2020-01:Das umstrittene Ecopornprojekt Fuck for Forest ist 15 geworden

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Ficken für den Regenwald!

Das umstrittene Ecopornprojekt Fuck for Forest wird 15

Seit Jahren ist es still geworden um das Projekt „Fuck for Forest“ (FFF). Man könnte fast glauben, dass es entschlafen ist... Im Januar dieses Jahres annoncierten die Macher*innen Tommy und Leona, dass sie einen Relaunch der Website planen – und derzeit am Aufbau eines ökologischen Zentrums in Mexiko beteiligt sind. In Anlehnung an die vielzitierte Phrase von Donald Trump fordern sie: „Make Fuck for Forest great again!“

Die Hochzeiten von Fuck for Forest liegen mittlerweile schon ein paar Jahre zurück. Vor 15 Jahren starteten sie ihre Website – basierend auf dem Konzept mit pornografischem Material Geld für ökologische Projekte zum Schutz des Regenwaldes zu sammeln. Auf ihrer Website stellen sie pornografisches Material von sich und anderen Mitstreiter*innen für Abonnent*innen zur Verfügung, d.h. es handelt sich um Amateurmaterial. Ein Abo kostet mindestens 10 € / Monat, davon gehen ca. 3 % für Verwaltungskosten darauf und der Rest wird für NGOs gespendet. Eine Liste, der von ihnen unterstützten Projekte findet sich auf der Website. Momentan wird vor allem das Projekt La Manzana Podrida, ein soziales und ökologisches Zentrum in Mexiko, unterstützt. Daneben gibt es auch immer wieder Produkte im Shop zu erwerben – von T-Shirts bis zu getragener Unterwäsche für Fetischist*innen. Sie nahmen damit in gewisser Hinsicht eine Vorreiterrolle ein.

Über die Verbindung von Ökologie und Pornografie erklären sie im Interview:

„Die Entkopplung von unserem Planeten und die Entkopplung von unserem Körper sind sich sehr ähnlich. Für uns ist es unmöglich, an einem Thema zu arbeiten, ohne das andere mitzuberücksichtigen. Wir sind das einzige Tier, das seine eigene Umwelt zerstört und wir sind das einzige Tier, das sich vor seinem natürlichen Zustand fürchtet; unsere Körper und unsere Sexualität wurden kommerzialisiert und pervertiert, sodass wir nicht mehr wissen, was natürlich ist und was nicht. Unsere Körper sind der Grundausdruck unserer Natur. Unsere Körper sind all das, was wir sind. Was wir wirklich haben sollten, ist die Freiheit auszudrücken, was wir wollen. Eigentum und Privatisierung von Land und Wasserressourcen ist in gewisser Weise das Gleiche, wie unsere Körper und Sexualität unter ein moralisches Stigma zu stellen, diktiert von einer gewalttätigen und ausbeuterischen Gesellschaft. Das Einzige, was wir wirklich als 'unseres' bezeichnen können, sind unser Körper und unser Geist. Aber die Gesellschaft will die Kontrolle über diese Freiheit mit Hilfe von Religion und Politik. Zur gleichen Zeit werden uns die essenziellen Ressourcen zum Leben wie Wasser, Nahrung und ein sicherer Platz zum Leben gestohlen. Und die Natur wird immer noch nicht als etwas erkannt, das Rechte hat. Sie ist lediglich ein Objekt der Profitmaximierung. Das ist dasselbe, was die Werbe-, Mode- und Pornoindustrie mit unseren Körpern und der Sexualität gemacht hat. Sie haben uns objektiviert, um den Profitfluss am Laufen zu halten. Wie können wir da wegschauen, wenn wir über Ökologie sprechen?“[1]

In ähnlicher Weise lässt sich der SM-Kalender zugunsten des Hambacher Forstes verstehen, bei dem ein ähnliches Konzept die Grundlage bot. Das eine wie das andere Projekt haben für Kontroversen gesorgt bzw. zur Weigerung einer Szenedruckerei, es zu drucken. Pornografie bzw. die kommerzielle Verwertung von Nacktheit sind nach wie vor in der linken Szene umstritten – trotz des Aufkommens von feministischer Pornografie und Pornfilmfestivals. Mit ähnlichen Vorwürfen hat seit jeher das Projekt zu kämpfen.

Zur generellen Verteufelung der Pornografie lautet die Position von Fuckk for Forest:

„Wir glauben, dass die Vereinheitlichung von Pornografie unter dem Aspekt des Sexismus ist eine Art antisexuellen Verhaltens. Sorry, Leute! Sex is here to stay. Wir filmen und fotografieren alle anderen menschlichen Ereignisse, warum nicht auch den Sex? Der einzige Weg, schlechte Pornografie zu bekämpfen, ist, bessere zu produzieren. Eine große Anzahl von Erwachsenen benötigt wirklich sexuelle Aufklärung. Gute Pornografie kann Pärchen helfen, eine erfülltere Sexualität zu haben und ihnen einiges über Kommunikation und gegenseitigen Respekt beibringen. Das Problem ist, dass es zu wenig gute Pornografie gibt. Seitdem Werbung und Pornografie den menschlichen Körper bis zum Äußersten ausnutzen, verstehen wir die Konfusion. Viele Menschen werden in der Erotikindustrie ausgebeutet und unsere Körper wurden als Teil der kapitalistischen Gesellschaft objektiviert. Ich denke, dass FFF häufig zu kindisch und zu verspielt für die politische Szene war. Der einzige Weg, auf dem die linke Szene etwas unterrichten kann, ist in Form des Etwas-besser-Machens. Oder denkt ihr alle, dass Sex eine Sünde ist und es niemand sehen sollte? Das würde ein bisschen befremdlich für uns klingen. Wir wünschen uns, dass mehr sexpositive Feminist*innen und politisch-interessierte Leute ihre Blickwinkel ausdrücken würden. Wenn es gegen uns ist, wären wir froh darüber, Inspiration zu erhalten und uns zu verbessern, in dem was wir ausdrücken.“

Ähnlich wie andere Akteur*innen der queeren und feministischen Pornszene sehen sie die von ihnen bzw. ihren Unterstützern zur Verfügung gestellte Pornografie als eine Art Aufklärung. Das erinnert auf den ersten Blick ein bisschen an den vermeintlichen Aufklärungsanspruch der westdeutschen Sexfilme der 1970er Jahre à la „Schulmädchenreport“, aber bei ihnen ist dieser Anspruch authentisch.

Sie sind dabei vielleicht stärker in einem hippieesken Ideal von freier bzw. befreiter Sexualität verfangen. Ihr Umgang mit Sexualität wirkt zeitweilig wie ein neuer Aufguss von Positionen zur sexuellen Befreiung im Zuge der 68er Revolte – u.a. wegen des Fehlens eines akademisch-intellektuellen Vokabulars bei der Begründung ihrer Positionen.

„Sexuelle Befreiung meint für viele Leute etwas Unterschiedliches. Du kannst sagen, dass der Kampf für Schwulenrechte eine Form von sexueller Befreiung ist. Der Kampf für Frauenbefreiung ist auch eine Art von sexueller Befreiung. Exhibitionismus ist auch eine Form von sexueller Befreiung. Wir sollten stolz auf unsere Körper und Sexualität sein, aber unsere Gesellschaft hat andere Regeln geschaffen: Autos, Fabriken und sogar Militär und Krieg haben mehr Rechte sich auszudrücken als die natürliche Präsentation des nackten Körpers. Das ist unfair. Wir sind keine wirklichen Exhibitionisten. Wir würden nicht mit Sexualität arbeiten, wenn es nicht mit einer wichtigeren Idee verbunden wäre. Vor FFF waren Tommy und Leona niemals Nudist*innen und hatten auch keinen Sex vor anderen Leuten. Es war die Idee, die uns animiert hat. Wir wollten sehen, was wir erreichen können, wenn wir über unsere eigenen Grenzen hinauswachsen. Wir haben vielen Menschen geholfen haben, ihre Fantasien zu realisieren und offener über Sexualität zu sprechen. Diesbezüglich wissen wir, dass wir mit sexueller Aufklärung und Befreiung arbeiten. Wir haben kein Problem damit, als Exhibitionisten klassifiziert zu werden, weil wir es viel wichtiger finden, die Schönheit der Natur zu zeigen als die Zerstörung der industrialisierten Gesellschaft.“

In der linken Szene begegnet man dem Projekt dennoch immer noch sehr skeptisch. Die Konflikte von früher, das heißt aus der Zeit von A-Kongress (2010) und Slutwalk (2011), wo man die Aktivist*innen ausschloss, und diverse Vorwürfe und Gerüchte über die vermeintlichen Praktiken sind noch in den Köpfen. Ihnen wurde wiederholt vorgeworfen, Leute gedrängt bzw. bedrängt zu haben, bei dem Projekt mitzumachen bzw. durch die Vergabe von Drogen gefügig gemacht zu haben. Die Aktivist*innen weisen jene Vorwürfe als unhaltbar zurück – und erklären rückblickend: „Wir hätten uns gewünscht, dass die linke und alternative Szene in Berlin mehr konstruktive Kritik geäußert hätte.“

Vielleicht ist es an der Zeit, das Projekt neu zu evaluieren – und den Aktivist*innen zuzugestehen, dass sie aus den Fehlern der damaligen Zeit gelernt haben und nun reflektierter, ihren Kampf für die Rettung des Planeten bzw. des Regenwaldes fortzusetzen – verbunden mit der Idee, sexueller Befreiung.

Maurice Schuhmann

Website:

Vollständiges Interview mit Leona und Tommy (aus der Zeitung Contraste):


  1. Alle Zitate sind dem in der Contraste erschienen Interview entnommen. Vgl.: https://contraste.org/index.php?id=400