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Version vom 20:42, 5. Okt 2007

Dr. Rath und die AGFG

Vitaminpillen gegen AIDS

Die Partei AGFG, die sogenannte Allianz für Gesundheit, Frieden und soziale Gerechtigkeit, versucht in jüngerer Zeit verstärkt, in linken und emanzipatorischen Bewegungen Präsenz zu zeigen. So beteiligt sich diese Gruppierung an verschiedenen Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV und versuchte auf dem Camp der Initiative »Gendreck Weg« ihre Materialien zu verbreiten. Grund genug, sich mit den Hintergründen dieser Partei näher zu beschäftigen.

Die Umweltbewegung wird nur allzu oft von allerlei Sekten, Esoterikern und Verschwörungstheorien heimgesucht. Vor circa einem Jahr schrieb ich dazu bereits einen Artikel [1]. Insbesondere der Widerstand gegen die grüne Gentechnik scheint es den Spinnern angetan zu haben. Die AGFG, Partei des Vitamingurus Dr. Matthias Rath, scheint dies als neues Betätigungsfeld erkannt zu haben.

Vitamintherapie Mittel gegen Krebs

Ursprung der Vitamintherapie von Dr. Rath bilden die Ideen des Chemikers Linus Pauling. Dieser hatte gegen Ende seines Lebens die These vertreten, mit Hochdosierten Vitamin C-Präparaten könne Krebs effektiv behandelt werden - welche man praktischerweise auch gleich bei ihm selbst für teures Geld kaufen könnte. Linus Pauling wird oft als Nobelpreisträger zitiert - was zwar richtig ist, aber die notwendige Klarstellung erfordert, dass er diesen in der Chemie erhielt und das Thema mit Medizin rein gar nichts zu tun hatte.

Dr. Rath hat in jüngeren Jahren unter Linus Pauling gearbeitet, dessen Theorie jedoch weiterentwickelt auf eine Vielzahl von Vitaminen - die er, inzwischen von Holland aus, zu Höchstpreisen verkauft. Neben Rath gibt es noch einige andere Gruppierungen, die sich im weitesten Sinne auf Pauling berufen, so empfahl etwa im Vorfeld der Berliner Abgeordnetenhauswahl 2006 eine Vitamin C Privatstiftung [2] mit einer groß angelegten Plakatkampagne die Nichtwahl, da keine der antretenden Parteien die Verabreichung von hohen Vitamin C-Dosen empfahl (was nicht ganz korrekt war, auch Raths AGFG trat zur Wahl an).

Rath erlangte in der Vergangenheit größere Bekanntheit durch diverse Plakatkampagnen. So wetterte er gegen das von ihm so bezeichnete »Vitaminverbot« (welches ihm den Verkauf seiner Präparate ohne arzneimittelrechtliche Zulassung untersagte) und teilte wenig später mit, Krebs sei nun mit Hilfe von Vitaminpillen heilbar. Die Eltern des krebskranken, Dominik entschieden sich, auf eine medizinische Behandlung zu verzichten und diesen ausschließlich mit Raths Vitaminpräparaten zu behandeln. Mehrere mit dem Fall betraute Mediziner attestierten Dominik gute Überlebenschancen durch eine Chemotherapie. Rath organisierte bundesweit Massenveranstaltungen, in denen Dominik als geheilt vorgestellt wurde - bis dieser im November 2004 verstarb.

Rath gründet Partei

Zur Bundestagswahl 2005 gründeten einige Anhänger von Dr. Rath die oben genannte AGFG - Vorsitzender wurde Lutz Klicke, der gleichzeitig auch den Vertrieb von Raths Präparaten in Deutschland organisiert. Lediglich in Sachsen-Anhalt erhielt die Partei die notwendigen Unterstützungsunterschriften für eine Wahlteilnahme. Parteienforscher zweifeln teilweise, ob es sich bei der AGFG um eine zulässige Partei handelt. Einiges in der Satzung scheint eher ungewöhnlich, so werden Bundesparteitage nichtöffentlich abgehalten, Neumitglieder müssen vom Bundesvorstand bestätigt werden. Möglicherweise ist zu vermuten, dass es der Gruppierung vor allem darum geht, durch den Parteienstatus kostenlose Werbezeit in Fernsehen und Radio zu erhalten.

Afrika und AIDS

Während seine Anhänger sich in der deutschen Parteienlandschaft herumtreiben, verweilt Dr. Rath selbst im Moment meistens in Südafrika. Dazu ein kleiner Abriss über AIDS und Südafrika.

1998 klagten mehrere internationale Pharmafirmen vor der WTO gegen die südafrikanische Regierung, die in staatlichen Fabriken so genannte Generika von Anti-Retroviralen AIDS-Medikamenten produzierte, die die Lebensdauer von AIDS-Patienten deutlich verlängern. Dies hat den Hintergrund, dass viele Medikamente zwar relativ günstig zu produzieren sind, jedoch aufgrund horrender Patentgebühren für viele Menschen nicht finanzierbar. Der Fall erregte weltweit Aufsehen und gilt als eines der wichtigsten Momente in der damals verstärkt aufkommenden Kritik an der WTO und insbesondere dem TRIPS-Abkommen (Treatment for Intelectual Property Services), welches allen Mitgliedsländern der WTO sehr restriktive Patentgesetzgebungen vorschreibt. Treibende Kraft der Kampagne gegen die Pharmafirmen ist die Treatment Action Campaign (TAC, [3]). In Deutschland kooperieren unter anderem Brot für die Welt und die Buko Pharmakampagne mit der TAC.

Südafrikas Präsident Mbeki sah sich durch die Verbreitung von AIDS vor einem Problem stehen. Betroffene forderten den Zugang zu medizinischer Behandlung. Einerseits verfolgte er eine neoliberale Wirtschaftspolitik, orientiert an den Vorgaben von WTO und IWF, andererseits würde der reguläre Kauf von Anti-Retroviralen Medikamenten enorme finanzielle Belastungen bedeuten. Als scheinbar eleganten Ausweg entschied sich Mbeki, sich mit allerlei Vertretern der so genannten AIDS-Dissidenten zu umgeben. Selbige sind untereinander wiederum in verschiedene Strömungen zersplittert, vor allem zu erwähnen sind hier die Gruppe um Peter Duisberg (prominentester Vertreter in Deutschland ist Claus Köhnlein), welche zwar die Existenz von HIV eingesteht, jedoch den Zusammenhang von HIV und AIDS bestreitet. Zum anderen die sogenannte Perth-Group aus Australien. Diese bestreitet grundsätzlich die Existenz von HIV. Einige Anhänger der Thesen der Perth-Group in Deutschland haben die Theorie inzwischen zur allumfassenden Medizin-Verschwörungstheorie weiterentwickelt und behaupten, dass es überhaupt keine krankheitserregenden Viren gibt. Dies wird vor allem durch Stefan Lanka verbreitet. Einen umfangreichen Hintergrundtext über die AIDS-Dissidenten gibt's unter [4].

Die AIDS-Kommission von Mbeki machte nun Südafrika zum Mekka aller möglicher Arten von Alternativmedizinern und Scharlatanen. Ein großer Politiker, der ihren Kampf gegen die Pharmariesen zu unterstützen schien (so unterschiedlich dieser im einzelnen auch sei - die Thesen der verschiedenen "Alternativ"-Heiler sind kaum miteinander vereinbar). So erkannte schließlich auch Dr. Rath, dass seine Vitaminpillen nicht nur gegen Krebs, sondern nun auch gegen AIDS das Allheilmittel schlechthin sind. Rath machte mit ganzseitigen Anzeigen und Plakatkampagnen in Südafrika auf sich aufmerksam und warb für seine Produkte. Insbesondere Fokus diverser Verleumdungskampagnen: Die TAC. Sie ist in der Weltsicht des Dr. Rath lediglich Helfershelfer der Pharmaindustrie. »Brot für die Welt« sah sich massiven Angriffen durch Rath-Anhänger in Deutschland ausgesetzt ([6]), ebenso die BUKO-Pharmakampagne ([7]).

Zurück zur AGFG und zur Gentechnik

Neuerdings scheint die AGFG sich verstärkt anderen Themen zu widmen - aktuelles Material ist auf den ersten Blick kaum von manchen anderen linken Publikationen zu unterscheiden. Montagsdemos, Gentechnik, Klimawandel, Sympatien für Chavez und Morales. Grundlage des Parteiprogramms ist jedoch weiterhin der Kampf gegen eine große Verschwörung des »Pharma-Kartells«, so soll unter anderem ein Atomkrieg die Umsätze mit Medikamenten ankurbeln ([8]).

Massiv bewirbt die Partei gerade ein Buch unter dem Titel »Saat der Zerstörung«, erschienen im Kopp-Verlag. Schaut man auf dessen Webseite, begegnet einem praktisch die komplette Bandbreite von Verschwörungsliteratur - 11. September, Hohlwelttheorie, Freiwirtschaft, Geheimlogen und vieles mehr.

Nun stellt sich natürlich die berechtigte Frage, wieso sich solche Gestalten so gerne im Widerstand gegen die grüne Gentechnologie betätigen. Es gibt genügend sachliche und wissenschaftlich fundierte Einwände gegen selbige. Dass Koexistenz mit traditioneller und ökologischer Landwirtschaft möglich sei, ist nach dem Liberty Link-Skandal (Sommer 2006, Spuren einer nirgendwo zum Verzehr zugelassenen Reissorte der Firma Bayer tauchten weltweit in Lebensmitteln auf) eigentlich nur noch lächerlich - von den Apologeten der neuen Technologie wird es immer noch gerne behauptet. Der Nutzen von Sorten wie dem BT-Mais MON810 (eine Kreuzung aus dem Bazillus Turingensis und konventionellem Mais, welche ein Toxin gegen den Maiszünsler entwickelt) ist praktisch nicht vorhanden und bringt nur wenige Jahre tatsächlich Vorteile - danach haben sich Schädlinge im Allgemeinen angepasst. Es gibt keinerlei sinnvoll begründbare Notwendigkeit für die grüne Gentechnik. Dass es hier um Marktkontrolle durch einige wenige Firmen (Monsanto, Bayer, BASF) des Lebensmittelmarktes (und bald auch des boomenden Geschäfts mit Bio-Kraftstoffen und Co2-Zertifikaten) geht, ist mehr als offensichtlich. Jedoch, wenn man Veranstaltungen gegen Gentechnologie besucht, zweifelt man gelegentlich, ob derartige Argumente wirklich die Grundlage dieser Bewegung sind. Neben der notorischen Vereinnahmung durch Parteien (was angesichts der Tatsache, dass man von grün bis schwarz lediglich um die das »Wie« und nicht das »Ob« grüner Gentechnik streitet, eher obskur anmutet), zeigt man doch nur allzu gerne den Schulterschluss mit Kirchen. Selbst bei der radikaleren Initiative »Gendreck Weg« gehört der morgentliche Gottesdienst vor der Feldbefreiung regelmäßig zum Programm. Es sollte durchaus Punkt einer kritschen Reflektion sein, ob es wirklich im Sinne einer sachlichen, an Fakten orientierten Argumentation sein kann, Gentechnologie als »Verbrechen an der Schöpfung« zu brandmarken.

Autor: Hanno Böck

[1] http://www.hboeck.de/archives/394-Verschwoerungstheoretiker-und-Sektenanhaenger-in-der-Jugendumweltbewegung.html

[2] http://www.vitamin-c-stiftung.de/

[3] http://www.tac.org.za/

[4] http://www.wsws.org/de/2001/dez2001/aid1-d08.shtml

[6] http://www.brot-fuer-die-welt.de/downloads/HintergrundpapierDrRath-TAC.pdf

[7] http://www.bukopharma.de/Pharma-Brief/PB-Archiv/2004/Phbf2004_09_10.pdf

[8] http://www.stopnuclearwar.org/de/