2009-03:Rezensionen Seite 11

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Rezensionen

jb


Lars Bretthauer
Geistiges Eigentum im digitalen Zeitalter
(2009, Westfälisches Dampfboot in Münster, 230 S.)
Der Kampf ums Copyright, um Lizenzen und (in anderen Branchen) Patente bietet gute Anschauung, um zu begreifen, dass die neoliberale Umgestaltung der Gesellschaft und freie Marktwirtschaft nichts mit dem Rückzug des Staates zu tun hat, sondern den autoritären Staat als Rahmensetzer und Waffe zur Durchsetzung von Profitinteressen braucht. Sicherung und Inwertsetzung von Eigentumsansprüchen gehörden zu diesen Bereichen des Staatshandelns, der Profitorientierung im Wirtschaftsleben er ermöglicht. Das Buch schildert die Entwicklung von Eigentumsrechten in der Filmbranche, den Kampf um Rechte und Kopien. Der Autor begreift die dahinterliegenden politischen Konflikte als Abbild sozialer Kämpfe und analysiert daher die Abläufe auf ihre Machtförmigkeiten hin.

Im Namen des Volkes?
Über die Justiz im Staat der DDR
(1996, Forum Verlag in Leipzig, 3 Bände, 168/284/320 S., 10/16,50/24,50 Euro)
Eine umfangreiche Untersuchung über Richtlinien, interne Debatten und viele konkrete Einzelfälle einer vom Staat gelenkten und Staats-/Parteiinteressen verfolgenden Justiz. Die Bände erschienen begleitend zu einer Ausstellung des Justizministeriums. Sie zeigen minutiös, wie intensiv sich politische Leitungsgremien in die Rechtsprechung einmischten - ohne jedoch vollständig und im Einzelfall die Urteil bestimmen zu können. Davon zeugen viel Protokolle, Notizen und Briefe, in denen sich Überwachungsapparate über RichterInnen und Urteile beschweren. Insgesamt zeigen die drei Bände, aufgeteilt in den Katalog der Ausstellungsstücke, einen Dokumentenband mit vielen Originalen und den wissenschaftlichen Begleitband mit Aufsätzen verschiedener Personen, dass die Justiz der DDR Teil der herrschenden Eliten war. Sie war eingebunden in die Machtapparate und von diesen abhängig. Gleichzeitig aber spielte sie ihre Rolle und beeinflusste das Gesamtgeschehen. Moderne Eliten haben keine allmächtigen Zentren, sondern sind Geflechte, in denen Interessen, Machtspiele und das Nebeneinander von Konkurrenzen und dem übergreifenden Interesse aller an der Weiterexistenz von Herrschaftsverhältnissen wirken. Für die Justiz der BRD wären solche Dokumentationen ebenso wichtig wie überfällig.

Hubertus Becker
Ritual Knast
(2008, Forum Verlag in Leipzig, 200 S., 13,80 Euro)
Erschütternde Binnensicht aus dem Knast. Minutiös beschreibt der Autor seine 20 Jahre eigener Hafterfahrung und analysiert Sinn und Unsinn der Haftstrafe. Zweifel bleiben nicht: Die riesigen Apparate des Vollzugs verschlingen Menschen und Ressourcen einer Gesellschaft, die sich durch die Aufrechterhaltung von Gefängnissen viele Probleme selbst schafft oder verschärft. Dieses "Schwarzbuch der Wirklichkeiten", wie es auf der Rückseite zutreffend heißt, könnte gerade verwöhnten BildungsbürgerInnen einige Flausen im Glauben an den Sinn der Justiz und ihres Tuns vertreiben.

Michael Pawlik
Der rechtfertigende Notstand
(2002, Walter de Gruyter in Berlin, 365 S., 145 Euro)
Der § 34 des Strafgesetzbuches fristet ein trauriges Dasein. Obwohl noch recht neu, wollen die RichterInnen von ihm nichts wissen. Schließlich schränkt er die Allmacht der RobenträgerInnen ein, denn "der rechtfertigende Notstand dient der 'freihändigen' Schließung von Lücken", wie es im Buch auf Seite 184 heißt. JuristInnen bestehen aber meist darauf, dass das Recht absolut und total ist. Dass es eine "begrenzte Ausnahme des Rechts von sich selbst" gibt, würden sie nie freiwillig einräumen. Daher wäre das Buch hilfreich, um die gottähnliche Stellung von RichterInnen ein Stück aufzubrechen. Allerdings taugt es dazu nicht, weil es zwar kompliziert, aber fast nie besonders klar geschrieben ist. Vorsichtig, aber verklausuliert ausgedrückt werden die verschiedenen Bereiche des rechtfertigenden Notstandes abgeklopft. Ein tatsächliche Ergebnis der Ausführungen ist dem Buch nicht zu entnehmen.

Haftbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland
(2009, Komitee für Grundrechte und Demokratie in Bonn, 165 S., 8 Euro
Der Band dokumentiert eine Tagung im September 2008. In ungewöhnlich klaren Worten wird die Grundlogik von Haft kritisiert. Die Vortragenden beleuchten dabei ebenso grundsätzliche Aspekte wie die konkreten Bedingungen heutiger Haftanstalten. Für alle, die mit glasigem Blick den Knast vor allem als "black box" für StraftäterInnen begreifen und keine Vorstellung von dem Teil der Gesellschaft haben, die jenseits der Mauern besteht, ist das Büchlein eine schöne Einführung. Im Band und auf der Tagung fehlen Statements von Personen, die aus dem Knast heraus oder von außen Aktionen organisieren. Das ist kein Zufall - zwischen bürgerlich-elitärem Protest, wie er sich hier versammelt - und AktivistInnen, die auch auf der Straße und, wie in diesem Fall, vor, hinter und auf den Mauern ihre Position verdeutlichen, finden sich Gräben der Abgrenzung.