2006-01:Aus der Praxis eines selbstorganisierten Treffens: Kritischer Rückblick auf den Jugendumweltkongress

Aus grünes blatt
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Aus der Praxis eines selbstorganisierten Treffens: Kritischer Rückblick auf den Jugendumweltkongress

fb Der Jugendumweltkongress (JUKSS) zum Jahreswechsel in Bielefeld war in verschiedener Hinsicht wieder ein Experiment. Zum ersten Mal dauerte er zwei Wochen, größere Zuschüsse gab es nicht und auch die Laborschule mit ihren großen offenen Flächen war eine ganz neue Erfahrung.

Einen Eindruck vom JUKSS möchte ich diesem - notwendigerweise durch meine Erlebnisse und Wahrnehmungen gefärbten - Reflexionstext vorwegnehmen: Der Bielefelder JUKSS hat - trotz vieler für mich depremierender Augenblicke, aber auch aufgrund der vielen sehr schönen Momente - ein insgesamt positives, optimistisch stimmendes Gesamtbild hinterlassen. Es wurde vieles ausprobiert und zu leben versucht, über das sonst selbst in alternativen Kreisen nur geredet wird. Den Raum dazu gaben nicht zuletzt auch die verschiedenen Konfliktsituationen, auf die mensch auch im Alltag auf dem Weg zu einer anderen Gesellschaft immer wieder stoßen wird. Auch wenn ich den Umgang mit solchen Situationen oft nicht als optimal, zum Teil sogar als sehr problematisch empfand, ist doch das recht reflektierte Verhalten vieler Menschen beim JUKSS sehr angenehm.

Es geht los: Selbstorganisation vs. Serviceunternehmen

Mit meinem Vorsatz, mich dieses Mal zurückhaltender an der Organisation zu beteiligen, war es schon kurz nach der Ankunft in der Laborschule vorbei. Es war Sonntag Spätnachmittag, der erste JUKSS-Aufbau-Tag. Erfreulicherweise waren schon mehr Menschen da, als ich befürchtet hatte. Durch die Verdoppelung der JUKSS-Dauer war ja unklar, ob sich die Anwesenheit der TeilnehmerInnen auf irgendeinen Zeitraum konzentrieren, gleichmäßig weniger Menschen da sein würden oder was sonst passieren könnte. Laut Rampenplan-Zählung waren an diesem ersten Abend schon mindestens vierzig Leute in der JUKSS-Schule.

Aber nach nicht allzu langer Zeit wurde deutlich, dass es nur einige wenige Leute - die üblichen Verdächtigen - waren, die sich bemühten eine Infrastruktur aufzubauen. Die Gruppe derjenigen, die sich in nette Runden, zum Filmschauen oder was auch immer zurückzogen, wurde dagegen größer. Ich hatte den Bus mit dem JUKSS-Büro und anderen Sachen gebracht und wollte erst mal das Material ausladen und sinnvoll unterbringen. Während ich mir einen Überblick über die Räumlichkeiten zu verschaffen versuchte und mir mit einigen Leuten Gedanken über Technik- und Materialraum sowie die günstige Platzierung von Themenplattformen machte, bekam ich immer mehr den Eindruck, dass sich nur sehr wenige für das Funktionieren des JUKSSes interessierten. Ich nahm mir dann vor, zuerst wieder eine Ökologie-Plattform einzurichten und dann vielleicht einen Direct Action-Raum.

Zu diesem Zeitpunkt war ich noch nicht so frustriert über diese "Selbstorganisation". Später, nach einigen Anlaufversuchen, koordiniert in Absprache miteinander die Infrastruktur des JUKSSes herzustellen, baute sich diese Stimmung langsam auf. Einige Leute hatten schon beim Rumfragen, wer beim Aufbau helfen würde, vermittelt, dass von ihnen nichts zu erwarten ist. OK. Dann gab es ein Treffen, das ein paar aufbauende Menschen einberufen hatten, um sich darüber auszutauschen und abzusprechen, wer was wo macht. Diese Runde erinnerte dann teilweise an frühere Plena - nur eben in kleinerem Kreise. Es wurde viel gelabert, Themen von allgemeiner Bedeutung wie die Essenszeiten, sollten plötzlich gemeinsam diskutiert werden etc. Ich machte irgendwann den Einwand, dass ich darauf keine Lust habe, und später verabredeten sich einige Leute aus diesem Kreis zu einem Treffen, um die Gestaltung der Infowand zu besprechen. Sehr viel mehr kam aus diesem mindestens einstündigen Zusammensitzen nicht heraus - doch, irgendwer hat dann doch die Essenszeiten festgelegt - und kaum jemanden von den Leuten, die da gelabert hatten, habe ich beim späteren Aufbauen gesehen. Aber es kann auch sein, dass ich ihnen nur zufällig nicht über den Weg gelaufen bin...

Die Absprachen über die Struktur der Infowand - immerhin das derzeit wichtigste Kommunikationsmedium des JUKSSes - waren dann noch ernüchternder. Eine winzig kleiner Runde waren wir da - was nicht weiter schlimm ist, aber es hat wohl niemanden weiter interessiert. Am frustrierendsten erschien mir dieser Abend, als ich mehrfach mit Material über die Ebene 2 laufen musste, wo zu diesem Zeitpunkt Filme gezeigt wurden, und sehen konnte, dass die "Masse" dort gemütlich abhängt, während im Großen und Ganzen noch nichts für den JUKSS aufgebaut ist. Später regte sich jemand aus der Kinorunde sogar auf, weil zwei materialschleppende Leute die Filmvorführung stören würden.

Schon in diesen ersten Tagen gab es einige Gespräche über die Selbstorganisierungsfähigkeit beim JUKSS (z.B. ein Interessentreffen zu "Dominanzabbau und nicht funktionierender Selbstorganisation beim JUKSS"[1]) und eine Verabredung für einen Auswertungsworkshop am Ende. Einige Leute schienen auch besser, entspannter, als ich mit den "Selbstorganisierungsprozessen" umgehen zu können. Ich hatte in diesen Tagen aber auch mehrfach den Eindruck, dass es einigen Orga-Leuten nicht gut ging. Orga-Leute? Aber das Orga-Team hat sich doch aufgelöst!

Orga-Team löst sich - nicht - auf

Zumindest in der Theorie beinhaltet die JUKSS-Philosophie, dass sich das Vorbereitungsteam des Kongresses am ersten Tag auflöst und von daher die Veranstaltung (fast - ausgenommen einige finanzielle und vertragliche Aspekte) in den Händen der TeilnehmerInnen liegt. Ob das durch einen formalen Akt ("wir lösen uns jetzt auf") passiert, ist eigentlich egal. Wichtig ist das angestrebte und oft nur begrenzt erreichte Ergebnis, dass der JUKSS nicht mehr von einer abgehobenen Orgagruppe gestaltet wird, sondern von möglichst vielen Teilnehmis.

Beim Bielefelder JUKSS hatte ich den Eindruck, dass diese "Auflösung des Orgateams" nicht wirklich stattfand. Ein Großteil derer, von denen ich wahrnahm, dass sie herumwirbelten, um Infrastruktur aufzubauen oder abzusichern, gehörte irgendwo zu den Leuten, die schon im Vorfeld zum Orga-Team gehörten. Natürlich gab es Ausnahmen und einige weitere Leute halfen mit.

Ich möchte gar nicht unterstellen, dass "die Orga-Leute" sich selbst eine wichtige Rolle zuschreiben wollten. Mir schien es mehr, dass sie die anteilig wenigen JUKSSies waren, die Verantwortung übernommen haben, weil sie nicht wollten, dass der JUKSS nicht funktioniert. Mir fiel diese Konstellation auch nicht sofort auf, sondern erst in der Silvesternacht. Zunächst hatte mich das wenig gestört. Erst später, als es schien, dass sich diese Rollenverteilung manifestiert hat, war ich genervt davon.

Kommunikation beim JUKSS

Ein wichtiges JUKSS-Kommunikationsmedium - die Klozeitung - fiel letztes Jahr beinahe komplett weg. Das Konzept dieser Zeitung, an den Orten aufgehängt zu werden, wo sich alle Leute mal einfinden und häufig auch die Zeit zum Lesen haben - die Toiletten - finde ich spannend. Hier wird kein völlig neuer Kommunikationskanal geschaffen, sondern vorhandene Möglichkeiten werden kreativ genutzt.

Soweit ich das mitbekommen habe, war die JUKSS-Zeitung eines der Elemente, das bei den letzten JUKSSen weitestgehend funktioniert hatte. In Bielefeld erschienen insgesamt nach meiner Kenntnis lediglich drei Ausgaben, von denen nur zwei als solche erkennbar waren. Auf früheren JUKSSen war die Klozeitung täglich erschienen und war eine Mischung aus Kurzberichten und Ankündigungen sowie Beiträgen verschiedenster Art. Was genau die Gründe waren, dass sie diesmal scheiterte, ist mir noch nicht ganz klar. Es gab einige Interessierte und auch mehrere Leute, die angekündigt hatten, sich darum zu kümmern, dass es wieder eine Klozeitung gäbe. Allerdings war auch sehr intransparent, wer dafür ansprechbar wäre und wo mensch Artikel hinterlegen könnte.

Eine weitere Kommunikationsebene stellten die Interessentreffen dar, die bei Bedarf einberufen wurden. Soweit ich mitbekam, wurde diese Möglichkeit zur Problemklärung und für Absprachen nur gering genutzt. Wie schon beim Magdeburger JUKSS gab es keine über allem stehende Plenumsstruktur. Nach Silvester gab es einen Vorfall, zu dem dann kurzfristig und in einer gewichtig aufgeladenen Aufforderung zur Teilnahme ein Interessentreffen einberufen wurde, das stark plenaren Charakter hatte. Doch dazu mehr in einem gesonderten Abschnitt.

Das de facto wichtigste Medium zum Informationsaustausch war die Infowand. Mangels anderer Kommunikationswege lief hierüber der größte Teil der Organisierung und Information. Die Infowand umfasste verschiedene Einzelwände mit Tagesprogrammen, Protokollen, zu Interessentreffen, zum JUKSS in der Öffentlichkeit, Mitfahrgelegenheiten, Finanzierungsstand, mit allgemeinen Informationen und für Kritik und private Nachrichten. Außerdem gab es eine Aufgabengruppenwand und wahrscheinlich diverse weitere Aushänge. In dieser Informationsfülle war es schwierig und aufwändig sich up to date zu halten. Die Infowand ist gewiss ein sehr wichtiger Ort, über dessen Konzeption sich zum nächsten JUKSS stärker Gedanken gemacht werden sollte. Die Herausforderung ist m.E. sie so zu strukturieren, dass ohne Reduzierung des Informationsgehaltes ein schnellerer Überblick zu erhalten ist.

Angedacht war für den Kongress auch ein "offenes Mikro", das bevorzugt zu den Mahlzeiten im "Essensraum" hätte genutzt werden können. Das war allerdings kaum bekannt und wurde wenig genutzt.

Neues Finanz-Verwaltungsmodell

Nachdem jahrelang der Bereich der Finanzen vom Anspruch der Hierarchiefreiheit scheinbar ausgenommen war, gab es im letzten Jahr den Versuch, auch Diesen in die Selbstverwaltung einzubeziehen.[2] Es gab eine "offene Kasse", aus der eigenverantwortlich Geld entnommen werden konnte, und erstmals beim JUKSS ein Finanz-Thermometer, das den Tagesstand der Einnahmen, Ausgaben und offenen Verbindlichkeiten anzeigte. Letzteres ermöglichte den JUKSSies den Bedarf einzuschätzen und dementsprechend zu entscheiden, wieviel sie zahlen wollten.

Bis auf einen offenen Betrag von etwa 1.000 Euro, die erst in den letzten Tagen durch eine unerwartete Steigerung bei den Lebensmittelkosten zustande kamen, konnten die Ausgaben des JUKSSes durch die Einnahmen gut gedeckt werden. Durch weitere Zuschüsse ist die Bilanz des letzten JUKSSes jetzt sogar ausgeglichen und könnte sich noch zu einem leichten Plus verschieben, wenn die letzten Abrechnungen erfolgreich abgeschlossen werden.

Ausgrenzung vs. Grenzziehung?

Die Organisierung des JUKSSes orientiert sich in vielen Bereichen am Konzept "Offener Räume"[3]: es gibt keine zentrale Entscheidungsstruktur, formale Hierarchien sind im Großen und Ganzen (bis auf Aspekte, die mit der Übernahme von Verantwortung gegenüber der Universität oder Förderern zusammenhängen[4]) nicht vorhanden, was geschieht wird gleichberechtigt miteinander ausgehandelt. Treten Konflikte auf, so können sie direkt miteinander geklärt werden oder es bedarf direkter Interventionen von JUKSSies. Dazu ist es wichtig, ein entsprechendes Problembewusstsein zu haben und auch die Motivation, in problematischen Situationen einzugreifen, sowie eine Vorstellung davon, wie das im Einzelfall geschehen kann.

Beim letzten JUKSS gab es zu Beginn das tägliche Angebot von Einführungs-Workshops zu direkter Intervention, die allerdings kaum genutzt wurden. Diesem offenkundig geringen Interesse an der Aneignung von Kompetenzen in direkter Intervention über diese Workshops standen mehrere Vorgänge gegenüber, bei denen Konflikte mit tiefergreifenden Auswirkungen auftraten. Diese waren der Zivi-Verdacht gegen einE TeilnehmerIn, der Sexismus-Vorwurf einem anderen Menschen gegenüber und die Auseinandersetzung mit mehreren Personen der von KritikerInnen als totalitär eingestuften Religionsgemeinschaft Universelles Leben.

Diese Fälle sind noch im einzelnen zu beleuchten. Für mich zeigte sich aus dem Umgang mit den Problemen aber schon jetzt, dass es zwar den Versuch gab Lösungen zu finden, die sich mit emanzipatorischen Ansätzen vereinbaren lassen, dass viele direkte Interventionen jedoch sehr kritikwürdig waren. Meiner Meinung nach sollte daher die Auseinandersetzung mit Konflikten und das Training direkter Intervention in der Vorbereitung des nächsten JUKSSes stärkere Berücksichtigung finden.

Gut fand ich, dass es noch während des JUKSSes zu jedem der Vorgänge auch Treffen von Leuten gab, die sich darüber Gedanken machten, welche emanzipatorischen Lösungsmöglichkeiten es für die Probleme gibt und auch im weiteren Verlauf die eigene Vorgehensweise kritisch betrachtet wurde. In diesen Debatten wurde auch die Grundsatzproblematik angesprochen, dass die persönliche Grenzziehung, die durch Interventionen individuell und zum Teil auch organisiert erfolgte, zu Ausgrenzungen führen kann, wie es im Falle eines UL-Menschen und gegenüber der sexistische Lieder singenden Person auch geschah.

Dass es kein zentrales Plenum gibt, das einen Ausgrenzungsbeschluss fasst, der dann nur noch umgesetzt wird, verhindert Ausgrenzungen nicht automatisch - das zeigt dieser JUKSS ganz klar. Was m.E. zu diskutieren wäre ist die Frage, ob das Ziel emanzipatorischer Politik sein sollte, jegliche Ausgrenzung zu verhindern, oder ob diese auch in einem Offenen Raum stattfinden kann - nur mit der Chance auf eine bessere Lösung als in den üblichen kollektividentitären Organisationsformen.

Unterwanderungsversuch durch Universelles Leben

Schon am ersten Abend waren drei Personen beim JUKSS, die aus dem Umfeld der Urchristen-Religionsgemeinschaft Universelles Leben[5], die u.a. einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Holocaust durch ihre Ideologie beschuldigt wird, stammen. Bereits vor dem JUKSS war bekannt geworden, dass UL-nahe Organisationen eine Beteiligung am Kongress planen. Die drei erklärten auf konkrete Nachfrage, nicht von UL geschickt zu sein, veranstalteten aber in den ersten Tagen diverse AKs und Filmvorführungen, die in dessen Ideologie passen.

Allerdings widersprachen sie dem UL-Vorwurf auch nicht ernsthaft, sondern verteidigten die Sekte. Eine der Personen erzählte in einem Gespräch, dass sie aus dem UL-Umfeld käme, sich aber nicht dadurch manipuliert fühle.

Es gab ziemlich früh Interventionen gegen das Auftreten der UL-Leute und vor allem Aktionen bei deren Workshops. So saßen in einer der einlullenden Filmrunden mehrere Menschen mit "Hypnose-Brillen" um zu verdeutlichen, was hier passiert. Allerdings waren die Interventionen meist Störaktionen, die keine weitere tiefergehende Kritik an UL vermittelten. Wie von verschiedenen Menschen, die in den Arbeitskreisen saßen und mit dem Begriff "Universelles Leben" nichts anfangen konnten, erzählt wurde, wirkten diese Eingriffe zum Teil nur pöbelnd bzw. störend, ohne dass von den KritikerInnen wirklich erklärt wurde, worum es ging.

Eine dieser Runden am Anfang habe ich miterlebt, wo aus dem Kreise einiger sich als "antispeziezistisch" bezeichnender Menschen eine schreckliche Reproduktion von rhetorischem Kriegsspiel ohne Inhalte ablief. Der UL-Typ, der da von allen Seiten attackiert wurde, hatte kaum eine Chance auf die Fragen bzw. Vorwürfe zu antworten, es wurde aber auch den anderen TeilnehmerInnen nicht vermittelt, warum UL untragbar wäre. Nach dieser Runde enstand eine kleinere Runde mit einigen der KritikerInnen aus der Runde, wo auch das Problem diskutiert wurde, dass Leuten, die UL nicht kennen, nichts vermittelt wird. Mir erschien diese Taktik als kontraproduktiv. Trotz einiger Kritik an der Methodik auch von anderen Leuten änderte sich meiner Wahrnehmung nach daran nichts.

Dagegen wurde offensichtlich mehr Energie in die Ausschlussvorstellungen einiger Menschen aus dem Umfeld der "Antispeziezistischen Plattform" gesteckt. Eine dieser Personen äußerte auch, dass sie nur Rücksicht auf den JUKSS nehme und die UL'lerInnen in "ihrer" Szene schon längst rausgeschmissen hätte. Es entstand mir mehrfach auch der Eindruck, dass die Rücksichtnahme auf andere Positionen in größeren Runden nur Rhetorik bzw. Strategie war, aber nicht ernst gemeint. Einer dieser Menschen bestätigte mir diese Einschätzung im Verhalten gegenüber einem als Zivi beschuldigten Menschen, gegen den dieser Vorwurf bereits aufgelöst war, als er ihm klarmachte, dass er in einer Auswertungsrunde zu einer zuvor öffentlich gelaufenen Aktion, an der dieser meines Wissens auch beteiligt war, nichts verloren hätte.

Es gab zuletzt in der UL-Auseinandersetzung eine von manchen als Schauprozess bezeichnete Befragung in großer Runde, bei der derjenige UL'ler, der sich zu seinem Sekten-Umfeld bekannt hatte, unter Druck gesetzt worden sei. Ich war bei dieser Auseinandersetzung nicht dabei, sondern traf kurz darauf auf die sich auflösende Runde, wo mir einige Leute vermittelten, dass es eine grauselige Verhörsituation gewesen sei. Bei dieser "Befragung" wurde der UL-Vertreter dazu gebracht zu sagen, dass er der Meinung sei, dass der Holocaust vom schlechten Karma der Juden herrühre und er es auch richtig finde, dies als Konsequenz der UL-Karmatheorie zu vertreten. Auf diese auch m.E. politisch kaum erträgliche Positionierung kam dann die Forderung an ihn, den JUKSS zu verlassen, was dieser dann auch tat.

Die anderen beiden UL'lerInnen blieben weiterhin anwesend, führten aber keine Workshops mehr durch. Allerdings gab es ein kleines Grüppchen von Leuten, die wohl mit ihnen sympathisierten und die meiste Zeit mit ihnen verbrachten. Dass mit dem per "direkter Intervention" durchgesetzten Ausschluss eines UL'lers die Motivation weiter energisch beim JUKSS gegen die Sekte vorzugehen endete, scheint mir nicht konsequent. Allerdings bin ich der Meinung, dass es diesen Ausschluss nicht hätte geben müssen, weil ich diese konkrete Person nicht für einen UL-Strategen halte, der rhetorisch geschickt und mit cleverer Strategie eine JUKSS-Unterwanderung versucht hätte.

Mir scheint vielmehr, dass mit ihm und den anderen beiden eine noch offensivere und direktere Auseinandersetzung nötig gewesen wäre: konkretere inhaltliche Kritik, die vor allem den JUKSSies transparent macht, wo die Gründe liegen, warum UL nicht akzeptabel ist, direkte kreative Aktionen beim Auftreten dieser Leute (also nicht nur in großer Zahl ihre Veranstaltungen stören, sondern sich auch in Gespräche auf den Fluren einmischen und auf Universelles Leben und deren Ideologie hinweisen, mehr Diskussionen auch mit anderen JUKSSies über UL führen, um der Sekte die potentielle Basis zu nehmen). Ich war nicht bei der letzten Auseinandersetzung dabei, denke aber, dass niemand dieser Leute zum Verlassen des JUKSSes hätte gezwungen werden müssen.

Falscher Zivi enttarnt

Als es einige zunächst überzeugende Hinweise darauf gab, dass eine Person ein verdeckter Ermittler sei, überlegten Leute, wie sie damit umgehen sollten. Einerseits war noch zu klären, ob es sich wirklich um einen zivilen Ermittler handelte, andererseits sollte der Verdacht transparent gemacht werden, damit Leute, denen das wichtig ist, sich entsprechend verhalten können. Dazu wurde zuerst das Gespräch mit diesem Menschen gesucht, was den Eindruck, dass ihr Verhalten sehr mysteriös sei, bestätigte. Allerdings war das alles so vage, dass der vorbereitete "Zivi-Pfeil" (Schild mit einem Pfeil und der Aufschrift "Zivi") nicht sofort zum Einsatz kam.

Dann, nachdem sich die verdächtigte JUKSSie mit falschem Namen in die TeilnehmerInnen-Liste eintrug und in einem Gespräch eine Formulierung machte, die als Bestätigung der Tätigkeit für die Polizei interpretiert wurde, setzten Leute den "Zivi-Pfeil" ein, um auf den vermeintlichen Ermittler aufmerksam zu machen. Später wurde diese Einschätzung revidiert, das ungewöhnliche und missverständliche Verhalten dieses Menschen war überinterpretiert worden.

Ein - aus meiner Sicht - sinnvoller Umgang mit der Situation war die allgemeine Thematisierung von Überwachung und Handlungsmöglichkeiten. Mittels Plakaten und weiteren frechkreativen Materialien wurde offensiv darauf aufmerksam gemacht, dass anzunehmen ist, dass auch diese Veranstaltung auf das Interesse von Polizei in Zivil trifft - zumal dies von den OrdnungshüterInnen angedeutet worden war. Weiterhin wurde versucht zu vermitteln, dass es deswegen keine Panik geben müsste, sondern mensch prinzipiell bewusst mit Überwachung und Repression umgehen sollte. In diesem Zusammenhang wurden interne Transparenz, das Vorbereitetsein auf repressive Situationen und offensives Verhalten im Umgang mit Polizei & Co. angeregt.

Es gab dann kreative, aber weniger panikstimmende Elemente wie ein "Zivi-Guckloch", das die Ökoplattform verzierte, eine TeilnehmerInnen-Liste für Zivis zum Selbsteintragen zusammen im Set mit einer eigenständig ansteckbaren Zivi-Plakette, die an der Infothek offensiv bereitlag und ein offensives Infoblatt[6] für Zivis beim JUKSS. Das in der Silvesternacht entstandene "2. Protokoll des konspirativen Zivilpolizei-Treffens"[7] transportierte mit subtilen, versteckten Hinweisen grundlegende Kritik an Vorgängen bei diesem Jugendumweltkongress. Ich denke, dass dieser kreative Umgang mit der Anwesenheit von Zivilbeamten ein ganz guter Ansatz war - ohne dass ein Mensch wegen seines ungewöhnlichen Verhaltens diskreditiert werden müsste.

Antirepression für den JUKSS-Alltag

Bereits in den ersten JUKSS-Tagen gab es einen Workshop zu kreativer Antirepression.[8] In dessen Verlauf kam jemand vorbei und berichtete von o.g. Zivi, der beim JUKSS rumlaufe. Daraus ergab sich ein spezieller Workshop zum kreativen Umgang mit Zivis und Bullen beim JUKSS[9], bei dem die schon genannten Ideen entwickelt wurden. Hintergrund dieses AKs war auch, dass der geäußerte Zivi-Verdacht sehr unklar war, aber ein offensiver Umgang mit der grundsätzlichen Problematik anwesender verdeckter ErmittlerInnen entwickelt werden sollte.

Eine weitere Motivation für die Entwicklung von Antirepressions-Aktionsideen war die Ankündigung der Bullen, die bei einem der Vorabsprache-Treffen von JUKSS-Menschen und Universität auftauchten, mal beim Kongress vorbeizuschauen. Es sollte aber auch um das geplante "Handbuch der kreativen Antirepression" gehen, das vorgestellt wurde. Weiterhin fand eine konspirative Veranstaltung des "Bund krimineller Vereinigungen"[10] statt, bei der drei vermummte BkV-Repräsentanten die "Service-Einrichtung für kriminelle Vereinigungen" vorstellten und Mitgliedschaftsformulare im Raum verteilen ließen.

Die Gründung des BkV ist eine kreative Aktion, die dazu genutzt wird, den Verfolgungswahn der Repressionsorgane aufzuzeigen, und die Repression offensiv angehen soll - wie beispielsweise im Falle der Konstruktion einer kriminellen Vereinigung, welche Farbanschläge in Wittenberg verübt haben soll.

Repression ist eine Reaktion des Staates oder der kritisierten Institutionen, die potentiell bei jeder Aktion einzuplanen ist. Meist kommt sie in Gestalt der Polizei, die irgendwelche Forderungen stellt oder direkt mit Gewalt gegen die AktivistInnen vorgeht. Deshalb ist es sinnvoll, sich bereits bei der Planung von Aktionen mit der zu erwartenden Repression auseinanderzusetzen. Häufig wird dabei nur überlegt, wie mensch diese vermeiden kann. Dies schränkt oft aber das eigene Handeln ein und kann auch die Wirksamkeit von Aktionen reduzieren. Wird dagegen das Auftreten der Polizei von Anfang an in die Aktion einbezogen, kann dies die eigene Handlungsfähigkeit erhöhen, befreit ein Stück aus der Opferrolle und kann der öffentlichen Vermittlung des Herrschaftsdurchgriffs dienen.

Beim JUKSS gibt es - meistens, diesmal war dies weniger der Fall - vielfältige Aktionen. Ein großer Teil der AktivistInnen wird dabei zum ersten Mal aktiv bzw. hat noch nicht viele Erfahrungen mit dem Umgang mit Polizei & Co. Daher ist es gerade beim JUKSS sinnvoll, eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit Repression zu führen. Die Antirepressionsworkshops sollten auch dazu dienen.

Nach Silvester gab es eine Situation, in der von einigen befürchtet wurde, dass es zu einer Polizeirazzia beim JUKSS kommen könnte. Es entstand aus dieser Panikstimmung ein großes Interessentreffen mit Plenums-Charakter. Plötzlich war wieder die Rede von Entscheidungen, die alle jetzt für alle treffen müssten. Hier wurde wieder ein Arbeitskreis angeboten - auch um zu zeigen, dass es auch in dieser Situation nicht notwendig ist, das Plenum zu reaktivieren - bei dem es um den offensiven und kreativen Umgang mit der Gefahr einer Bullenrazzia gehen würde. Auch dieser AK[11] war sehr kreativ, allerdings wurde nur noch wenig umgesetzt, da sich abzeichnete, dass die Paranoia deutlich übertrieben gewesen war.

Schade war bei all diesen Aktivitäten, dass es nicht mehr dazu kam, dass sich Leute zusammengetan hätten und hinausgegangen wären, um solche Aktionen einmal auszuprobieren. Es bedarf ja nicht des "Ernstfalles" eines (ungewollten) Polizeieinsatzes, sondern mensch kann sich diese Experimentierfläche einfach selbst suchen - Polizei & Co. laufen in ausreichender Zahl herum...

Wiedereinführung des Plenums

Im Zusammenhang mit einem Vorfall beim JUKSS gab es in der zweiten Hälfte des Kongresses eine Panikstimmung, die durch das Auftreten von Menschen aus den Orga-Kreisen (bewusst oder unbewusst) verstärkt wurde. Aufgeregt eilte mindestens eine dieser Personen durch das JUKSS-Gebäude und sprach von einem Unfall und davon, dass es vielleicht eine Razzia geben würde, weswegen es nun ein Treffen auf der "Ebene 2" gäbe. Plötzlich waren - wer hätte das gedacht - bei einem Interessentreffen fast alle TeilnehmerInnen versammelt. Auch überraschenderweise gab es plötzlich eine Mikrofonanlage, die in den Tagen zuvor für die Arbeitskreise nicht aufgebaut worden war. Es war nun die Rede davon, dass wir hier Entscheidungen zu treffen hätten, wie "wir" uns jetzt verhalten sollen - von einem kritischen Umgang mit der neu aufkommenden Zentralentscheidungsstruktur und der Konstruktion eines "Wir" war wenig zu spüren.

Es war sicher nicht unwichtig, über den Vorfall zu sprechen und mensch kann darüber diskutieren, ob es wirklich keinen anderen Weg gab, potentielle andere Betroffene zu erreichen, ohne ein faktisches Plenum einzuberufen. Dass dieses Wichtigmachen des Treffens mit Wiederbelebung der altbekannten großplenaren Rederunden, ohne überhaupt zu hinterfragen, ob es auch andere, weniger dominierende und manipulative Methoden geben könnte, von Leuten kam, die sonst von Hierarchiefreiheit sprechen und das dezentrale JUKSS-Modell sonst befürworten, finde ich problematisch.

Wenn die Abschaffung von Zentralentscheidungen und hierarchischen Strukturen (als Ideal) in den entscheidenden Momenten - wenn es ernst wird - aufgegeben wird, scheinen dies doch nur schöne Worte zu sein. Gerade in Extremsituationen wäre es wichtig nach emanzipatorischen Lösungen zu suchen, die herrschaftsfreie Abläufe fördern, da sonst die Gefahr groß ist, dass Herrschaftsfreiheit nur für schöne Tage da ist und immer wenn es ernst wird, auf alte Strukturen und Prozesse zurückgegriffen wird.

Es gab einige wenige kritische Einwürfe und Polemik gegen diese Form des Treffens, die aber wenig offensiv waren und die Situation nicht auflösten. Als begonnen wurde, darüber zu debattieren, was "wir" jetzt machen sollten wenn es zu einer Razzia kommt, gab es wieder den Vorschlag, dass diejenigen, die kreativ mit einer solchen Situation umgehen wollen, zu einem AK zum Entwickeln phantasievoller offensiver Aktionen eingeladen sind. Die Diskussionen in der großen, von einigen jedenfalls auch offen als "Plenum" bezeichneten Runde, verliefen wie gewöhnlich noch einige Zeit, ohne dann besondere Ergebnisse zu haben. Positiv fand ich, dass es am Ende nicht zu irgendwelchen Plenums-Entscheidungen für alle kam.

Viel Form, wenig Inhalt?

Unter dieser Überschrift begann auf der Mailingliste "Hoppetosse - Netzwerk für kreativen Widerstand" eine Debatte über die Entwicklung des Jugendumweltkongresses und konkret darum, wieviel Inhalt der JUKSS überhaupt noch birgt. Die Thesen bzw. Einschätzung des Diskussionseröffnenden besagten, dass in den letzten Jahren zwar eine Weiterentwicklung der Strukturen beim JUKSS (z.B. genderkritischer Umgang mit Klos und Duschen, Abschaffung von Plenum & co., Auseinandersetzung mit Hierarchien etc.) stattfand, aber die Inhalte immer mehr zu wünschen übrig lassen.

Im Detail fand ich diese Einschätzung unzutreffend, da viele Themen vertreten waren und entsprechende Arbeitskreise stattfanden. Den Eindruck, dass es sehr viel weniger Workshops zu bestimmten Öko-Basics gibt, als dies vielleicht vor zehn Jahren war, teile ich dagegen. Und mir scheint auch, dass es eine große Kluft zwischen theoretischen Arbeitskreisen und der daraus folgenden Aktivität gibt. Selbst aus eher praxisorientierten Workshops, z.B. kreativer Umgang mit Zivis und Bullen, wo direkt zum Ausprobieren von Aktionsideen eingeladen wurde, entstanden kaum Aktivitäten.

Vielfach habe ich den Eindruck, dass die Leute zu Arbeitskreisen gehen, Informationen konsumieren oder auch Diskussionen führen, dass aber die Motivation fehlt, daraus Konsequenzen für das eigene Handeln zu ziehen. Beim Klimaschutz-AK z.B. gab es am Ende eine längere Diskussion darüber, was nun zu tun sei, weil die trüben Zukunftsaussichten bei Fortführung der derzeitigen Politik klar machten, dass Handeln notwendig ist. Aber es konnte sich niemand überwinden konkrete Schritte zu unternehmen. Wenn das immer so läuft, finde ich es traurig. Denn dann scheinen AKs keine Bedeutung für die Praxis zu haben und nur dem Konsum zu dienen. Das ist auch etwas, was ich geändert sehen möchte...

Einziges mir bekanntes Gegenbeispiel war das Thema Baumbesetzung in den Niederlanden. Dazu gab es einen Infoworkshop, der dazu führte, dass meines Wissens mehr als zehn JUKSSies im Anschluss an den Jugendumweltkongress dorthin fuhren und sich an Aktionen beteiligten. Ich würde mir wünschen, dass aus mehr Arbeitskreisen solche Aktivitäten entstehen. Leider scheint das dann auch schon wieder das Ende der Aktivität gewesen zu sein, dass also nach der Baumbesetzung und Räumung keine weitere Organisierung o.ä. geschah.

Kapitalismus und Ausbeutung gefördert durch den JUKSS

Schon während des JUKSSes gab es einige Diskussionen um den hier betriebenen Kiosk. Er sollte in erster Linie der Finanzierung von Sanimaterial und weiterhin zur Bezuschussung des Kongresses dienen. Positiv an diesem Kiosk fand ich auch, dass er in Eigeninitiative initiiert und betrieben wurde. Und der JUKSS erhielt so tatsächlich mehrere hundert Euro.

Problematisch empfanden dagegen viele - und ich sehe das auch so - dass hier Alkohol und nicht Öko- bzw. Fairtrade-Produkte verkauft wurden. Auch diese wären noch diskussionswürdig, weil auch damit kapitalistische Prozesse mitgetragen werden. Dass aber bei einer Veranstaltung, die sich emanzipatorische Politik auf die nicht vorhandenen Fahnen schreibt, Supermarkt-Ausbeutungs-Schokolade verkauft, dass beim JUKSS, wo wir über Selbstorganisierung und eigenverantwortliches Handeln debattieren, die Vernebelung der Sinne durch alkoholische Getränke angeregt wird, mutet seltsam an.

Über dieses Thema wurden mehrere Diskussionen geführt; der Mensch, der den Kiosk betrieb, hatte aber seine eigenen Vorstellungen, warum dieses Vorgehen sinnvoll sei: Beim Alkohol könne so kontrolliert werden, wieviel davon konsumiert wird. Die Leute würden nicht extra Alkohol kaufen, wenn sie wissen, dass sie beim JUKSS Bier einfacher bekommen. Außerdem könnte so beschränkt werden, wieviel Bier im Umlauf ist. Dagegen würden die Leute losziehen und dann mehr und "härteren" Alkohol kaufen, wenn es nichts davon beim JUKSS gäbe. Ich meine, dass das nur zum Teil zutrifft: Auch mit Bierverkauf gab es unglaubliche Mengen leerer Flaschen hochprozentiger Getränke - jeden Morgen. Ich bezweifle, dass es ohne das Bier-Angebot wirklich mehr gewesen wäre. Außerdem glaube ich, dass auch hier das Angebot die Nachfrage erhöht, dass also Leute, die sonst ohne Alkohol ausgekommen wären, durch die Möglichkeit ihn am Kiosk einfach zu bekommen, zum Bierkonsum angeregt wurden.

Bei den anderen Produkten - vor allem Chips, anderer Knabberkram und Schokolade - gab es ein 3-Klassen-System. Dies sollte dazu beitragen, dass sich alle etwas leisten könnten, weil für viele Bio zu teuer ist. Die Billig-Schokolade wurde teuerer als im Laden verkauft und die Fairtrade-Schokolade dagegen subventioniert. Trotzdem gilt hier m.E. auch, dass erst das Angebot die Nachfrage schaffte. Und auch wenn sich durch den hohen Preis von Bioschokolade einige Leute wahrscheinlich deren Kauf nicht leisten können, finde ich das noch kein ausreichendes Argument, dass zusätzlich Billig-Schokolade, bei der völlig klar ist, dass sie nur aufgrund massiver Ausbeutung und Umweltzerstörung diesen Preis haben kann, angeboten wird. Meiner Meinung nach müsste da eine andere Lösung gefunden werden, zur Not gibt es eben keine Schokolade.

Der Mensch, der den Kiosk organisierte, zeigte sich schon diskussionsbereit und will versuchen, zum nächsten Kongress frühzeitig nach regionalen Kontakten zu suchen. Damit hofft er günstiger an Ökoprodukte zu kommen und der Kritik zuvorzukommen. Eine grundsätzliche Debatte darum, wie vereinbar der Verkauf von Alkohol und "Ausbeutungsprodukten" (prinzipiell sind ja alle kapitalistisch erzeugten Produkte aus "Ausbeutung", auch die Fairtrade-Schokolade) mit emanzipatorischer Gesellschaftsgestaltung ist, wie viele sie mit dem JUKSS verbinden, steht noch aus.

Zwei Wochen JUKSS?

Da es zum ersten Mal einen so langen Jugendumweltkongress gab, müsste es nun zu einer Auswertung kommen, welche Vor- und Nachteile das gebracht hat. Aussagen einzelner Leute gibt es dazu schon, die sehr gegensätzlich sind. So waren negative Auswirkungen die höheren Kosten und dass vor allem in den letzten Tagen das AK-Angebot massiv zurückging. Positiv empfand ich dagegen, dass genügend Zeit für Organisierungsprozesse bestand, aber auch um viele thematische Workshops zu machen und dann auch noch Zeit zum sozialen Miteinander zu haben. Für mich war es der erste JUKSS, bei dem ich mich richtig auf die Menschen - unabhängig von speziellen inhaltlichen Themen - einlassen konnte, weil sonst mein Bedürfnis, zuerst meine Arbeitskreise durchzuführen, zu groß war und dann keine Zeit mehr blieb, um mich in die JUKSS-Atmosphäre fallen zu lassen. Ich fände es sehr schade, wenn der nächste JUKSS mir das nicht mehr ermöglichen würde.

Im Grünen Forum[12] gibt es einen Diskussionsstrang zum Thema JUKSS-Dauer, wo die Debatte und Auswertung geführt werden könnte. Bisher passierte dort aber noch nicht viel.

Resümee?

Meiner Meinung nach hatte der letzte JUKSS viel Potential für eine emanzipatorische Politik, allerdings gibt es vieles, was verändert werden sollte: Ich wünsche mir mehr praktische Konsequenzen aus den Workshops, einen bewussteren Umgang mit dem eigenen Verhalten (z.B. bezogen auf die Konfliktlösung) und das Bewusstsein, dass die eigenen Kompetenzen weiter entwickelt werden müssen, um Selbstorganisation und Horizontalität in der Organisierung zu ermöglichen.

Beim Jugendumweltkongress kommen viele Menschen zusammen, die eine andere, herrschaftsfreie Gesellschaft ausprobieren möchten, sich über viele Themen informieren wollen und/oder einige Tage in liebevollerer Atmosphäre als gewöhnlich zu verbringen wünschen. Das Potential zum Vermitteln und Weiterentwickeln politischer Themen ist damit groß - und es könnten auch längerfristige Kontakte, z.B. für Kampagnen und Projekte, entstehen.

Der nächste JUKSS soll viel mehr als bisher von den JUKSSies selbst gestaltet und vorbereitet werden als es bisher der Fall war. Zwar gibt es ein Orga-Team, allerdings besteht der Anspruch, dass hieraus vor allem die Rahmenbedingungen für einen selbstorganisierten Kongress entstehen - z.B. durch die Anregung sich in die Vorbereitung einzubringen und durch ein geeignetes Wiki, in dem die Organisierung koordiniert werden kann. Außerdem bildete sich aus dem JUKSS heraus ein Grüppchen von Leuten, die nun ein Organisierungsansatz-Treffen zu hierarchiefreien Großveranstaltungen[13] vorbereiteten. Dieses Treffen fand vom 18. bis 21. Mai in Leipzig statt.

Eine umfangreiche Stichpunktsammlung zur Auswertung des letzten JUKSSes entstand dort aus einem Reflexions-Workshop und ist auf der Internetseite zum Jugendumweltkongress[14] zu finden.

Quellen