2013-03:Die Macht des Verpfeifens

Aus grünes blatt
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Die Macht des Verpfeifens zum Schutz vor Herrschaft durch Staaten und Unternehmen

kardan kardan Wissen ist Macht und Informationen bestimmen unser Leben. Whistleblower sind das Zünglein an der Waage und daher für eine freiheitliche Gesellschaft äußerst wichtig. Die Veröffentlichung von geheimen Informationen führt nicht zwangsläufig zu mehr Freiheit oder direkten Verbesserungen, doch es ermöglicht Menschen, bessere Entscheidungen zu treffen. Der Einfluss hängt davon ab, wer anschließend auf welchen Machtebenen punkten kann.

Sind es gesellschaftlich geprägte, moralische Gründe, die Menschen dazu bringen, Geheimnisse zu veröffentlichen? Was ist der Antrieb, Unternehmensrichtlinien oder staatliche Gesetze zu verletzen? Wie relevant müssen Informationen sein, um dafür die Loyalität des eigenen Freundeskreises oder Berufsumfelds "auf's Spiel" zu setzen?

Die Antworten sind individuell unterschiedlich, doch vermutlich gibt es übergeordnete ethische Kategorien, nach denen Menschen entscheiden, dass ein Missstand so schwerwiegend ist, dass alle davon wissen sollten. Oftmals ist der Akt der Veröffentlichung mit Repression verbunden, doch das hält viele nicht ab, "das Richtige" tun.

Es gilt als ehrbar, Hinweise zu geben, wenn die Öffentlichkeit negativ betroffen ist, und als verwerflich, wenn dabei Personenrechte verletzt werden. Die sprachliche Vielfalt als Abschreckung vor dem Ausplaudern zeigt die ausgeprägte Tradition, Denunzianten, Nestbeschmutzer, Verpfeifer, Petzen zu diskreditieren. Doch welches Wort kann die positive Komponente des englischen "whistleblowing" (blow a whistle - eine Pfeife pusten) adequat übersetzen? Britische Polizisten nutzten früher Trillerpfeifen, um Gesetzesbrüche öffentlich anzuzeigen. Fabriksirenen beenden eine Arbeitsschicht und Schiedsrichter pfeifen bei Regelverstößen zum Unterbrechen eines Spiels. Auch Pfui-Rufe bei öffentlichen Reden, um z.B. Lügen aufzudecken, sind uns vertraut.

Öffentlich Alarm zu schlagen ist heute nicht mehr nur einer priviligierten Minderheit vorbehalten, denn im Informationszeitalter kann das Verschicken einer Nachrichten von einem Moment auf den anderen das Denken und Handeln von Millionen anderen beeinflussen, sofern sie relevant genug ist. Meine These: Wenn lückenlos nachgewiesen wäre, was Geheimdienste mit unserem Geld treiben, würden Menschen keine Steuern mehr zahlen.

unklare Rechtslage

Es ist ein Gradmesser für die Repressivität von Gesellschaften, wie das öffentliche Reden von Missständen, die alle oder viele betreffen, verfolgt wird. In der DDR gab es die „Gummiparagraphen“ §§ 245, 246 „Geheimnisverrat" für die Weitergabe von Informationen über die Situation der DDR an westliche Medien". Doch auch heute müssen wir nicht in der Ferne Rußlands schweifen, um ähnliche Gesetze zu finden. Auch wenn Verstöße gegen Schweigeklauseln meist nur zur Entlassung führen, gibt es in der BRD den Straftatbestand des Landesverrats (§ 94 StGB) für die Preisgabe von Staatsgeheimnissen (Spionage). Obama baute die Whistleblower-Gesetze zwar aus, verfolgte jedoch mehr Personen, die geheime Informationen veröffentlich hatten, als jeder vorherige Präsident.

Wenn von öffentlicher Sicherheit die Rede ist, geht es um den Schutz staatlicher Einrichtung und profitabler Infrastruktur vor den Bürgern, nicht darum, dass Menschen gefahrlos leben können. Sonst gäbe es keine Atomkraftwerke. Daher kann die geltende Rechtssprechung nur bedingt entscheidend sein, wenn Menschen ihrem Gewissen folgen, um Verschwörungen aufzudecken.

"Öffentliche Daten nutzen, private Daten schützen", das Motto des Chaos Computer Club, ist nicht nur Hackern Ansporn und Ethik für den Umgang mit "geleakten", also evtl. auf illegalem Weg erworbenen, Informationen. Zum Schutz vor Persönlichkeitsrechten ohne personenbezogene Daten, denn z.B. das Veröffentlichen von privaten Mails gilt als schlechter Stil.

Diskursmacht

Wer den wirkungsvollen Hebel der (Online)Medien bemüht, erwirkt nicht zwangsläufig eine sofortige Unterbrechung, aber ggf. das Anwerfen der Repressionsmaschinerie durch Betroffene und/oder bestenfalls öffentliche Aufmerksamkeit: Der Twitter-#Aufschrei über sexistische Äußerungen von Rainer Brüderle fand beispielsweise Eingang in Printmedien und selbiges Schlagwort ('Hashtag) wird seither immer wieder für Enthüllungen genutzt. Diskurse können je nach medialer Steuerung zur gewünschten Verhaltensänderung führen, laufen aber Gefahr durch Personalisierung, also Ablenkung auf persönliche Details der Kritik äußernden Person(en), im Sande zu verlaufen.

Bei Unternehmen und Behörden sind Lügen und Vertuschung ein Reflex, wenn es um das Aufdecken von Missständen geht. Die Glaubwürdigkeit ihrer Vertreter in der Öffentlichkeit tendiert gegen Null, solange Aussagen nicht mit eindeutigen Fakten belegt werden können. Daher ist die Veröffentlichung interner Dokumente fundamental, um überhaupt qualifizierte Aussagen über Organisation zu machen.

Oftmals werden erschreckende Sachverhalte als Verschwörungstheorie abgetan. Das heißt im Grunde nicht viel mehr, als dass sich Menschen abgesprochen haben und anderen nichts darüber erzählen. Das passiert auf jedem Vorstandstreffen. Also kein Grund zur Panik. Theorien darüber sind nicht schlecht, solange sie auf Fakten beruhen. Also besser genau hinsehen, wovon mit dem Ausruf "Verschwörungstheorie!" abgelenkt werden soll und warum.

Fazit

Das Zurückhalten von Informationen ist typisch für streng hierarchiche Zusammenhänge. Wer in einer freien auf Kooperation basierenden Welt leben will, teilt Informationen, auch wenn dies gegen geltende Gesetzte verstößt oder Machthabenden missfällt. Öffentlich darüber zu sprechen und dagegen einzutreten, ist essentiell, um das heimliche Erstarken gewalttätiger Strukturen aufzuhalten.

bekannte Hinweisgeber

Daniel Ellsberg

Die durch ihn veröffentlichten Pentagon-Papiere bewiesen Lügen von US-Regierungen seit Truman - deren Intention, ein unabhängiges Vietnam um jeden Preis zu verhindern. Der Artikel der New York Times (NYT) deutete auf ein Leck im Weißen Haus hin und Präsident Nixon setzte seinen CIA-Spür-Hunt darauf an. Was folgte, waren erhebliche Amtsmissbräuche, die als Watergate-Affäre in die Geschichte eingingen und den prominentesten Whistleblower des 20. Jahrhunderts vor einer Verurteilung zu 115-jähriger Gefängnisstrafe bewahrten.

Der Prozess über Nixons eilgerichtliches Verbot zur Veröffentlichung des NYT-Atikels, sowie Ellsbergs geschicktes Vorgehen, 19 andere Zeitungen einzubeziehen, machten ihn über Nacht zum Star der Öffentlichkeit und hatte ähnlich wegweisenden Charakter für die Meinungsfreiheit in den USA wie die Spiegel-Affäre von 1962 in Deutschland. Dabei hatte Conrad Ahlers mit dem Artikel "Bedingt abwehrbereit" auf Basis der Resultate des NATO-Manövers Fallex 62, das Verteidigungskonzept der Bundeswehr unter Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß in Frage gestellte was massive Repression nach sich zog. Konrad Adenauer sprach im Bundestag von einem "Abgrund von Landesverrat“.

Edward Snowden

Ähnlichen Einschlag erreichten Snowdens Enthüllungen über die NSA, die weltweite Entrüstungen und monatelang anhaltende Debatten auslösten. Paradoxerweise führte dies zum Aufstocken des Überwachungsetats um 75 Millionen US-$, damit sich die NSA in Zukunft besser vor Whistleblowern schützen kann. Empört ist auch die Bundesregierung, da sie trotz der laut General Alexander "großartigen BND-Arbeit in Afghanistan" (geheimerkrieg.de) nicht in den inneren Kreis eingeladen wurde.

William Binney

Nachdem er merkte, dass seine Entwicklungen gegen US-Bürger eingesetzt werden, entschied sich NSA-Veteran und technischer Direktor des streng geheimen "Stellar Wind"-Überwachungsprogramms, an die Öffentlichkeit zu gehen und macht seit 2007 darauf aufmerksam, dass es unter Bush/Cheney eine Verschwörung der Geheimdienstchefs gegeben habe zum "Aufbau des Überwachungsstaates als schlüsselfertige Lösung für Totalitarismus" und die USA von einem Staat im Staat regiert werden.

Thomas Drake

Der 11.09.01 war sein erster Arbeitstag bei der NSA und machte ihn zum kritischen Mitwisser an den Überwachungsprogrammen ThinThread und Trailblazer. Während der 9/11-Untersuchung wies er interne Fehlentscheidungen nach und war Hauptquelle des Berichts von Roark, Binney, Wiebe und Loomis, der 2007 zu Hausdurchsuchung "im russischen Stil" führte. Drakes öffentlich Auftritte motivierten Snowden zu seinen Enthüllungen.

James Rosen

Nach Veröffentlichungen von Associated Press von Mai 2013 wurde der FoxNews-Journalist Rosen als mutmaßlicher "krimineller Mitverschwörer" von Stephen Jin-Woo Kim auf Anordnung von US-Justizminister Eric Holder 2012 "exzessiv überwacht" (E-Mails, Telefon). Anstoß war die Einleitung eines 2009 veröffentlichten Artikels: "US-Geheimdienste warnten Präsident Obama, dass Nordkorea die aktuelle Passage des UN-Sicherheitsrats, welcher das kommunistische Land für kürzliche Nuklearraketentests verurteilte, mit weiteren Atomtests beantworten wolle". Das öffentliche Echo war ähnliche Empörung wie bei der Bespitzelung von Andrea Röpke und sieben Journalisten durch den niedersächsischen Verfassungsschutz.

Sibel Edmonds

wies von September 2011 bis März 2012 als FBI-Übersetzerin hartnäckig Fälle von Inkompetenz und Korruption gegenüber Vorgesetzten nach. Sie zeigte vor dem US-Kongress, dass Al-Quaida zu 95% mit Geld aus Opium-Handel aus Afghanistan über die Türkei finanziert werde, der zur Deckung von 95% des euopäischen Heroinbedarfs diene. Als im Oktober 2002 bei Anhörungen ihre Aussagen durch FBI-Dokumente bestätigt wurden, deklarierte Justizminister John Ashcroft, Berfürworter von Nixons "War on drugs", mit Edmond in Verbindung stehende Unterlagen als "streng geheim" aus "Gründen der nationalen Sicherheit". In Videointerviews und Onlineartikeln deckt sie seit dem CIA-Ausbildungen in Tschetschenien und die Rolle des American-Turkish-Council (ATC) bei der (Atom)Waffen-Proliferation auf. In der Dokumentation "Kill the messenger" bestätigte ex-CIA-Offizier Philip Giraldi viele ihrer Enthüllungen und wies auf Isreals Beteiligung hin.

Philip Giraldi

2005 beschuldigte Philip Giraldi Dick Cheney, die Firma STRATCOM mit der Vorbereitung eines "Ausweichplans als Antwort auf einen weiteren Anschlag im Stil des 11.9.01" "mit großflächigem Luft-Bombardement des Iran durch konventionelle und taktische Nuklearwaffen" beauftragt zu haben. 2009 legt er Rupert Murdoch zur Last, wiederkehrend Falschinformationen von Israels Geheimdienst Mossad über Atomexperimente des Iran in Umlauf zu bringen. Als Antwort auf den Vertrag zur Begrenzung der Atomanreicherung im Iran bedankte er sich vor einigen Tagen für die friedensbringenden Entwicklungen und kritisierte Bill Kristol, der im Weekly Standard für einen Erstschlags Israels wirbt - mit Hinweis auf die Schlacht von Gettysburg als Motto: "etwas Blut zu vergießen ist manchmal notwendig, um das Richtige zu tun."

Chelsea Manning

Im August wurde Chelsea Manning durch ein Militärgericht zu 35 Jahren Haft verurteilt. Grund ist die Veröffentlichung von US-Kriegsverbrechen im Irak unter Bush. Trotz des Versprechen, Guantanamo zu schließen und obwohl nachweislich kein Soldat durch die Veröffentlichg Mannings zu Schaden kam, setzt Obama Menschenrechtsverletzungen fort und beweist, den Stellenwert der Wahrheitssuche in USA.