2008-02:Aktuelles aus dem Projekthaus Braunschweig

Aus grünes blatt
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Baupläne am Offenen Projekthaus und aktueller Stand

fb Am 19. Juli sollten die Bauarbeiten am zukünftigen Offenen Projekthaus in Braunschweig starten. Dass dies nun leider nicht geschehen konnte, hat seinen Grund in einer plötzlichen Blockadehaltung der regierenden CDU-Fraktion. Welche Hintergründe diese Verzögerungen wirklich haben, ist noch unklar. Offizielle Auskünfte besagen, dass mensch innerhalb der CDU-Fraktion befürchte, dass der Kommune unkalkulierbare Kosten durch das Projekt entstehen könnten, da später kommunale Fördergelder beantragt werden könnten. Dass diese Argumentation vorgeschoben wirkt, ist leicht verständlich: weder wurde seitens der Projekthaus-Initiative angekündigt solche Gelder beantragen zu wollen, noch wäre die Stadt in einem solchen Falle verpflichtet Förderanträge zu bewilligen, wenn sie das nicht will.

Am 1. Juli sollte die Entscheidung im Verwaltungsaussschuss der Stadt Braunschweig über den Verkauf des Hauses an die Träger der Projekthaus-Initiative getroffen werden. Am 26. Juni lag dem Finanz- und Personalausschuss der Stadt die Beschlussvorlage zur Anhörung vor. Dort wurde mit obiger Begründung eine Empfehlung für den Verkauf abgelehnt; das musste noch nicht bedeuten, dass der Verwaltungsausschuss nun genauso entscheidet. Die CDU gab aber wohl zu erkennen, dass sie noch "offene Fragen" habe, die erst geklärt werden müssten, bevor sie dem Anliegen zustimmen könnte. Da damit die Beschlussvorlage keine Chance mehr gehabt hätte, zog die Verwaltung diese zurück; die Entscheidung wurde auf unbestimmt vertagt. Welche Fragen die CDU hat, hatte sie nicht verraten. Daher konnte die Verwaltung die Beschlussvorlage zum Verkauf des Hauses lange nicht überarbeiten und erneut zur Entscheidung vorlegen.

Spekulationen über die Hintergründe gibt es verschiedene: zum einen kursiert die hier bereits beschriebene Version, dass die Angst vor Förderanträgen zu Verunsicherung geführt habe. Ein hoher Verwaltungsbeamter teilte uns auch mit, dass die Abgeordneten sich nicht ausreichend informiert gefühlt hätten. Andererseits gab es kurz nach der Vertagung der Verkaufsentscheidung plötzlich einen neuen "Interessenten", über den durchsickerte, dass er gute Verbindungen in die lokalen CDU-Strukturen und in der Stadt überhaupt habe. Was das alles wirklich bedeutet und wie es weiter geht, ist erstmal offen. Die Projekthaus-Initiative wird nun in einem Brief darauf hinweisen, dass sie sich an ihr Kaufangebot nicht ewig gebunden fühlt und ab Herbst wieder Ausschau nach anderen Immobilien nehmen wird.

Für die Projekthaus-Initiative war dieser Verlauf ein herber Rückschlag; bis zum 26. Juni war von allen Seiten (mal abgesehen von einem Herren aus der SPD-Bezirksratsfraktion, der sich in diesem Gremium aber nicht durchsetzen konnte) aus der Politik das Feedback gekommen, dass es sehr gut aussähe und einer positiven Entscheidung nichts im Wege stünde. Im Vertrauen darauf hatte die Projekthaus-Initiative im Frühjahr mit der Vorbereitung von Workcamps zur Erhaltung des Gebäudes, das dem ständigen Verfall durch Witterung und Vandalismus ausgesetzt ist, begonnen. Der Verhandlungsprozess verlief positiv; der Kaufvertrag war fast bis ins Detail ausgehandelt; der Modernisierungsvertrag, den die Stadt zur Bedingung gemacht hatte, war bereits in Vorbereitung. Der Sanierungsausschuss sprach sich einstimmig für das Projekt aus, der Bezirksrat schloss sich dieser Position an. So wurden auch seitens der Projekthaus-Initiative nach und nach konkretere Schritte unternommen, die auch notwendig waren, sollten die Workcamps wirklich diesen Sommer stattfinden. Es wurde breit geworben (in der BRD und international), Kooperationsverträge mit mehreren internationalen Workcamps-Trägern geschlossen und erste Materialspenden organisiert. Nach der Verschiebung auf unbestimmte Zeit mussten alle diese Aktivitäten wieder rückgängig gemacht werden, was nicht nur wieder viel Arbeitsaufwand bedeutete, sondern auch unnötige Kosten verursachte (z.B. waren Kosten aus den Kooperationsverträgen zum Teil trotzdem zu zahlen).

Die Projekthaus-Initiative hofft darauf, dass trotz der unklaren Situation noch dieses Jahr die positive Verkaufsentscheidung fällt. Das hätte bedeutet, dass sich die Pläne um etwa ein Jahr verschoben und nächsten Sommer dann mit den Bauarbeiten zur Instandsetzung des Gebäudes hätte begonnen werden können. Die Ideen, die dazu bereits gesammelt wurden, sollen nicht verloren gehen, daher soll an dieser Stelle darüber informiert werden, auch wenn die Umsetzung nun wieder etwas in die Ferne gerückt ist.

Was geschah

Entstehen sollten hier, im Pippelweg 69 in Braunschweig, in den nächsten Jahren u.a. Projekträume für eine unabhängige Medienplattform, für eine Kleinkunstbühne, ein Seminarhaus und ein unabhängiges politisches Archiv. Eine Vielzahl weiterer Projekte ist überlegt worden. Das offene Organisationswiki für das Projekthaus gibt Auskunft über weitere Ideen und die Vorbereitunsgprozesse: http://kein-schoener-wohnen.de.vu.

Der Weg bisher war anstrengend: vor etwa einem Jahr (Ende Mai/Anfang Juni 2007) startete die Suche nach einem geeigneten Haus in Braunschweig; die Suche sollte in Göttingen und anderen Städten fortgesetzt werden. Da sowohl seitens der Stadt positive Signale kamen als auch politisch aktive Menschen vor Ort großes Interesse zeigten, beschlossen die damals Aktiven sich auf die Errichtung des Projekthauses in Braunschweig zu konzentrieren. Die erste Flaute gab es bereits im Herbst 2007, wo die Aktivitäten im wesentlichen an einer Person hingen. Früher beteiligte Leute schreckten vor der drohenden Realisierung der beim JUKSS in Königswusterhausen Anfang 2007 zusammen getragenen Ideen zurück; vielen erschien das Vorhaben zu groß, unrealisierbar.

Trotz dieser Entwicklung wurde im Oktober 2007 ein Kaufangebot für die Immobilie im Pippelweg 69 über 100.000 EUR eingereicht - die Stadt hatte 375.000 EUR verlangt. Anfang 2008 entschied die Dezernentenkonferenz, das höchste Gremium der Verwaltung, grundsätzlich für den Verkauf zu diesem Preis an die Projekthaus-Initiative. Es folgen Projektvorstellungen und Gespräche mit verschiedenen Gremien und Parteien. Der Stadtbezirksrat und der Sanierungsbeirat gaben ihr Votum für den Verkauf des Hauses an die Gruppe ab. Der erste Rückschlag auf der Verhandlungsebene war die Ablehnung der Empfehlung für den Verkauf im Finanz- und Personalausschuss. Die für den 1. Juli geplante endgültige Verkaufsentscheidung durch den Verwaltungsausschuss wurde vertagt. So hingen die Verkaufsverhandlungen wieder in der Luft.

Baupläne

Geplant war für diesen Sommer die improvisierte Instandsetzung des Hauses, was im besten Fall jetzt auf den nächsten Sommer verschoben wird: Das Dach soll geflickt werden, Fensterscheiben ersetzt und der Keller gegen eindringendes Wasser abgedichtet werden. Damit sollen weitere Schädigungen der baulichen Substanz verhindert werden. In den folgenden Jahren sind weitere Modernisierungsmaßnahmen geplant: einige Bereiche sollen entkernt und völlig neu gestaltet werden (z.B. zweigeschossiger OpenSpace-Saal mit Bibliothek und Kino- und Theaterraum, der sich über 1 1/2 Etagen erstreckt), mit ökologisch verträglichen Materialien (voraussichtlich Strohballen) soll das bis zu viergeschossige Gebäude gedämmt werden, eine neue Heizungsanlage ist notwendig (geplant: Kombination aus Erdwärme, Solarkollektoren und Holzblockheizkraftwerk) und eine Dachterrasse soll entstehen.

Die detaillierte Modernisierungsplanung soll auf einer öffentlichen "OpenSpace-Konferenz" geschehen, zu der Fachleute, Projekthausbeteiligte und Menschen aus dem Stadtteil eingeladen werden. Dort sollen ergebnisoffen kreative Ideen gesammelt und diskutiert werden und die Entscheidung für das Sanierungskonzept fallen. Ziel ist ein Modernisierungskonzept, das selbstorganisiert umgesetzt werden kann, möglichst ökologisch ist, vielfältige Ideen realisiert und gleichberechtigt entwickelt und umgesetzt wird.

Am 14. Juli sollte der Aufbau der Infrastruktur vor Ort beginnen: Zelte zur Übernachtung, Kücheneinrichtung, Vorbereitung der Bauarbeiten, Aufbau von Sanitäranlagen. Die Umsetzung der Arbeiten am Haus sollte mit Unterstützung aus aller Welt erfolgen: gemeinsam mit den "internationalen jugend gemeinschaftsdiensten" (ijgd), dem "Service Civil International" (SCI) und dem Bauorden, die als Träger für einzelne Workcamp-Abschnitte auftreten sollten. Über diese Träger (mit Ausnahme des Bauordens, mit dem es Mitte Juli, als klar wurde, dass die Workcamps nicht stattfinden können, noch keinen Vertrag gab) wurden TeilnehmerInnen geworben, die zusammen mit weiteren UnterstützerInnen, die von der Projekthausinitiative selbst gewonnen wurden, am Haus arbeiten wollten. Diese erste Bauphase sollte bis Ende September laufen.

Auf dem Dach wollten trainierte Kletter-AktivistInnen einzelne Ziegel ersetzen, Fugen notdürftig schließen und Dachrinnen anbringen. Diese Maßnahmen sollten das weitere Eindringen von Regenwasser verhindern. Später muss das Dach im Rahmen der Modernisierung noch einmal komplett abgedeckt, verlängert, gedämmt und neu eingedeckt werden. Hierfür ist aber ein hoher Planungs-, Material- und Finanzaufwand notwendig, deswegen können diese Arbeiten erst später erfolgen. So lange kann das Haus aber nicht warten, wenn die witterungsbedingten Schäden nicht weiter fortschreiten sollen.

Der Keller ist seit Jahren feucht, zeitweise auch unter Wasser (mit einem Wasserstand von bis zu mehreren Zentimetern). Ursächlich dafür ist eindringendes Regenwasser über den Innenhof, das dort nicht abfließen kann, drückendes Grundwasser und vermutlich auch der Rückstau über ein defektes Ventil des Abwasserabflusses. Diesen Sommer sollten die Kellerwände von außen freigelegt (ausgeschachtet) werden und dann mit mehreren Isolierschichten abgedichtet werden, sobald die Mauern getrocknet sind. Leider konnte für diesen Zweck kein ökologisches Verfahren gefunden werden, so dass auf herkömmliche (synthetische) Materialien zurückgegriffen werden muss. Im Laufe der Modernisierung soll auch der Kellerboden nach unten abgedichtet werden und durch Diffusionssperren in den Kellerwänden ein Aufsteigen von Grundwasser behindert werden. Die genannten Konzepte müssen jedoch noch detailliert ausgearbeitet werden.

Ein Großteil der Fenster (insgesamt hat das Haus etwa 80 Fenster) wurde durch Vandalismus beschädigt, so dass Wind und Witterung in das Haus eindringen und die Bausubstanz schädigen können. Gegen diese Witterungsschäden müssen schnellstens Maßnahmen ergriffen werden. Allerdings sind neue, hochdämmende Fenster sehr teuer und ohne Fördermittel nicht finanzierbar. Die Instandsetzung sollte in diesem Jahr improvisiert erfolgen: Einfachglas sollte zugeschnitten und eingebaut werden; wo nicht genug Glas kostenlos organisiert werden kann, sollte starke Folie angebracht und mit Holzlatten im Fenster gegen Windbelastungen geschützt werden.

Weitere Vorhaben in diesem Workcamp-Sommer waren die Entrümpelung des Hauses (viele Kubikmeter Bauschutt und Zivilisationsmüll sind zu entsorgen) und die improvisierte Einrichtung erster sieben Projekträume. Diese sollten vorgerichtet, mit Strom versorgt, beheizt und mit Sanitäranlagen versehen werden. Im Herbst sollten dort ebenfalls improvisiert ein kombinierter Vokü- und Veranstaltungsraum, ein Orga- und Offenes Büro, das Archiv/Bibliothek und ein Infoladen mit Infothek entstehen. Später sollen diese Projekte in andere Räume umziehen, sobald diese fertiggestellt sind. Die ersten Bereiche, die schon 2008 nutzbar sein sollten, wären durch ein eigenes Treppenhaus über zwei Etagen miteinander verbunden, hätten einen eigenen Hauseingang und könnten vom Rest des Gebäudes abgekoppelt werden. So wäre der Projektbetrieb ohne große Beeinträchtigungen durch die laufenden Bauarbeiten möglich.

Begleitend zu den Bauarbeiten sollte es ein Veranstaltungs- und Kulturprogramm geben. Dieses sollte für Abwechslung sorgen, Inhalte vermitteln und die Menschen in der Region zum Projekthaus locken. Nun bleibt zu hoffen, dass diese Ideen im Sommer 2009 umgesetzt werden können.