2016-01:Tausende Aktivist*innen legen Tagebau still

Aus grünes blatt
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Break Free from Fossil Fuels

ENDE GELÄNDE! - Tausende Aktivist*innen legen Tagebau still

reka Laut Wetteraufzeichnungen des letzten Jahres wurden wieder alle Hitzerekorde gebrochen. Aber auch dieses Jahr 2016 wird alle bisherigen Rekorde brechen, denn schon im April haben die globalen Temperaturen alles vorherige in den Schatten gestellt. In Paris wurde zwar endlich ein neues Klimaschutzabkommen von den Herrschenden beschlossen, aber da es nicht weit genug geht, um den Klimawandel wirklich ernsthaft etwas entgegenzusetzen und weil es natürlich das Grundproblem des kapitalistischen Systems nicht löst, sondern bestehende, ausbeuterische Verhältnisse zu Gunsten der Reichen nur weiter zementiert, haben sich Menschen der Klimabewegung zusammengeschlossen und die Kampagne „Break Free from Fossil Fuels" ins Leben gerufen.

„System change! Not climate change!“

ist einer der Rufe der internationalen Aktionswochen „Break Free from Fossil Fuels", die vom 3. bis zum 16. Mai 2016 stattfanden. Dabei leisteten Menschen auf sechs Kontinenten mittels Aktionen zivilen Ungehorsams Widerstand gegen den Abbau und die Verbrennung fossiler Energieträger, denn um die globale Erwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen, müssen weltweit 80 Prozent der fossilen Energieträger im Boden bleiben. Mit 20 direkten Aktionen und über 30.000 Teilnehmenden weltweit ist es eine der erfolgreichsten Kampagnen der Klimabewegung in den letzten Jahren.

Es gab Blockaden unter anderem des weltgrößten Kohlehafens in Newcastle/Australien, des Pecém Kohlekraftwerks in Brasilien, Englands größten Tagebaus in Wales, einer Kohleabfallhalde in Izmir/Türkei, einer Ölraffinerie in Washington/USA und im kanadischen Vancouver demonstrierten hunderte Menschen in Kayaks gegen die Verschiffung von Öl, das mit schlimmsten Umweltfolgen aus Teersanden (siehe auch Artikel S. 20) gewonnen wird.

Mit der Massenaktion „Ende Gelände" hat sich auch die hiesige Klimaschutzbewegung an den Protesten beteiligt, wobei durch die Aktions-Teilnahme von mindestens 1000 Menschen aus ganz Europa der internationale Charakter auch in die Lausitz getragen wurde.

Insgesamt haben mehr als 3500 Aktivist*innen über Pfingsten den Tagebau Welzow-Süd im Lausitzer Braunkohlerevier stillgelegt sowie das Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe durch Besetzungen und Blockaden der Kohlebahnen zum Herunterfahren gezwungen. Dies gelang neben der Massenblockaden auf den Gleisen auch durch Ankettvorrichtungen und einer Betonpyramide auf den Gleisen. Zentrale Forderung ist: sofort aus der Kohleverstromung auszusteigen.

Die Aktionen begannen spontaner Weise schon am Freitag, denn Vattenfall hat in vorauseilendem Gehorsam ankündigt, den Betrieb im Tagebau wegen der angekündigten Aktionen am Wochenende herunterzufahren. Damit hatten die Aktivist*innen eigentlich schon gewonnen, ohne überhaupt losgegangen zu sein.

Da mensch sich der Richtigkeit von Konzernaussagen aber nie sicher sein kann, starteten am Freitag über 1500 Menschen aus dem Klimacamp in Proschim und erreichten die Förderanlagen im Tagebau praktisch ohne Widerstand der Polizei. Damit begann die Blockade des Tagebaus und von Industrieanlagen: zweier Radschaufelbagger, einer zentralen Kohleverladestation und zahlreicher Schienenabschnitte.

Geprägt wurde der Aktionstag durch die nichtvorhandene Polizeipräsenz, denn die Cops ließen sich kaum blicken. Die Staatsanwaltschaft Cottbus sah im Hinblick auf die Besetzung des Braunkohletagebaus „die Tatbestandmäßigkeit des Hausfriedensbruchs wegen des Problemfeldes der Umfriedung nicht gegeben.“, d.h. da kein Zaun um den Tagebau ist, muss auch damit gerechnet werden, dass er betreten wird.

Da der Tagebau im Vorhinein heruntergefahren wurde, meinte die Polizei Cottbus: „Nötigungen durch Eingriffe in die Betriebsabläufe des Unternehmens wegen des Besetzens in verschiedenster Form von Gleisanlagen oder Klettern auf Großgeräte sind ebenfalls nach erster Bewertung durch die Staatsanwaltschaft nicht strafrechtlich relevant.“

Vattenfall erstattete trotzdem Anzeige gegen Unbekannt wegen Land- und Hausfriedensbruchs sowie Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe. Da der Tagebau nun still stand, war das Aktionsziel für Samstag, das Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe von der Kohleversorgung mittels Gleisblockaden abzuschneiden und somit das Herunterfahren zu erzwingen. Am Samstagvormittag brachen deshalb über 2000 Menschen mit Fahrrädern, zu Fuß und in Bussen vom Camp in Richtung Kraftwerk auf.

Auch diese Blockaden der Zufahrtsschienen gelang ohne große Mühe.

Ergebnis: Weil der Kohlenachschub ausblieb, musste Vattenfall die Leistung des Kraftwerks um 80 Prozent drosseln. Denn alle Gleiszugänge zum Kraftwerk wurden blockiert, so dass Vattenfall keine weitere Braunkohle aus dem Tagebau ins Kraftwerk transportieren konnte und auch vorbereitete Vorratszüge mit Braunkohle konnten nicht im Kraftwerk verfeuert werden.

Ein Riesenerfolg: Das Kraftwerk Schwarze Pumpe konnte jetzt nur noch im Notbetrieb arbeiten. Vattenfall musste die Leistung der beiden 800-MW-Blöcke des Kraftwerks laut Leipziger Strombörse im Block A schon am Freitagabend um 100 Megawatt und im Block B um fast 380 MW reduzieren. Am Samstagmittag regelte der Energiekonzern Block A um 452 MW herunter, Block B um 755 MW.

„What do we want? Climate justice now!“

Da alles so super lief, bildete sich bei den Gleisblockaden recht schnell eine Gruppe Aktiver, die die Erstürmung des inneren Kraftwerksgeländes initiierte. Dem folgten etwa 700 Aktivist*innen, dabei wurden auch Zäune überwunden und sogar das Kraftwerksgebäude betreten, wobei unter anderem der Feueralarm ausgelöst wurde. Die Cops versuchten darufhin zu kesseln und nahmen anschließend über 120 Menschen fest. Mit dieser Massenfestnahme hatte die Polizei anscheinend ihre eigenen logistischen Kapazitäten gesprengt, denn viele Gefangenen mussten in den Gefangenentransporten übernachten und ihnen wurde der Zugang zu Sanitäranlagen sowie Nahrungsmitteln verwehrt.

Auch eine Demo gab es am Samstag mit 1000 Menschen am Rand des Tagebaus Welzow Süd.

Am Sonntag kündigte Vattenfall an, „das Kraftwerk in Kürze stilllegen zu müssen.“ Denn inzwischen wurde der Tagebaubetrieb und die Verladestation 48 Stunden lang blockiert; und das Kraftwerk war seit 24 Stunden vom Kohlenachschub abgetrennt. Somit wurde mit den vielen Besetzungen und Aktionen Europas zehntgrößter CO²-Verursacher für über 48 Stunden lahmgelegt. Und Vattenfall musste vermelden: „Nur die zusätzliche Energieerzeugung durch starken Wind verhindert an diesem Wochenende einen Energieengpass in der Region.“

Die erfolgreiche Aktion wurde mit einer Jubelparty auf den Schienen nach 48 Stunden auf den Blockaden gefeiert und während das Aktionsbündnis „Ende Gelände“ die Blockaden offiziell für beendet erklärte, wurden sie von Aktivist*innen einfach bis zur Räumung durch die Cops am Abend weitergeführt. Die Blockade der Bagger konnte bis Montag in den frühen Morgenstunden gehalten werden.

Leider gab es Samstagnacht Übergriffe von Neonazis und „besorgten Bürgern“ auf Mahnwachen, Gleisblockaden und auch einzelne Aktivist*innen, beispielsweise wurde im anliegenden Terpe eine Mahnwache angegriffen, indem die Menschen bedroht, der Pavillon zerstört und Fahrräder umgeworfen wurden.

Gegen rechtsradikale Täter ging die Polizei erst in der Sonntagnacht vor. Laut einer Mitteilung der Polizei Cottbus wurden nahe des Dorfes Proschim die Personalien von 57 Personen festgestellt, die teils »als Straftäter rechts motiviert bekannt sind«.

Nach diesen sehr erfolgreichen Aktionswochen der „Break Free from Fossil Fuels" Kampagne kann mensch nur hoffen, dass es gelingt die Energie und Hoffnung durch die vielen, vielfältigen, weltweiten Aktionen zu nutzen, um weitere konkrete Handlungsperspektiven und Optionen für die Menschen zu entwickeln, und dass sich noch mehr Menschen auch in die täglichen Klimakämpfe direkt vor der Haustür einbringen und organisieren, wie z.B. in den Besetzungen des Hambacher Forstes und in LAUtonomia. Denn „system change“ ist auch Handarbeit, muss erkämpft werden und findet täglich statt, nicht nur einmal im Jahr im Sommer während irgendwelcher Camps. Es gab nie einen besseren Zeitpunkt für eine endgültige Energiewende, denn die Energiekonzerne sind auch in einer Finanzkrise. Lasst uns sie angreifen und enteignen!

„Burn Borders not Coal!“

Hier eine Übersicht der Aktionen weltweit:

  • 3. Mai 2016 in Ffos-y-fran, Wales/ GB: Großbritanniens größte, offene Kohlemine in Ffos-y-Fran wurde über 12 Stunden von 300 Aktivist*innen besetzt, es gab keine Verwundeten oder Festnahmen.
  • 4. Mai 2016 in Batangas City, Philippinen: Eine Großdemonstration mit über 10.000 Menschen fordert das geplante 600-Megawatt Kohlekraftwerk in Barangay Pinamucan Ibaba nicht zu bauen.
  • 7. Mai 2016 in Christchurch, Neuseeland: Mit friedlichen Protesten wird die Riccarton, eine Filiale der ANZ Bank, erfolgreich blockiert, die $13.5 Milliarden Dollar in fossile Energieträger investiert hat.
  • 8. Mai 2016 in Newcastle, Australien: 2000 Menschen besetzen den weltgrößten Kohlehafen für einen Tag. Während Kayaks den Hafeneingang blockieren, werden die wichtigen Zufahrtsgleise besetzt.
  • 9. Mai 2016 in Maringá, Paraná, Brasilien: Tausende Menschen feiern protestierend gegen Fracking während eines Konzertes in Expo Ingá, das jährliche Hauptfest im Staat Paraná.
  • 10. Mai 2016 in Oloibiri, Nigeria: An der historisch ersten Ölquelle Nigerias wird gegen den sozialen und ökologischen Schaden demonstriert, der nach der Trockenlegung der Ölquelle entsteht, wenn die Gemeinde mit der Umweltverschmutzung und ohne Geld zurückgelassen wird.
    In Wellington, Neuseeland: Aktivist*innen blockieren die Lambton Kai Filiale der ANZ Bank in Wellington und legen diese damit still. Es gibt keine Festnahmen.
  • 11. Mai 2016 in Jakarta, Indonesien: Über 3000 Menschen demonstrieren, um zu verdeutlichen, dass Kohle wegen der Verschmutzung keine Lösung ist und das es Zeit ist, die Energiewende einzuleiten.
  • 12. Mai 2016 in Dunedin, Neuseeland: Alle drei Filialen der ANZ Bank werden blockiert und es wird gefordert, dass sich die Bank aus dem Geschäft mit fossilen Energieträgern zurückzieht.
    In Kwaguqa, Emalahleni, Südafrika: Gemeindemitglieder versammeln sich und sprechen sich gegen die Effekte des Klimawandels auf ihren Alltag aus: von Korruption über Lebensmittelsouveränität, Wasser, Energie und Gesundheit.
    In Ogoni, Nigeria: gibt es eine große Demonstration für den Widerstand gegen die Ölindustrie mit der Forderung, das Öl in der Erde zu lassen, wo es hingehört.
    In Lakewood, Colorado, USA: Hunderte Menschen stören eine Auktion, auf der tausende Hektar öffentliches Land für Öl-und Gasbohrungen verkauft werden sollen. Sieben Menschen machen eine Sitzblockade und blockieren so den Raum, wo die Auktion veranstaltet wurde, während viele weitere in der Lobby und außerhalb des Gebäudes mitmachen. Es gibt keine Festnahmen. Die Auktion wird verschoben und dann beendet – ohne einige potenziell Mitbietende, die nicht ins Gebäude kommen.
  • 13. Mai 2016 in Auckland, Neuseeland: Mit der Blockade der ANZ Filiale machen hunderte Menschen klar, dass zugunsten des Klimas „business as usual“ nicht weitergehen kann. Die ANZ Bank soll sich von der Investition in fossile Energieträger zurückziehen.
    Constitutional Hill, Südafrika: Auf Grund einer Rede über von Dürre betroffene Gemeinden und Bauern, demonstrieren sie danach gemeinsam gegen den Klimawandel.
  • 14. Mai 2016 in Johannesburg, Südafrika: Es gibt Proteste außerhalb des Gupta Standorts, denn der Guptas’ “Oakbay Resources Ltd” Konzern symbolisiert alles, was mit der Kohleindusrie in Südafrika heutzutage falsch ist.
    In Ibeno, Nigeria: Aktivist*innen fordern die Reinigung des Niger Deltas an den Küsten des Atlantiks.
    In Umuarama, Paraná, Brasilien gibt es eine große Demonstration in der Innenstadt, der die Unterzeichnung eines Gesetzes, welches Fracking in der Stadt verbietet, folgt.
    In Denver, Colorado, USA gibt es eine starke Mobilisierung, um eine Gemeinde vor Fracking zu schützen, „Wir stehen auf, um unsere Gesundheit, unser Zuhause, unsere Atmosphäre und die Zukunft unserer Kinder zu schützen.“
    In Manabí, Ecuador: Aktivist*innen pflanzen Bäume an dem Ort einer zukünftigen Ölraffinerie im Yasuni Nationalpark.
    In Los Angeles, Kalifornien, USA findet eine große Versammlung und Demonstration durch die Innenstadt statt, dem Zuhause des größten amerikanischen, städtischen Ölfeldes.
    Vancouver, Kanada: Aktionen an Land und auf dem Wasser blockieren den "Kinder Morgan Öl Terminal" und zeigen, dass Selbstbestimmung der Menschen und 100 Prozent erneuerbare Energien die Zukunft sind.
    In Fortaleza, Ceara, Brasilien gibt es Aktionen gegen das Pecém Kraftwerk. Es ist das größte Heizkraftwerk in Brasilien und ein Symbol des realpolitischen Widerspruchs der Regierung mit dem COP21-Vertrag, den sie unterschrieben hat.
    Cirebon, West Java, Indonesien: Aktivist*innen spannen Banner auf Kohleverlademaschinen und bringen so den Kohleterminal für Stunden zum Stillstand.
  • 14. bis 15. Mai 2016 in Albany, New York, USA: Hunderte versammeln sich für eine Demonstration und eine Sitzblockade, um die Ölzüge zu stoppen, die durch Albany fahren, und dadurch anliegende Gemeinden gefährden sowie zum Klimawandel beitragen.
  • 15. Mai 2016 bei Izmir, Türkei: Es gab es eine Massenaktion, um gegen eine Kohlehalde und weitere Kraftwerke in der Region zu demonstrieren.
  • 13. bis 15 Mai 2016 in Anacortes, Washington, USA: Tausende Menschen versammeln sich an Land und im Wasser in March Point, dem Standort zweier Ölraffinerien, und führen drei Tage lang Protestaktionen durch, u.a. verschiedene Kayakfahrten, eine Demo, geführt von Indigenen, und eine Sitzblockade über Nacht auf den Zufahrtsgleisen, wobei es über 50 Festnahmen gibt.
  • 15. Mai 2016 Washington DC, USA: Aktionen rufen Obama dazu auf, neue Offshore-Bohrungen in der Antarktis, dem Atlantik und dem Golf von Mexiko zu beenden.
    Chicago, Illinois, USA: Es gibt Aktionen im Whiting Lakefront Park nahe der BP Whiting Raffinerie und nahe der Ölkatastrophe von 2014, bei der Öl in die Gewässer des Michigan Sees floss.

Weitere Informationen zu der internationalen Kampagne und Aktionen:

und zu Ende Gelände: