2009-02:Campact - Zwischen strategischem Protest und gekonnter Selbstinszenierung

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Campact: Zwischen strategischem Protest und gekonnter Selbstinszenierung

Hanna Poddig Bei Aktionen mitzudenken, dass am Ende auch gute Bilder für die Presse rauskommen, ist für mich vollkommen logisch. Ab und an Aktionen zu machen bei denen es primär um das Bild für die Presse geht, halte ich auch noch für vertretbar. Eine Großorganisation hochzuziehen, die allerdings nichts weiter macht, als Spenden einzuwerben, um damit Festangestellte zu bezahlen, die nichts weiter tun, als Aktionen zu planen und komplett durch zu choreographieren, finde ich gefährlich. Aktionen, die dann auch wieder dazu da sind, weitere Spenden und Bekanntheit einzuwerben, um weitere Aktionen machen zu können und weitere Spenden einzuwerben etc. Das Ganze geschieht dann im Resultat nur noch als Selbstzweck.

Ein Vertreter von campact, nach Selbstdarstellung ein Online-Protest-Netzwerk, sagte in einem Interview:

"Es ist zentral für eine lebendige Demokratie, dass Leute in Gruppen aktiv werden und auf Demonstrationen gehen. Gleichzeitig gibt es aber viele Menschen, die nicht die Zeit oder die Motivation haben, Politik im realen Raum zu betreiben in Form von Demos oder Gruppentreffen, die aber durchaus bereit sind, mal eine E-Mail zu schreiben oder eine Petition zu unterzeichnen."

Es geht also campact überhaupt nicht darum, Menschen zusammenzubringen und sie zu befähigen, selber Aktionen zu machen. Die Leute klicken einmal etwas an und haben deswegen dann kein ganz so schlechtes Gewissen mehr, sonst nichts zu machen. Politisch aktiv sein, ist aber weniger eine Frage der Möglichkeiten, als des Wollens.

Ich erkenne an, dass Menschen, häufig gerade aufgrund des herrschenden Systems, kaum Möglichkeiten haben, sich zu engagieren. Dies gilt es aber zu thematisieren und zu ändern. Stattdessen nimmt campact diesen Zustand als gegeben an und bietet den Menschen konsumierbaren „Widerstand“ an.

Der damit suggerierte Widerstand stabilisiert das demokratische Herrschaftssystem aber wohl mehr, als dass solcher Protest an den Ursachen grundlegend etwas ändern kann. In sofern ist dem Campact-Vertreter leider Recht zu geben: Ein lebendiges demokratisches Herrschaftssystem braucht nützlich IdiotInnen, die Protest durch ihre Sinnlosspendensammelaktionen kanalisieren.

Von campact wird behauptet, es gäbe nun einmal Menschen, in deren Leben politische Aktivität nicht hineinpassen würde. Passivität lässt sich nicht mit Bequemlichkeit entschuldigen und auch nicht wegklicken.

Bestätigend geht es im gleichen Interview weiter:

"Viele ... lesen Zeitungen und regen sich über Entscheidungen in der Politik auf, haben aber nicht die Möglichkeit, sich einzumischen. Diesen Leuten geben wir die Möglichkeit, etwas zu tun."

Der Online-Protest lässt campact stark wirken und beschert der Organsiation viele Spenden. Damit werden dann Festangestellte bezahlt und Aktionen durchgeführt, die mit dem Ursprungsgedanken der direkten Aktion, also dem Eingreifen von Menschen in Abläufe, weil ihnen etwas nicht passt, wenig zu tun haben: Fertig gedruckte Transparente und eine genau durchgeplante Choreografie werden Leuten vorgesetzt, die dann in der Durchführung nichts weiter sind als StatistInnen, die ein Transparent halten dürfen oder mal einen fertig bedruckten Luftballon steigen lassen dürfen. Die immer gleichen SprecherInnen erzählen dann den Fernsehkameras, was für eine starke Aktion sie da gemacht hätten. Die einzelnen Aktiven vor Ort dienen dabei als Füllmaterial für die Fernsehbilder. Das ganze nennen die Macherinnen und Macher dann auch noch „kreativ“. Damit meinen sie wohl, dass die Protest-Inszenierungen ausreichend unterschiedlich sind, dass den eigenen Spender_innen nicht auffällt, was da gespielt wird.

Wenn dann auch noch suggeriert wird, hier würde es sich um eine Organisation handeln, die ehrenamtlich Aktive zusammenbringen und zu Aktionen motivieren würde, dann läuft es mir kalt den Rücken runter. Das passiert z.B. auf campact.de, wo es heißt:

"Verknüpft über den Campact-Newsletter ist in den letzten drei Jahren ein Netzwerk von derzeit 110.948 Menschen entstanden."

Ist campact wirklich ein Netzwerk? Laut eigenem Titel nicht nur eines, sondern gar „das online-Netzwerk politisch aktiver Menschen“. Gibt es hier eine echte Interaktion zwischen den verschiedenen Beteiligten? Ist die Struktur nicht vielmehr hierarchisch und vorgegeben und wird der Begriff des Netzwerkes nicht nur verwendet, weil sich das irgendwie besser anhört und die Leute dann mehr spenden und der Begriff Gleichberechtigung und Beteiligung suggeriert? Und wurden die Menschen, die irgendwann einmal eine Protestmail unterschrieben haben gefragt, ob campact in ihrem Namen sprechen darf?

Nicht nur gegenüber den „campact-Aktiven“ (als solches zählt, wer irgendwann in den letzten Jahren einmal etwas angeklickt hat) verhalten sich die Sprecher_innen von campact vereinnahmend. Auch der Rest der Bewegung wird zur eigenen Profilierung herangezogen. So geschieht dies zum Beispiel in einem Video, dass die „Geschichte eines Erfolgs“, nämlich die einer Kampagne zum Verbot von Gentechnik-Mais darstellt. Darin werden Aufnahmen aus einem halben Jahr Kampagne gezeigt und nicht mit einem einzigen Wort wird z.B. erwähnt, dass ebenfalls innerhalb dieses Zeitraumes, mehrere Feldbesetzungen stattgefunden haben und zahlreiche weitere Initiativen gegen Gentechnik gearbeitet haben. Es wird zwar nicht explizit behauptet, jedoch suggeriert, dass das Genmaisverbot einzig durch die Kampagne von campact durchgesetzt wurde. Andere Aktionsformen und Initiativen allerdings zu erwähnen, zu porträtieren und somit tatsächlich gemeinsam zu agieren, würde Spenden kosten und passiert deswegen nicht.

Abgesehen von der Frage, ob ein Genmaisverbot nun ein großer Erfolg oder nicht doch (wenn überhaupt) nur eine kurzfristige Teilverbesserung darstellt, ist das Video auch noch aus anderen Gründen kritisch. Ich möchte nur auf einen noch eingehen: Das Bild von campact als Netzwerk junger, attraktiver Menschen.

Solche Bilder erzeugen Illusionen, denn es wird so getan, als bestünde campact ausschließlich aus Menschen, die jung, selbstsicher und dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechend sind. Was ist mit Alten, Dicken, Kindern und Menschen im Rollstuhl? Widerstand wird chic und cool, gehört zum Lifestyle. Wer widerständig ist, kann damit im Umfeld punkten, weil es „schon irgendwie gut ist, sich auch für was einzusetzen“.

Widerstand ist keine Mode, sondern notwendig!

Quellen: