2008-02:Bilanz 2007 - GVO in Frankreich

Aus grünes blatt
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Situation gentechnisch veränderter Organismen (GVO) in Frankreich 2007

von Christophe Noisette

Diese Jahresbilanz verfasste Christophe ursprünglich für die Jahresstart-Kampagne "2008: Deutschland wird gentechnikfrei - so oder so!" der Projektwerkstatt Saasen. Für die die Kampagne begleitende Zeitung war der Artikel allerdings etwas zu umfangreich und konnte darum dort nur in gekürzter Version erscheinen. Wäre aber doch schade um den Rest - darum nun hier die Komplettversion.

Im Jahr 2007 wurde auf 22.000 Hektar transgener Bt-Mais (Mon810) angebaut, hauptsächlich im Südwesten (Midi Pyrénées und Aquitaine)...das heißt, eine Fläche wie noch nie und entspricht letztendlich 0,7% (zu überprüfen) der französischen Maisanbaufläche. 2006 waren es 5.500 Hektar, die mit patentierten Samen eingesät worden waren. Folglich behauptet Frankreich seinen zweiten Platz unter Europas größten Produzenten von transgenem Mais, hinter Spanien (zwischen 60.000 und 80.000 ha). Der Anbau dieser gentechnisch veränderten Pflanzen erfolgte sehr intransparent, da die offiziellen Register die transgenen Felder nur auf Landkreisebene auswiesen. Wie soll man sich unter diesen Bedingungen vor einer Verunreinigung schützen, fragten sich Bio-Landwirte, Imker und all diejenigen, die beabsichtigten, ohne GVO zu produzieren.

Daher haben die militanten GVO-Gegner der Freiwilligen Feldbefreiung (Faucheurs volontaires) das ganze Jahr über vermehrt Aktionen mit dem Ziel durchgeführt, präzisere Angaben zur Lage der Felder zu erlangen: Besuch (sogar Besetzung) der Ämter, um Stellungnahmen von Landwirten zu sammeln, Einreichen eines Einspruchs beim CADA (Commission d'accès aux documents administratifs – Ausschuss für den Zugang zu Behördendokumenten), etc... vergebens... Ende 2007, wenn einige Felder ermittelt worden sind, wird der Großteil nunmehr abgeerntet sein, ohne dass jemals jemand etwas davon gewusst hat.

Auch andere Arten von Aktionen sind im Laufe des Jahres durchgeführt worden: Die Besetzung des Hafens von St Nazaire, um den Import von genmanipuliertem Soja anzuprangern; Picknicks, um Landwirte davon zu überzeugen ihre Parzellen mit GVOs zu zerstören; die symbolische Beerdigung der Artenvielfalt in Avignon; das Einfangen von Bienen als „Trägerinnen genveränderter Pollen, verurteilt wegen gemeinschaftlicher freiwilliger Ausstreuung“ im Departement Loiret...

Zwei innovative Aktionen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Zum einen eine Aktion absichtlicher Bestäubung im Ardèche, um „den, der anderen eine Grube gräbt, selbst hineinfallen zu lassen“, die Ende Juli 500 Leute mobilisiert hat: Rings um ein Grundstück mit gentechnisch verändertem Mais, der der Samengewinnung dienen sollte (zu Limagrain gehörig, der Anzeige erstattet hat) schwenkten sie blühenden Bio-Mais, um so eine Befruchtung des genveränderten Maises mit Bio-Pollen zu bewirken.

Zum anderen die Zivilinspektion von Genfeldern. Am 8. August brachte es das Anti-GVO-Kollektiv der Île de France auf die erste Seite der Zeitungen, als es ankündigte, dass sich ein Grundstück in Milly-la-Forêt befinde, im Umkreis des regionalen Naturparks Gâtinais francais. Andere Inspektionen erlaubten es, gar nicht oder nur schlecht gekennzeichnete Grundstücke zu entlarven.

Was die Feldbefreiungen anbelangt (http://www.infogm.org/spip.php?article3222), so dauerten diese den Großteil der Zeit tags wie nachts an, gemäß den Prinzipien des zivilen Ungehorsams stehen die AktivistInnen voll und ganz hinter diesen offen durchgeführten Aktionen. Die Unternehmen erstatteten wie gewohnt Anzeige und verurteilten diese Akte von Vandalismus, die, wie sie versicherten, Wissenschaftler vertreiben und Frankreich auf der internationalen Bühne isolieren würden... Die Feldbefreier antworteten: Nicht nur, dass die Erpressung mit Arbeitslosigkeit kein Argument ist, so ist darüber hinaus vor allem auch die nachhaltige Landwirtschaft, die die Umwelt respektiert, geeigneter, Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zu erhalten.

Den Prozess der Feldbefreier betreffend gibt es zwei Dinge zu präzisieren: Dem Beispiel von Biogemma folgend, sind die Unternehmen gerade dabei, die Zwangsvollstreckungsverfahren durch Kontopfändung wieder aufzunehmen, mit dem Ziel, an die den Feldbefreiern auferlegten Bußgelder zu kommen.

Seit Juli, als die Regierung eine große nationale Beratung zu Umweltfragen (der berühmte Runde Tisch – le Grenelle de l’environnement) ankündigte, wurde außerdem eine Art gerichtliches Moratorium erlassen. Die Gerichte haben mehrere Prozesse verschoben, mit der Begründung, dass die Ergebnisse des Runden Tisches „die Justiz aufklären“ und somit die Forderungen der Staatsanwaltschaft beeinflussen könnten. Was José Bové betrifft, der normalerweise eine Gefängnisstrafe für eine Feldbefreiung im Juli 2004 abzusitzen hätte, so befindet er sich noch immer in Freiheit. Und so wird es auch bleiben. Die Staatsanwaltschaft beschloss am 10. Dezember 2007, die Haftstrafe in eine Geldstrafe umzuwandeln.

Der „Grenelle de l'environnement“ (Runder Tisch zwischen Regierungsvertretern und NGO-Vertretern) hat das Jahr stark geprägt. Nach der Wahl hat sich der neue Staatspräsident Nicolas Sarkozy dazu bereit erklärt, dem Wunsch diverser NGOs wie Greenpeace und BUND nachzukommen und einen Runden Tisch zu Umweltfragen zu organisieren. Sämtliche AktivistInnen wollten (oder durften) zwar nicht daran teilnehmen, aber in Frankreich hat sich immerhin ein gewisser Konsens darüber gebildet. Nicolas Sarkozy hat merkwürdigerweise zum Schluß der Veranstaltung unerwartet eine Rede im Sinne eines Gentech-Anbaustoppes gehalten: „Die Wahrheit ist, dass wir derzeit erhebliche Zweifel an gentechnisch veränderten Pflanzen mit Pestiziden haben; die Wahrheit ist, dass wir erhebliche Zweifel an Kontrollen der Ausstreuung und Bestäubung der GVO haben; die Wahrheit ist, dass wir erhebliche Zweifel an medizinischen Vorteilen oder am umwelttechnischen Nutzen der GVO hegen. [...] Im Sinne der allgemeinen Sorgfalt und Gefahrenvorsorge, bin ich für die Aussetzung des kommerziellen GVO-Anbaus. Und dies bis zur Vorlage von Ergebnissen durch eine Expertenkommission, die Ende 2008 einberufen werden soll. [...] Als Beweis für dieses Engagement: Frankreich wird die GVO-EU-Richtlinie im Frühjahr 2008 umsetzen. Ich verpflichte mich dazu. [...] Diese Aussetzung bedeutet keinesfalls eine Verurteilung jeglicher Art von GVO. Es gibt zukunftsträchtige GVO, die für uns eine große Hoffnung darstellen. Das ist vielleicht die einzige Möglichkeit, die Erdbevölkerung morgen zu ernähren. Die Forschung muss schneller vorankommen. Die Genfeld-Zerstörer müssen bestraft werden.“

In diesem Sinne erklärte Umweltminister Jean Louis Borloo, Frankreich würde den Anbau von gentechnisch veränderten Kulturen einfrieren, wenn notwendig in Bezug auf die Schutzklausel (EU-Richtlinie2001/18), bevor im Frühjahr ein Gesetz verabschiedet wird. Guy Kastler, Bio-Landwirt und Vertreter von Les Amis de la Terre (BUND Frankreich) beim Runden Tisch kann darüber nur spotten: „mit der Erwägung, den Anbau bis zum nächsten Frühling zu untersagen, wird nur das bestätigt, was jeder Landwirt längst weiß: Nämlich, dass es hier zwischen Oktober und März keinen Mais-Anbau gibt. Der Minister weicht somit der eigentlichen Frage eines Moratoriums aus. Er instrumentalisiert sogar diese Frage, um eine Debatte über das Gesetz möglichst schnell durchzuführen“.

Der Stand der Dinge Anfang Dezember 2007 zeigt, dass juristisch gesehen wenig konkrete verpflichtende Maßnahmen vom Staatsrat veranlasst worden sind... Es wurde lediglich ein Gesetzentwurf ohne jegliche äußere Beteiligung entworfen. Am 6. Dezember wurde zudem von der Regierung eine vorläufige Instanz einberufen. Sie soll mit Beteiligung der Zivilgesellschaft die Einberufung der Expertenkomission vorbereiten. Diese soll nämlich zukünftig für die Überprüfung von Gentechnik zuständig sein. Fraglich ist schon, wie transparent und vielfältig diese höhere Behörde gestaltet wird. Der Anbaustopp wurde ebenfalls ausgesprochen... und zwar - wie zu erwarten - bis März 2008!

Ob 2007 in den Köpfen als Wende-Jahr gegen die Gentechnik bleiben wird, ist fraglich. Es handelt sich bei diesem Grenelle wahrscheinlich wieder einmal um eine öffentliche Schein-Debatte, wie der Anbaustopp bis März es schon ahnen lässt. Wir müssen wachsam bleiben. Worte reichen nicht aus, die AktivistInnen wollen Tatsachen schaffen. Zahlreiche Aktionen sind in Vorbereitung, um den Druck auf die Regierung aufrecht zu erhalten. Damit sie sich nach dem Willen von über 80% der Bevölkerung richtet: Gentechnikfreier Anbau und Konsum.


übersetzt von Cécile Lecomte & Alexandra Fritzsch

Das Gesetz und weitere Infos auf Französisch unter: