2007-03:Aktuelle Rechtstexte

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Repressions-Nachrichten

§ 129a, die Erste: Alte Tricks neu aufgewärmt

jb Viele Jahre war es ruhiger um den sog. „Ermittlungsparagraphen“ gewesen. Nur in Einzelfällen nutzten die meist bundesweit agierenden Oppositionsverfolger die seltsame Rechtskonstruktion, dass Menschen auch dann verfolgt werden können, wenn sie nicht selbst einer Straftat verdächtigt sind, sondern irgendwelche Roben- und Amtsträger meinen, sie würden zu einer Gruppe gehören, die so etwas plant oder durchführt. Was dabei eine Gruppe ist und wie das Dazugehören sich genau gestaltet, ist der willkürlichen Auslegung der Strafverfolger unterworfen. Im Vorfeld des G8-Gipfel überfielen Polizeikommandos recht plötzlich viele „linke“ Zentren auf der Suche nach irgendwelchen terroristischen Vereinigungen, so der Gegenstand des § 129a im Strafgesetzbuch. Mehr zur G8-129a-Kriminalisierung unter http://de.indymedia.org/2007/05/176032.shtml.

§ 129a, die Zweite: Verfahren und Forderung nach Freilassung

Die Merkwürdigkeiten um die neue Neigung der Bundesrepressionsbehörden, mit dem Nebel-Paragraphen „terroristische Vereinigung“ zu agieren, nehmen zu. Der Paragraph dient ja dazu, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, wenn keine konkreten Beweispunkte vorliegen. Dann reicht der Verdacht, dass irgendjemand sich mit irgendwem irgendwo getroffen und über was geredet haben könnte. Das reichte auch in einem zweiten Fall, nämlich bei der Festnahme von zunächst drei Personen, später wurde eine vierte verhaftet. Die Logik des Paragraphen wird bei allen deutlich, denn die Ermittler haben nicht viel mehr Konkretes verkündet als die Behauptung, die drei bei einem missglückten Brandanschlag beobachtet zu haben und den vierten wegen stilistischer (!) Ähnlichkeiten zwischen seinen wissenschaftlichen Arbeiten und BekennerInnenschreiben zu verdächtigen. Feature zur MG-Kriminalisierung unter http://de.indymedia.org/2007/08/192870.shtml.

Freilassungsforderung light

Die Forderung nach sofortiger Einstellung der unverschämten Verfahren und Freilassung der Betroffenen ist gerechtfertigt. Bedauerlich ist jedoch, dass in vielen Solidaritätserklärungen der Eindruck erweckt wird, es handele sich speziell in diesem Fall und nicht gerechtfertigte Verfolgung und daher seien speziell die hier Betroffenen freizulassen. Nein: Manipulationen seitens Polizei und Justiz nach ihren Interessen, die Erfindung von Tatvorwürfen und willkürliche Verhaftungen sind Alltag. Die geschehen in fast allen Fällen unbemerkt und geräuschlos. Daher ist die Forderung nach Abschaffung aller Knäste und Freilassung aller Menschen aus Gefängnissen, geschlossenen Psychiatrien und Heimen nicht nur weiterhin notwendig, sondern sollte immer dann mit erhoben werden, wenn konkrete Inhaftierungen das Straf- und Knastregime in den Vordergrund rücken. Wenn die vielen unbekannten Menschen im Knast auch dann nicht mitbenannt werden, wenn die Freiheit Ausgewählter verlangt wird (was wichtig ist), werden sie wohl vergessen bleiben.

Abenteuerliche Razzien

Kurdische AktivistInnen und von den Verfolgungsbehörden hinzugerechnete Personen sind zunehmender Verfolgung durch bundesdeutsche SicherheitsfanatikerInnen ausgesetzt. Der neueste Schrei: Personen aus diesem Spektrum würden die Ermordung eines deutschen Polizeibeamten planen. Anhaltspunkte: Keine. Genaue Informationen: Keine. Aber für Durchsuchungen von etlichen Wohnungen und Kulturzentren sowie etliche Kurzzeit-Verhaftungen reichte das allemal – so unter anderem beim Mesopotamischen Kulturverein in Gießen am 26. Juli 2007. Interessanter als die absurden Vorwürfe gegen die kurdischen Vereine könnte ein Blick auf den Grund sein, warum Menschen den Polizeibeamten Klaus B. nicht mögen. Der hatte nämlich 1994 in Hannover einen Jugendlichen erschossen, als dieser Plakate klebte. Wie üblich wurde der Polizist freigesprochen – das sei aus Versehen passiert. So oder ähnlich klingt es immer, wenn Angehörige der gewalttätigsten Gruppen in dieser Gesellschaft (Polizei und Militär) jemanden umbringen: Versehen, Notwehr, nervöse Zuckung des Zeigefingers ... (gesammelte Fälle unter http://www.polizeizeugen.de.vu).


Offiziell bescheinigt: Polizei und Gerichte mit Nazimethoden

Beeindruckender Beschluss des Oberlandesgerichts zu einem Polizeiüberfall auf politische AktivistInnen am 14. Mai 2006 nahe Gießen: Alle Beschlüsse werden klar als rechtswidrig bezeichnet und das Handeln von RichterInnen und Polizei mit Nazi-Methoden in Verbindung gebracht. Am Ende folgt ein Wink mit dem Zaunpfahl, die Verantwortlichen auch strafrechtlich zu attackieren. Ob das geschehen wird, liegt in der Hand der an den Rechtsbeugungen, Freiheitsberaubung, Fälschungen und der Verfolgung Unschuldiger beteiligten Staatsanwaltschaft in Gießen. Denn sowohl Oberstaatsanwaltschaft (Ebene: Hessen) wie auch die Bundesanwaltschaft lehnten es ab, zu agieren. So werden wieder die TäterInnen in eigener Sache ermitteln. Dennoch: Ein solches Urteil hat es wohl selten gegeben in der Geschichte der Republik. Leider ist es auch in „linken“ Printmedien bislang nicht veröffentlicht worden – zur Freude der Uniform- und Robenträger in der Stadt Gießen. Alle Informationen im Internet: http://www.projektwerkstatt.de/14_5_06.


Übersicht zu Polizeirepression in Freiburg

Viele Berichte und Beispielfälle zu Repression in Freiburg sind in einem Dossier zusammengestellt, das auf Indymedia erschienen ist unter http://de.indymedia.org/2007/07/189395.shtml.


Ton-Bilder-Schau „Fiese Tricks von Polizei und Justiz“ im Internet

Fiesetricks.jpg

Seit Jahren sammeln politische AktivistInnen im Raum Gießen Materialien über die Fahndungs-, Ermittlungs- und Anklagemethoden von Polizei und Staatsanwaltschaft sowie die Verurteilungspraxis der Gerichte. Dabei sind meterweise Gerichts- und Polizeiakten durchgesehen und ausgewertet worden. Seit 2004 erschienen die Zwischenberichte in jährlichen Dokumentationen, die auch heute noch unter http://www.polizeidoku-giessen.de.vu einzusehen und herunterzuladen sind. Nun wurden ausgewählte Beispielfälle in einem größeren Medienprojekt zusammengestellt. Der Mitschnitt einer Veranstaltung am 2. Januar 2007 nahe Berlin wurde im Internet mit Auszügen aus den Akten und ergänzenden Texten eingestellt und kann unter http://www.projektwerkstatt.de/fiesetricks angesehen und angehört werden. Der Referent steht auch für Veranstaltungen zur Verfügung. Im Juli dieses Jahres erschien zudem das Buch zum Thema unter dem Namen „Tatort Gutfleischstraße. Die fiesen Tricks von Polizei und Justiz“ im SeitenHieb-Verlag (http://www.seitenhieb.info).


Workshops

Die Initiative „Gendreck weg!“ lädt am ersten Novemberwochenende nach Kassel zu einem Gerichtsprozess-Training ein (http://www.gendreck-weg.de). Am gleichen Wochenende soll in Köln ein Workshop zu kreativer Antirepression laufen: Samstagnachmittag (3.11., 18 Uhr) die Veranstaltung „Fiese Tricks von Polizei und Justiz“, sonntags (12-17 Uhr) ein Tagesseminar zu konkreten Aktionsmethoden bei Gericht, Personalienkontrollen, Festnahmen usw. Ort wird das SSK-Cafe sein.