Wir haben einen Präsidenten dessen Rhetorik Intoleranz fördert und eine typische autoritäre Persönlichkeit hat. Deshalb denke ich, dass die durch Harry Potter verbreiteten Werte heute noch relevanter sind als noch vor der Wahl 2012.“

Als Trump 2015 zum ersten Mal einen Muslimbann (Einreiseverbot für muslimische Menschen in die USA) vorschlug, meinte die Harry Potter - Autorin J.K.Rowling selber zu einem Trump-Voldemort-Vergleich: „Wie schrecklich. Selbst Voldemort war niemals so schlimm.“ Diana Mutz, eine Professorin der Politikwissenschaften in Pennsylvania, veröffentlichte 2016 eine Studie namens „Harry Potter und der tödliche Donald“ (Harry Potter and the Deathly Donald), wo herausgefunden wurde, dass das Lesen der Bücher und Anschauen der Harry Potter-Filme das Ansehen von Trump und seiner Politik der Amerikaner*innen senkt[4].

Genau wie Gierzynski meint Mutz, dass die Botschaft über Toleranz und Vielfalt in der Harry Potter Welt die Meinungen der Leser*innen stark beeinflusst hat, deshalb war sie überrascht über das große Ausmaß der Reaktion auf die Veröffentlichung: „Ich habe noch nie so viele Hassmails bekommen wie seit der Veröffentlichung dieser Studie. Es ist wirklich beängstigend, um ehrlich zu sein. Klar fühlen sich Trump-Befürworter*innen mit den Studienergebnissen unwohl, aber man kann sich die empirischen Daten und Ergebnisse ja nicht aussuchen.“[5]

So sind sich Akademiker*innen wie Gierzynski und Mutz einig, dass die Harry Potter Serie eine Generation mitbeeinflusst hat, die weltoffener und toleranter ist, als mensch durch die Lektüre eines Jugendbuches annehmen mag.

Sehr zu empfehlen ist die neu illustrierte Version mit den Bildern von Jim Kay erschienen im CARLSEN Verlag. Die Bilder zeigen mit welchen Herzblut der Künstler an die bildliche Umsetzung der Geschichte gegangen ist, da jedes Bild eine große Wärme ausstrahlt.

J.K.Rowling, Jim Kay: Harry Potter und die Kammer des Schreckens, CARLSEN Verlag, ISBN: 978-3-551-55902-9