2015-02:Wald, Wiese, WAA

Aus grünes blatt
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Wald, Wiese, WAA - Die drei W's des rheinischen Braunkohlereviers

Tim Nachdem bereits in der letzten Ausgabe ausführlich über den Hambacher Forst und die WAA (Werkstatt für Aktionen und Alternativen) berichtet wurde, gibt es hier wieder einen kleinen Überblick über die vergangenen Monate und die aktuelle Situation.

Die drei W's (Wald, Wiese, WAA) sind von einem ständigen Auf und Ab gezeichnet. Menschen kommen und gehen. Sie füllen die Räume mit ihren Ideen, Wünschen und Bedürfnissen. Erst werde ich auf die einzelnen Orte eingehen und zum Schluss einige Zusammenhänge beschreiben. Die Orte sind nicht nur geografisch und geschichtlich miteinander verknüpft, sondern auch in ihrem Kampf. Sei es die Ablehnung der Braunkohleverstromung oder auch die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel und der Idee eines herrschaftsarmen (wie es aus reflektierter Sicht genannt werden muss, da Herrschaft in vielen Facetten unseres Lebens vorhanden ist) Zusammenlebens. Hier eine Zusammenfassung, was sich seit dem ereignet hat.

Die WAA

Es sah vor ein paar Monaten mal wieder nicht so gut für die WAA in Düren aus. Was hat sich seit dem getan? Die Idee eines Träger_innenkreises wurde in den Raum geschmissen. Dieser soll als Gesamtes die Verantwortung für den Erhalt der WAA tragen und damit ihr langfristiges Fortbestehen absichern. Der Träger_innenkreis hatte jetzt seine ersten Treffen und ist im Aufbau begriffen. Außerdem haben sich neue Menschen der WAA zugewandt und füllen diese gerade vor Ort mit neuer Energie.

Es wurden die Räumlichkeiten für den Infoladen und Umsonstladen her-gerichtet und im März eröffnet. Die beiden sind jetzt jeden Mittwoch ab 17 Uhr und meist mit der Bereitstellung von Kuchen, Kaffee und Tee geöffnet. Einhergehend mit dem Ausbau der Räumlichkeiten wurden die ersten Veranstaltungen und Camps in der WAA seit langem organisiert. Gruppen und Einzelpersonen nutzen die Räumlichkeiten für ihre Zwecke.

So fand ein AKT (Aktions-Kletter-Training) vom 6. bis zum 12. März statt. Darauf gefolgt fand das Frühlings Skillsharing Camp vom 6. bis 12. April in der WAA und dem Hambacher Forst statt. Währenddessen fingen Gärtner_innen an, die schon bestehende Gartenfläche zu erweitern. Im Garten wird fast ausschließlich biologisches Saatgut verwendet. Beet um Beet wuchs dieses Projekt und mit ihm auch alles um es herum. Während der Bauwoche vom 13. bis 19. April wurde angefangen, die Fassadeflächen zu grundieren und darauf zu bemalen. Die Farben geben dem zuvor eintönig-grauem Gebäude einen neuen Flair.

Es wurde mit Siebdruck gearbeitet, im Garten gewühlt und die durch den Wind beschädigte Solarthermie wieder aufgebaut. Abends fanden die Tage bei Lagerfeuer und leckerem Essen ihren Ausklang. Es kam auch zu der ein oder anderen Diskussion, mitunter zum Thema offener Raum. Der gesteckte Anspruch einer Bau- und Infowoche mit neuen potentiellen Nutzer_innen und Unterstützer_innen und einem regen Austausch über die Zukunft der WAA wurde aber nicht erreicht.

Der Infoladen in der WAA

Immer wieder werden Aktivist_innen festgenommen und auf Polizeiwachen gebracht. Um mit diesen solidarisch zu sein wird sich an „Veranstaltungen“ vor der Polizeiwache beteiligt.

Das mediale Auftreten hat sich auch verändert. Der Internetblog wird gepflegt, Flyer wurden gedruckt und fleißig verteilt. Hinzu kommt die Inbetriebnahme der Button-Maschine und des mobilen Infotisches. Dieser wird zu Veranstaltungen in der Region mitgenommen.

Durch die Möglichkeit der Nutzung der Werkstatt hat sich auch so einiges getan. Ein mobiles Solarmodul wurde gebaut, Schweiß- und Fahrradworkshops wurden angeboten und genutzt.

Es muss sich aber eingestanden werden, dass die WAA noch lange nicht "über den Berg" ist. Es fehlt an Menschen, die sich im Träger_innen-kreis beteiligen oder sich anderweitig einbringen – ob in der Organisierung von Veranstaltungen, Planung und Ausführung von Baustellen, finanziell oder was einer_m noch so einfällt.

Die Wald- und Wiesendörfer im Hambacher Forst

Über den Winter wurden auch in den Bäumen und auf der Wiese die Räumlichkeiten weiter ausgebaut. Einige der immer mehr werdenenden Hütten in der Höhe wie auf dem Boden sind inzwischen auch beheizbar.

Medial fing das Jahr 2015 um den Tagebau Hambach mit Berichten von Sabotageaktionen an; zum Einen an Maschinen der Dürener Rohrleitungsbau GmbH, zum Anderen an der Stromversorgung der Kohlebahn.

Die für die gesamte Rodungszeit (Oktober bis März) angesetzte Kampagne „Kein Baum fällt“ war stark von Blockaden, Verletzungen und Repressionen gezeichnet. Sie kostete viel Kraft und Nerven, gab aber auch neue Power und Entschlossenheit und führte zur Neuorganisierung im Kampf um den Hambacher Forst.

Einen starken Start in den Frühling stellte dann die Besetzung des ca. 60m hohen Schaufelradbaggers 282 im Tagebau Inden am 15. März dar. Wie nach fast jeder Blockade kam es auch hier zu Gewahrsamnahmen durch die Polizei. Also ging es wieder einmal mit warmen Tee, Transparenten, Essen und Kreide zur Polizeistation in Düren. Die Zeit wurde genutzt, um weiter medial auf die Braunkohle-verstromung und den Klimawandel aufmerksam zu machen. Radiobeiträge, Artikel in Zeitungen und das Verteilen von Flyern an Passant_innen stärkten das öffentliche Auftreten.

Den Auftakt zum Skillsharing Camp bildete das Wald statt Kohle Festival, das am 4. und 5. April stattfand. An diesen Tagen traten teils akustisch, teils elektronisch verstärkt, Musiker_innen auf. Ca. 70 Menschen beteiligten sich an diesem Festival und gestalteten wärenddessen diesen Raum mit.

Am ersten Tag des Skillsharing Camps wurde ein_e Aktivist_in vom RWE Sicherheitspersonal festgenommen. Ihr zu Hilfe eilende Aktivist_innen wurden mit Pfefferspray abgedrängt. Die Polizei nahm zwei Aktivist_innen fest. RWE stellte dies als Versuch einer Baggerbesetzung dar, was die Presse prompt kopierte. Als bekannt wurde, dass die Festgenommenen auf die Polizeiwache in Düren verschleppt werden, wurde kurzerhand der Haupteingang der Polizei besetzt. Transparente wurden aufgehangen und die fünf ca 2,50m hohen Säulen vor der Wache besetzt. Bis spät in die Nacht zog sich dies hin, bis die Aktivist_innen frei waren.

Soliaktion vor der Dürener Wache

Im Wald wurden die Wege weiter durch Barrikaden verstärkt. Eine der Barrikaden wurde zu einer „Wohnung“ mit zwei Etagen ausgebaut, in der Menschen sich aufhalten konnten. Eine Technik die bei der Besetzung von Grubenblick wärend der „Kein Baum fällt“ Kampagne erprobt wurde.

Auf der Wiese wurden Gärten angelegt und an den Hütten rumgebaut. Ein neues Rundhaus befindet sich im Entstehungsprozess.

Am 14. April wurden die Gleise der Hambachbahn durch einen Tripod (dreibeiniger Turm) und sitzende Aktivist_innen über Stunden blockiert. Als diese fast geräumt waren, ketteten sich zwei Aktivist_innen an den Gleisen fest. Die Polizei benötigte wieder Stunden und trennte die Gleise an zwei Punkten. Dadurch konnten die Aktivist_innen zusammen mit dem Lock-on aus dem Gleisbett geholt werden. Die Lock-ons wurden dann neben den Gleisen geöffnet. Wieder ging es zur Polizeiwache in Düren. Diesmal hatte die Polizei bereits Kräfte vor der Wache positioniert. Es wurde sich die gegenüberliegende Fläche genommen um Transparente aufzuhängen. Nach kurzer Zeit waren alle wieder draußen.

Auch am 28. April kam es zu einem Polizeieinsatz im Hambacher Forst, beauftragt vom Landesbetrieb für Wald und Forst NRW - Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft. Es wurden Barrikaden und der Igel, wie die bewohnte Barrikade genannt wurde, geräumt. Im Igel hatte sich ein_e Aktivist_in festgekettet. Dieser wurde dann von einer Polizeiwache zur nächsten gebracht und landete letztendlich in Köln Kalk in U-Haft. 24 Stunden später konnte die Person nach dem Zahlen einer Kaution wieder unter uns weilen.

Einmal im Monat finden jeweils ein Waldspaziergang und die "Köln goes Wald"-Fahrradtour statt. An dem Waldspaziergang beteiligten sich bis zu hundertzwanzig Menschen.

Nun wurde bekannt, dass Mitte Mai ein Prozess in Aachen stattfinden soll, in dem es praktisch um eine sofortige Räumung der Wiese geht.

Der Winter und mit ihm die Erlebnisse wärend der "Kein Baum fällt"-Kampagne hat seine Spuren hinterlassen, psychisch wie physisch. Dazu kommt das Gefühl von Ohnmacht: Vom Zusehen, wie trotzallem der Boden und Wald dem Tagebau Hambach weicht; außerdem durch Räumungen durch die Polizei und Angriffe von Sicherheitsdiensten. Die Klagen, Festnahmen und Versuche der Vereinnahmung durch politische Parteien zeichnen den Kampf. Dies sollte den Menschen die hier kämpfen bewusst sein. Es sollte sich mit seiner Geschichte auseinandergesetzt werden, um das Heutige aus einem anderen Blickpunkt zu sehen.

Die drei W's

Die Situation um Wald, Wiese und WAA führte in einigen Punkten zum Ansprechen von Problemen und Austausch von Ideen und Zielen für diese Orte. Z.B. geht es darum, wie das öffentliche Autreten weiter zu gestalten wäre. Es fanden in Zusammenarbeit AKT, Skillsharing Camp, Bauwoche und die Beteiligung an Veranstaltungen von externen Gruppen statt. Z.B. der libertäre 1. Mai in Köln, die Critical Mass oder das antifaschistische Festival in Düren. Das Motto ist klar: „Kämpfe verbinden“. Solidarität soll nicht nur auf dem Blatt existieren, sondern auch real gelebt werden. Auf dieser Grundlage werden in unterschiedlichsten Formen diese drei Orte mitgestaltet. Durch die Aktivitäten, die das Resultat der Lebenseinstellungen sind, ist auch in Zukunft mit weiterer Repression zu rechnen. Dem gilt es, sich auf unterschiedliche Weise entgegen zu stellen. Sei es vor der Polizeiwache, durch Briefe in den Knast, das Sammeln von Geldern oder das Organisieren neuer Aktionen - um nur ein paar Möglichkeiten zu nennen.

Es wird aufgerufen, die Entwicklungen um den Prozess in Aachen am 21. Mai weiter zu verfolgen und gegebenenfalls zu einer Wiederbesetzung getreu dem bewährten Motto „Tag X+4“ (vier Wochen nach der Räumung wird wiederbesetzt) aktiv zu werden.

Auch wenn all diese Prozesse und Entwicklungen leicht zu beschreiben scheinen, sind sie eigentlich viel komplexer. Sie sind von unterschiedlichster Intensität und Eigeninitiative geprägt. Es darf da nicht vergessen werden, dass es drei unterschiedliche Orte bleiben. Der Versuch einer Darstellung ihrer könnte und wollte niemals alle repräsentieren, die an diesem Kampf beteiligt sind. Ein neuer Wind weht.

"Do It Yourself" - die WAA-Wand gibt ein, gerade für offene Räume, grundlegendes Motto wieder

Zum Schluss

Beteiligt euch mit an dem Kampf gegen Umweltzerstörung und Herrschaft. Der Klimawandel macht nicht am Gartenzaun halt. Wir wollen auf diesem Planeten leben. Also sollte jeder etwas dafür tun. Stellt euch die Frage: Was hat der Kampf den ihr führt mit dem der drei Wś zu tun? Findet Anknüpfungspunkte und lasst es uns als einen Widerstand verstehen. Unterstützt die von Repression betroffenen Menschen weltweit und zeigt euch solidarisch.

Ich bin hier noch nie aus der Polizeizelle gekommen und stand alleine da. Es gibt mir Kraft, Schutz und die Zuversicht nicht alleine zu sein nach dem Erlebten dort drin. Ein „Leitsatz“ den ich lernte, als ich im Hambacher Forst ankam.