2007-02:Gericht stellt fest: Polizeihandeln am 11. September 2006 war rechtswidrig

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Gericht stellt fest:

Polizeihandeln am 11. September 2006 war rechtswidrig

fb Die Klage eines Magdeburger Polit-Aktivisten gegen die Gießener Polizei wurde vor wenigen Tagen vom Verwaltungsgericht Gießen positiv beschieden. Die Polizei hatte gewaltsam eine in der Form harmlose Meinungsbekundung mehrerer AktivistInnen unterbunden. Diese hatten sich gegen die „Law & Order“-Politik des hessischen Innenministers Volker Bouffier gerichtet. Im Zuge der gerichtlichen Auseinandersetzung musste das Polizeipräsidium Mittelhessen schließlich eingestehen, dass diese polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig waren.

Am 11. September 2006 brachten AktivistInnen in Gießen vor der Anwaltskanzlei des hessischen Innenministers mit Kreide Botschaften gegen dessen „Law & Order“-Politik an[1]. Diese Innenpolitik zeichnet sich einerseits im Abschmettern von Ermittlungen gegen straffällige Polizisten aus. Auf der anderen Seite fährt Bouffier die höchsten ihm zur Verfügung stehenden Geschütze auf, um ihm unliebe politische KritikerInnen loszuwerden.

Ersteres spielt auf die tödlichen Schüsse eines thüringischen Polizisten auf einen angeblichen Zigarettenautomaten-Knacker[2] an. Nach allerhand Vertuschung und der Suggestion, das Opfer sei an seiner Erschießung selbst schuld gewesen, wird der Todesschütze schließlich freigesprochen. Bouffier Kanzlei führte das Verfahren.

Während also Polizisten vor der Strafverfolgung geschützt werden, scheute der Innenminister keine Mühe, um einen unliebigen Polit-Aktivisten seiner Heimatregion hinter Gitter zu bringen: Am 14. Mai 2006 wird das „Mobile Einsatzkommando“ (MEK), eine Spezialeinheit der hessischen Polizei, im Zusammenhang mit Farbanschlägen auf Bouffiers Kanzlei in Stellung gebracht. Fast alle Polizeikräfte aus Gießen und den umliegenden Polizeistationen bis zur Bereitschaftspolizei werden zum Einsatz gebracht, um vier auf dem Gießener Justizgelände Badminton spielende AktivistInnen zu verhaften[3].

Gegen die öffentliche Thematisierung dieser Aspekte der bouffierschen „Law & Order“-Politik vor dessen Kanzlei trat sofort ein Mitarbeiter des Anwaltsbüros mit Tritten gegen einen Aktivisten und weiteren aggressiven Gesten auf. Die schnell hinzukommende Polizei nahm sich nun nicht etwa den Täter dieser Körperverletzungen vor, sondern dessen Opfer und die anderen AktivistInnen. Weitere Kreidemalereien wurden nun auch von den PolizeibeamtInnen aggressiv angegangen und schließlich griff Einsatzleiter PHK Klingelhöfer selbst handgreiflich ein. Die Kreide wurde „sichergestellt“, die öffentliche Meinungsäußerung unterbunden. Die Polizei hatte dabei selbst die Mindestanforderungen des Versammlungsrechts übergangen.

Den daraufhin eingereichten Widerspruch gegen die Polizeimaßnahmen ließ das Polizeipräsidium trotz mehrfacher Nachfragen unbeschieden. Daher reichte ein Aktivist eine Untätigkeitsklage gegen die Polizei ein. Das Verwaltungsgerichtsverfahren hatte die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Polizeihandelns zum Ziel. Zuletzt beschloss die 10. Kammer des Gießener Verwaltungsgerichts die Einstellung des Verfahrens zu Lasten der Polizei und erklärte in der Begründung, dass sich diese durch ihre Prozesserklärung „in die Rolle des Unterlegenen begeben hat“ (VG Giessen, 10 E 726/07).

Der Kläger resümiert: „Selbst Kreidemalereien, die weder straf- noch ordnungsrechtlich belangbar sind, attackiert die Gießener Polizei und bricht dabei Grundrechte. Diesmal wurde sie nicht vom Verwaltungsgericht gedeckt, offensichtlich ging da das Polizeihandeln doch zu weit. Trotz dieses Erfolges bleibt ein Beigeschmack: das Aussitzen der Widersprüche durch die Polizei und die schließlich unumgängliche Einstellung des Verfahrens auf Polizeikosten, aber ohne Urteil, zeigt wie schwer es ist gegen die häufigen Rechtsbrüche der Gießener „Staatsdiener“ vorzugehen.“

Inzwischen hat sich die Polizei neue Verfahren gegen die AktivistInnen ausgedacht: aus einer erlogenen Verweigerung der Personalienangabe bei einer Polizeikontrolle an einem Gießener Gentech-Versuchsfeld wurde ein Bußgeldverfahren gegen den Magdeburger Aktivisten und weitere Personen aus anderen Orten konstruiert[4]. Die Repressionen gegen politisch aktive Menschen laufen in Gießen also weiter, nur eben auf anderer Linie.

Mehr Infos

Informationen zur bouffierschen „Law & Order“-Politik: http://www.im-namen-des-volkers.de.vu.
Über das neuerliche Ermittlungsverfahren informiert die Seite http://www.gendreck-giessen.de.vu.

Fußnoten