2016-01:Reclaim The Cape - Camp und Aktionswoche

Aus grünes blatt
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Aktionsbericht:

Reclaim The Cape

Camp und Aktionswoche



reka In der Nähe von Pyhäjoki, einem kleinen Ort an der Westküste Finnlands, möchten die beiden Energiekonzerne Fennovoima und Rosatom ein neues AKW bauen. Dafür haben sie inzwischen schon einen großen Teil eines Naturschutzgebietes zerstört, um die Baumaßnahmen vorzubereiten, für die sie noch gar keine offizielle Genehmigung haben.

Aber dagegen regt sich Widerstand und seit nun einem Jahr gibt es ein widerständiges Camp, wo Aktivist*innen mittels Besetzungen und anderer Aktionen gegen die Naturzerstörung und den Bau des AKWs protestieren. Seit der Gründung wurde das Camp auch schon mehrmals von Cops geräumt, aber immer wieder neu errichtet und ist nach der Menge an Polizeiberichten die längste Kampagne mit Aktionen zivilen Ungehorsams in der Geschichte des politischen Aktivismus in Finnland.

Um den Widerstand zu stärken und auf eine noch größere Basis zu stellen, gab es ab Mitte April eine Aktionswoche unter dem Motto „Reclaim The Cape!“, wo Aktivist*innen aus ganz Finnland, Europa und der Welt angereist sind, um bei gemeinsamen Workshops und Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen die Pläne von Fennovoima und Rosatom zu protestieren.

Zu den global Players

Fennovoima ist ein finnischer Energiekonzern, der das AKW unbedingt bauen möchte, dem aber das technische und finanzielle Know-How fehlt, das alleine zu tun. Deshalb war ursprünglich der deutsche Energiekonzern EON mit im Boot. Dieser kehrte allerdings 2012 der Atomenergie den Rücken und stieg daher unter Anderem auch aus diesem Projekt aus. Ein neuer Financier fand sich in Rosatom, einem russischen Energiekonzern in Staatshand, der als einziger Konzern auf dem Weltmarkt die komplette Palette an Produkten der Atomindustrie anbietet, von ziviler Energie- bis zur Waffenproduktion. Die Führung des Konzerns besteht aus neun von Putin persönlich ausgewählten Menschen; Rosatoms Projekte sind bekannt für große Verspätungen, Mafiaverstrickungen und Unfälle.[1].

„Reclaim The Cape!“

Die Aktionswoche „Reclaim The Cape!“ begann am Freitag, dem 22. April, wobei auch schon einige Tage und Wochen vorher Sabotageaktionen wie Blockaden und ähnliches stattfanden. Während der Aktionswoche gab es viele Workshops zum Skill-Sharing, Input über die aktuelle Situation und Hintergründe zum Projekt. Ziel war es, alle für den großen Aktionstag am 26. April, Tschernobyl-Gedenktag, vorzubereiten, denn dieser sollte mit einer Massenaktion des zivilen Ungehorsams begangen werden.

Dabei wurden vielfältige Aktionsformen kombiniert. Einerseits gab es eine Demonstration zur Baustelleneinfahrt, die mit einer mehrstündigen Blockade der Zufahrtsstraße endete. Dabei war ein wichtiges Element die Clowns Armee, die zur Entspannung der Situation mit der Polizei beitrug, da diese durch die für finnische Verhältnisse große Aktion (ca. 80 Menschen) sehr nervös und somit gewaltbereit war. In den Tagen zuvor kam es beispielsweise während einer Lock-On-Aktion zum Taser-Einsatz (Elektroschocker) gegen den/die Angekettete/n, was im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein kann. Die Clowns Armee war als Puffer zwischen Blockade und Cops sehr hilfreich, sodass die Blockade nicht einfach schnell brutal geräumt werden konnte, sondern sich das Ganze über viele Stunden hinzog.

Kreative Antirepression

Die Blockade wurde dann am Nachmittag aufgelöst, nachdem die meisten Teilnehmer*innen paarweise in Polizeigewahrsam zur nächsten Wache abtransportiert worden waren, wobei sich z.B. eine Person im Polizeiauto von innen mit Sekundenkleber an die Scheibe klebte oder andere in der Zelle mit Margarine Slogans an die Zellenwände schrieben: „Stop Fennovoima!“, „System change, not climate change!“. Außerdem gab es Mut-Zurufe beim Treffen im Gang zwischen den Zellen.

Während die Cops also mit der Blockade beschäftigt waren, gelang es militanten Kleingruppen andererseits das Gelände zu stürmen und durch Sabotageakte Sachschaden im Wert von ca. 500.000 EUR (laut Fennovoima PM) zu verursachen. Dabei kam es nur zu fünf Festnahmen.

Repression

Bei der Blockade kam es zu 38 Festnahmen, wobei die Aktivist*innen 24-Stunden gefangen gehalten und ED-behandelt wurden. Da die lokalen Polizeistrukturen nicht für solche Massenfestnahmen ausgelegt sind, wurden die Betroffenen zu viert in Einzelzellen gesteckt, mit jeweils einer halben Decke und einer halben Matratze, wenn sie Glück hatten.

Auch zu Abschiebungen in Folge der Festnahmen kam es, die damit begründet wurden, dass die ausländischen Aktivist*innen eine „Gefahr für die finnische Gesellschaft (engl. Original: a threat for the Finnish society)“ darstellen. Die restlichen Gefangenen wurden mit Geldstrafen entlassen, die sich natürlich weigern werden, zu zahlen.

Dienstag Abend kam dann ein Polizeitrupp am Camp vorbei, warf den Tripod um und zerstörte die Barrikaden, die aber flugs wieder aufgebaut wurden.

Nachdem der Mittwoch zur Auswertung und (Ein-)Sammlung unserer Genoss*innen und Kräfte genutzt wurde, gab es am Donnerstag weitere Aktionen wie Lock-Ons etc.[2]

Daraufhin wurde nachmittags das Camp von Riot-Cops gestürmt, die mit Gummi-Geschossen auf Aktivist*innen und Infrastruktur schossen, die dann versuchten in den Wald zu flüchten. Das Camp und die Infrastruktur wurden komplett zerstört, Aktivist*innen verletzt und teilweise (wieder) in Gewahrsam genommen. Auch die belgischen Genoss*innen der Küfa wurden beschossen und in Haft genommen. Die Cops versuchen ihnen jetzt anscheinend, ein brennendes Polizeiauto anzuhängen. Dazu kommen Abschiebungen weiterer Aktivist*innen, die mit einer mindestens einjährigen Verbannung aus Finnland einhergehen. Auf diese Weise versucht der Staat, unsere internationale Solidarität zu unterminieren, was ihm natürlich nicht gelingen wird.

Call for support

Der Kampf geht weiter! Nun wird unbedingt Unterstützung benötigt, um das Camp wieder aufzubauen und den Protest fortzuführen! Wer es also irgendwie möglich machen kann, sich etwas Zeit frei zu schaufeln und unsere finnischen Genoss*innen zu besuchen, sollte dies tun. Denn wann hat mensch schon mal die Möglichkeit, den Neubau eines AKW zu verhindern? Hier stehen die ja alle schon, so dass mensch nur noch für die Abschaltung und Stilllegung kämpfen kann.

Statement aus dem Protestcamp nach der Zerstörung der Infrastruktur durch die Polizei: „We don’t accept giving into repression and police violence, and the struggle against Fennovoima will continue.“