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Aktuelle Version vom 7. Dezember 2013, 17:13 Uhr

Im Wald.jpg

Wieder allein

Bitte lies diesen Text nicht, wenn du dich leicht mitreißen lässt von depremierenden Gefühlen und Aussichtslosigkeit. Ich möchte nicht, dass andere im sich "Reinfühlen" abstürzen. Bitte!!!

Genduerilla Wieder alleine, "sozialunfähig", fühle ich mich. Mir scheint, die Jahre des aus der Frustration entstandenen alleine Lebens und politisch Wirkens haben unbewältigbare Spuren hinterlassen. Ausgangspunkt war der immer wieder aufkommende Ärger darüber, dass ich mich in meinem Umfeld scheinbar kaum noch auf Absprachen verlassen konnte und es als krass unbefriedigend empfand zu sehen, welche großen Potentiale immer wieder ungenutzt verloren gegangen sind. Meistens betraf das die Organisation politischer Aktionen und Projekte, dann aber auch die Selbstorganisation im Alltag und die - seltenen - emotional näheren Beziehungen. So habe ich mich immer mehr unabhängig organisiert. Kaum noch Projekte in gleichberechtigter Kooperation, sondern immer so, dass ich es im Wesentlichen alleine mache und nur in Einzelfällen Andere um Hilfe fragen muss. Später sind auch meine Ansprüche an Beziehungen so gestiegen, dass ich mich nur noch selten tiefergehend auf Menschen eingelassen habe. Das führte aber auch zu einer klaffenden Schlucht zwischen meinem Umgang mit Menschen, die mir besonders wichtig sind, und anderen Personen.

Wie ich jetzt merke, hat sich nach und nach eine riesige Filmsammlung ergeben, die jetzt immer wieder ganz ungewollt ablaufen und meine Wahrnehmung und Gefühle beeinflussen. Und ich merke, dass es gar nicht einfach ist, mir zuweilen unmöglich erscheint, eine Stopp-Taste zu finden. Symptomatisch sind folgende Situationen: Da komme ich nach einem Seminar in ein nettes Gespräch, die Gruppe macht sich jetzt auf in Richtung Unterkunft, um bald zu schlafen. Erstmal wieder der Herdeneffekt, der mir komisch ist - eine oder ein paar Personen gehen los und plötzlich machen das alle. Aber OK, ich überlege, ob ich die Unterhaltung, aus der wir rausgerissen wurden, dort fortsetzen möchte und merke, dass ich ein starkes Bedürfnis nach dem sozialen Kontakt habe. Aber da ist eine Mauer: ich habe mich bereits so sehr daran gewöhnt, mich zurückzuziehen, dass es eher eine Ausnahme ist, wenn ich zusammen mit anderen Menschen schlafe. Aus diesem Bewusstsein heraus wird eine Projektion und ich frage mich, ob ich das jetzt wirklich brauche. Ist es nicht unangenehmer, in der Erwartung eines angenehmen Gefühls unter Fortsetzung des Gesprächs enttäuscht zu werden und dann diesen nach meiner Wahrnehmung zu einem großen Schritt gewordenen Akt vorzunehmen, nur um am Ende frustriert mit einem eisigen Allein-Gefühl zwischen lauter Leuten zu liegen, die aber gar nicht mehr reden oder den Kontakt zu mir wollen?

Und so gehe ich dann nicht mit. Bleibe (fast) alleine zurück und begreife, wie sozialunfähig ich mich fühle. Selbst dem klaren Gefühl des Bedürfnisses nach der Nähe von Menschen kann ich nicht mehr nachgehen, weil sich mit den Jahren ein Haufen unaufgelösten Sozialprobleme-Mülls angesammelt hat, über den ich immer wieder stolpere. Und ich fühl mich beschissen, handlungsunfähig, hoffnungslos. Beim Nachdenken über die Situation verfalle ich immer wieder in Schleifen, die irgendwann sagen: das geht nicht! Es ist nicht ohne Grund, dass ich mir angewöhnt habe, bestimmte Situationen zu vermeiden. Vielfach wohl aus der Erkenntnis heraus, dass ich nicht in jedes Thema, jede Problematik alle nötige Energie stecken kann und will. Und das komische Verhalten anderer Leute in einem Bereich, der von denen als unpolitisch begriffen wird, hatte für mich weniger Priorität als konkrete Projekte, Auseinandersetzungen um politische Organisierung oder die sich meinen Ansprüchen annähernde Gestaltung meines Lebens.

Seit ich so intensiv wahrnehme, dass ich hier ein großes zunächst psychisches und daraus auch soziales Problem habe, versuche ich dieses aufzulösen. Jedes Scheitern löste neue Gedankenprozesse aus, die zum Teil erfreulich sachlich waren und auch mal einen Gesamtüberblick möglich machten. Ich glaube, im Konkreten sind die meisten unangenehmen Situationen nicht entscheidend und könnten von mir auch einfach hingenommen und abgehakt werden. Aber sie erinnern mich daran, dass ich es grundsätzlich nicht hinkriege, mich wirklich auf Menschen einzulassen und immer wieder vor Situationen fliehe, die mir irgendwie unangenehm sind, weil ich nicht weiß, wie ich sie realistisch verändern kann.

Dazu kommt die Wahrnehmung, dass ich genau zu wissen meine, wie ich früher mit entsprechenden Situationen umgegangen bin und mich ausgetrickst habe, um sie nicht als das wahrzunehmen, was sie sind. Ich beobachte diese Mechanismen auch bei anderen Menschen, merke aber, dass ich mich nicht mehr auf sie einlassen kann. Mir ist zu klar, dass ich mich da belügen würde und dass ich mit "ausblenden" auch nicht zufrieden wäre. Was bleibt, ist unglücklich sein. Bei anderen sehen, was ich - partiell - auch gern erleben möchte, aber wahrnehmen, dass ich noch andere Ansprüche an den Umgang miteinander habe, die von diesen oder im Umgang mit ihnen nicht erfülllt werden. Dazu gehört mein Wunsch nach viel Reflektion und bewusstem Umgang miteinander und mit dem gemeinsamen Entwicklungsprozess. Naja, und noch viel mehr.

Ich weiß nicht, ob meine Wahrnehmung dann verschwommen war oder es erstmal wirklich so schien, als gäbe es für mich einen Hoffnungsschimmer. Ich lerne einen Menschen kennen, der sehr sensibel und reflektiert schien, mich auch mochte und formuliert, gern einen gemeinsamen Entwicklungsprozess machen zu wollen. Die erste Zeit fühlte sich wirklich sehr gut an. Ich merkte, dass es mir allein schon sehr gut tut, wahrzunehmen, dass dieser Mensch da ist - ohne den Anspruch, viel zusammen machen zu müssen. Unser Annäherungsprozess war ganz vorsichtig, reflektiert und mit vielen Gesprächen verbunden. Das fühlte sich sehr gut an, weil ich auch den Eindruck bekam, "ja, so kann das gehen". Sehr sensibel auf die Ängste und Befindlichkeiten der anderen Person(en) eingehen, sich dafür die nötige Zeit nehmen und dann auch noch Aktionen und Projekte miteinander hinkriegen.

Klar war mir auch, dass es ein Problem darstellt, dass da gerade nur eine Person ist, mit der das möglich erscheint, dass das Risiko, diesen Menschen bzw. diese Beziehung mit sehr großen, kaum allein mit einer Person erfüllbaren Hoffnungen auf Perspektive und Entwicklungen zu beladen. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass meine schönen Vorstellungen bald zerstört wurden, vermutlich waren aber auch meine Projektionen davon, wie dieser Mensch ist, an dieser Entwicklung wesentlich beteiligt. Jedenfalls war da ein deutlicher Bruch. Das von mir aufgebaute Vertrauen in unseren Umgang miteinander, in den Anspruch, Probleme zu klären und zu lösen, ist ziemlich ins Wanken geraten. Der Kontakt ist zwar nicht verloren, aber ich verzweifle an meinen immer wieder gegensätzlichen Gefühlen von einzelnen, kleinen schönen Momenten und den Phasen von Unzufriedenheit und Frustration. Ein Großteil des Problems liegt direkt in mir, ich sehe es in den Erwartungen, gegen die ich ankämpfe, aber trotzdem immer wieder aufbaue.

In solchen Situationen stolpere ich ständig über Verhaltensweisen bzw. Mechanismen bei mir, die ich nicht will, die sich aber bereits auswirken. In meiner Verzweiflung darüber, sie nicht loszuwerden, kommt dann immer wieder das Gefühl auf, dass ich das nicht schaffen werde, es aussichtslos ist. Statt ewig viel Energie zu verschwenden und schrittweise daran zu zerbrechen, wäre es besser, mich von dem Wunsch nach sozial-Kontakten zu lösen, mich mit dem Alleinsein zu arrangieren und alle Kraft in politische Projekte zu stecken. Aber wenn ich weiter denke, fällt mir auf, dass ich diese mache, weil ich eine andere Gesellschaft möchte, in der ich so leben kann, wie ich es mir wünsche. Und dass dazu auch der soziale Umgang mit anderen Menschen gehört. Diese Projekte machen keinen Sinn, wenn ich mein Bedürfnis nach sozialer Nähe aufgebe. Und da schließt sich wieder eine Schleife, denn ich merke, dass ich diesen Umgang nicht hinkriege.

Ich merke aber auch, dass ich mein Bedürfnis nach der Nähe mir lieber Menschen nicht einfach abschalten kann. Ich kann mir in einem Moment sagen, es ist das sinnvollste, mich nicht mehr auf diesen Kontakt einzulassen und entscheiden, Distanz aufzubauen. Aber es funktioniert nicht, das Bedürfnis kommt wieder, häufig genau dann, wenn die Person, auf die sich diese Entscheidung bezog, mir gegenüber wieder offener auftritt. Mir scheint, ich bin nicht stark genug, um den nötigen Schritt zu gehen. Ich will aber auch nicht stark sein müssen.

Dann kommt in das benebelnde Gefühl der Hoffnungslosigkeit auch mal wieder Klarheit, und ich merke, dass ich immer nur über die Symptome nachdenke. Dass ich versuche, mir einen Rahmen zu denken und dann zu schaffen, in dem ich mich möglichst gut fühle. Der scheitert aber meistens daran, dass ich keine Idealverhältnisse vorfinde oder erreiche. So kommen meine Unsicherheiten doch wieder zum Tragen und wenn mangelnde Kommunikationsfähigkeit dazu kommt, entstehen für mich schnell wieder verzweifelnde Momente. Wenn es mir gelingt, mich zum klaren Nachdenken zu zwingen und nicht vom Gefühlsrausch der Verzweiflung mitreißen zu lassen, scheint die Erkenntnis zu kommen, dass ich vor allem am Abbau meiner Erwartungen arbeiten muss, dass ich nicht versuchen sollte, mit sozialen Kontakten abzuschließen, sondern mich zu öffnen, und die Chance für mehr herzustellen. Doch das ist es, wovor ich immer wieder fliehe. Denn ich weiß, dass es wieder unangenehme und auch schmerzhafte Erlebnisse geben wird, aber ich möchte, dass es auch mir (emotional) gut gehen kann. In der Vermeidung solcher Kontakte kann ich das akute Enttäuschungs- und manchmal auch Verletztseins-Gefühle reduzieren, da entsteht dann stattdessen Hoffnungslosigkeit, die sich auch immer mal wieder Ausdruck verschafft. Aber darin liegt keine Lösung, sondern die Festschreibung dieses beschissenen Zustands.

Immer wieder kommen Momente auf, in denen ich meine soziale Aussichtslosigkeit so krass wahrnehme, dass ich am liebsten einen Ausschalter drücken möchte. Alles abschalten, nichts mehr fühlen, nicht mehr sein. Endlich Ruhe. Hätte ich eine Waffe, dann wäre das vielleicht schon einige Male geschehen. Vor anderen Mitteln schrecke ich zurück, weil ich unsicher bin, ob sie wirken, oder eine unangenehme Vorstellung vom langsamen Sterben habe. Ein Schalter - und aus, das wärs.