2008-01:Utopie Offener Räume: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Utopie Offener Räume ===
 
=== Utopie Offener Räume ===
'''fb''' In Offenen Räumen gibt es keine formalen oder informellen Hierarchien. Die Menschen handeln hier eigenständig, gewissermaßen autonom; treffen gleichberechtigt, auf gleicher Augenhöhe, aufeinander und handeln dementsprechend Konflikte aus bzw. gehen nach diesem Prinzip Kooperationen ein. Kein Plenum, kein Vorstand oder HausrechtsinhaberIn bestimmt was zu geschehen hat oder nicht gemacht werden darf.
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<span class="hervor_orange">'''fb''' In Offenen Räumen gibt es keine formalen oder informellen Hierarchien. Die Menschen handeln hier eigenständig, gewissermaßen autonom; treffen gleichberechtigt, auf gleicher Augenhöhe, aufeinander und handeln dementsprechend Konflikte aus bzw. gehen nach diesem Prinzip Kooperationen ein. Kein Plenum, kein Vorstand oder HausrechtsinhaberIn bestimmt was zu geschehen hat oder nicht gemacht werden darf.</span>
  
 
Das ist eine für die meisten Menschen ganz ungewohnte Art und Weise des Umgangs miteinander. Sicherlich gibt es immer wieder Teilbereiche, in denen Menschen gleichberechtigt agieren. Dies beschränkt sich dann meist aber auf einzelne Aspekte. Beispielsweise gibt es in der normalen westlichen Gesellschaft immer das formale Recht, das vorschreibt, wer im Streitfall das Sagen hat ''(EigentümerIn, Vorstand, ErziehungsberechtigtE)''. Aber auch in alternativen Zusammenhängen wirken in der Regel Hierarchien, die entweder offen ''(z.B. in basisdemokratischen Zusammenhängen verbreitet)'' oder versteckt ''(z.B. verdeckt durch Konspirativität in mancher radikalen Gruppe)'' wirken. So fällt häufig auf, dass gerade linke Strukturen gerne weniger offen für Menschen außerhalb der eigenen Szene wirken, als dies so manches bürgerliches bzw. in öffentlicher Trägerschaft betriebenes Zentrum schafft. Das trifft sicherlich nicht auf alle Projekte zu, es gibt aber eine entsprechende erkennbare Tendenz.
 
Das ist eine für die meisten Menschen ganz ungewohnte Art und Weise des Umgangs miteinander. Sicherlich gibt es immer wieder Teilbereiche, in denen Menschen gleichberechtigt agieren. Dies beschränkt sich dann meist aber auf einzelne Aspekte. Beispielsweise gibt es in der normalen westlichen Gesellschaft immer das formale Recht, das vorschreibt, wer im Streitfall das Sagen hat ''(EigentümerIn, Vorstand, ErziehungsberechtigtE)''. Aber auch in alternativen Zusammenhängen wirken in der Regel Hierarchien, die entweder offen ''(z.B. in basisdemokratischen Zusammenhängen verbreitet)'' oder versteckt ''(z.B. verdeckt durch Konspirativität in mancher radikalen Gruppe)'' wirken. So fällt häufig auf, dass gerade linke Strukturen gerne weniger offen für Menschen außerhalb der eigenen Szene wirken, als dies so manches bürgerliches bzw. in öffentlicher Trägerschaft betriebenes Zentrum schafft. Das trifft sicherlich nicht auf alle Projekte zu, es gibt aber eine entsprechende erkennbare Tendenz.

Version vom 13:34, 8. Mär 2008

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Utopie Offener Räume

fb In Offenen Räumen gibt es keine formalen oder informellen Hierarchien. Die Menschen handeln hier eigenständig, gewissermaßen autonom; treffen gleichberechtigt, auf gleicher Augenhöhe, aufeinander und handeln dementsprechend Konflikte aus bzw. gehen nach diesem Prinzip Kooperationen ein. Kein Plenum, kein Vorstand oder HausrechtsinhaberIn bestimmt was zu geschehen hat oder nicht gemacht werden darf.

Das ist eine für die meisten Menschen ganz ungewohnte Art und Weise des Umgangs miteinander. Sicherlich gibt es immer wieder Teilbereiche, in denen Menschen gleichberechtigt agieren. Dies beschränkt sich dann meist aber auf einzelne Aspekte. Beispielsweise gibt es in der normalen westlichen Gesellschaft immer das formale Recht, das vorschreibt, wer im Streitfall das Sagen hat (EigentümerIn, Vorstand, ErziehungsberechtigtE). Aber auch in alternativen Zusammenhängen wirken in der Regel Hierarchien, die entweder offen (z.B. in basisdemokratischen Zusammenhängen verbreitet) oder versteckt (z.B. verdeckt durch Konspirativität in mancher radikalen Gruppe) wirken. So fällt häufig auf, dass gerade linke Strukturen gerne weniger offen für Menschen außerhalb der eigenen Szene wirken, als dies so manches bürgerliches bzw. in öffentlicher Trägerschaft betriebenes Zentrum schafft. Das trifft sicherlich nicht auf alle Projekte zu, es gibt aber eine entsprechende erkennbare Tendenz.

Vielleicht kommt es zu diesem Paradoxie durch das Bedürfnis nach der Erweiterung der persönlichen bzw. kollektiven Freiheit sich als alternativ bzw. links verstehender Menschen, das dann in "Freiräumen" und "Schutzräumen" endet, die sich aber eher dem eigenen Klientel offen zeigen, den Rest aber eher ausschließen. Verstanden als Notanker in einer in vielerlei Hinsicht feindlichen Gesellschaft haben solche Freiräume auch ihre Berechtigung. Häufig scheinen diese ausgrenzenden Orte aber schon als eigentliches Ziel aufgefasst zu werden; es wird gar nicht mehr versucht, eine Öffnung für szeneferne Menschen zu erreichen. In diesem Moment stehen dann die Parolen nach "alles für alle", "Emanzipation", "Herrschaftsfreiheit" und so weiter in deutlichem Widerspruch zur Praxis vieler linker Freiräume.

Wie nun damit umgehen? Schutzräume für Menschen, die als Frauen, MigrantInnen, Linke, sozial Benachteiligte diskriminiert werden haben ihre Berechtigung in dieser Gesellschaft, in der wir gerade leben. Es sollte aber auch Räume geben, die einen Schritt weiter in Richtung einer emanzipatorischen Utopie gehen; wo Offenheit gegenüber ganz unterschiedlichen Menschen praktiziert wird - auch oder auch gerade dann - wenn sie nicht links sozialisiert wurden und kein selbstverständliches Bekenntnis zu typischen linken Forderungen mitbringen. Die Gesellschaft besteht ganz überwiegend aus Menschen, die anders sozialisiert wurden; sie zu ignorieren bedeutet entweder eine elitäre Orientierung (Herausbildung einer neuen Führungsschicht, die der Menschheit demnächst erklärt wie sie "richtig" zu leben hat) oder eine wenig aussichtsvolle Isolierung von gesellschaftlichen Prozessen.

Die Idee der Schaffung "Offener Räume" ist deswegen kein Konzept von "Beliebigkeit". Ihr Potenzial steckt - unter anderem - darin, dass sie verschiedenste Menschen zusammenbringen, die sich emanzipatorischen Ideen öffnen und geradezu zwangsläufig mit Gedanken wie Herrschaftsfreiheit, Hierarchieabbau, Dominanzkritik und vielem mehr in Berührung kommen. Neben der (möglichen, aber nicht automatisch entstehenden) einladenden Atmosphäre macht Offene Räume gerade auch der einfache Zugang zu Ressourcen (Technik, Infrastrukt, Wissen, MitstreiterInnen) für viele Menschen attraktiv. Auch wenn sich Offene Räume durch ein hohes Maß an Toleranz gegenüber Andersartigkeit (bezogen auf häufige linke Identitätsmuster) auszeichnen und damit eine niedrige Eintrittsschwelle für alle Menschen darstellen sollten, gibt es auch hier eine prägende Logik, die ihnen eigen ist.


Diese Logik detailliert zu beschreiben fällt schwer, da es bis jetzt keine oder nur wenige systematische Analysen der Wirkungsweise Offener Räume gibt. Die bereits beschriebenen Prinzipien (Offenheit, Gleichberechtigung, emanzipatorischer Prozess) spielen dabei aber eine wichtige Rolle. Leichter fällt es schon, naheliegende Widersprüche beispielhaft aufzuführen - Verhaltensweisen oder Organisierungsansätze, die mit der Logik Offener Räume nicht kompatibel sind:

  • verschlossene Türen, mit Passwörtern gesicherte Computer, sofern die entsprechenden Schlüssel nicht allgemein zugänglich sind
  • Gremien mit Entscheidungsgewalt für den Offenen Raum als Ganzes gegenüber Anderen
  • faschistische, rassistische, sexistische oder anders diskriminierende Verhaltensweisen oder Aktivitäten
  • Stellvertretungsanspruch für den Offenen Raum oder die Menschen, die diesen nutzen, sofern dies nicht im konkreten Fall von allen Betroffenen frei so vereinbart wurde
  • Kollektividentität

Strategien für den Betrieb Offener Räume

  • Transparenz über Entscheidungsprozesse, die Grundlogik des Offenen Raumes, vorhandene Ressourcen, Konflikte, Organisations-Bedürfnisse
  • Kommunikation von persönlichen Bedürfnissen, Ansprüchen, Ideen
  • offensive Vermittlung des Konzepts (insbesondere der Offenheit für neue Leute)
  • Sensibilisierung für Hierarchien, Diskriminierung
  • Training von Methoden, Aktionsformen und Kompetenzen
Offensive Vermittlung

Offene Räume laufen (unter den herrschenden Verhältnissen) ständig Gefahr sich wieder zu schließen und letztlich doch nur für eine kleine Gruppe Privilegierter zur Verfügung zu stehen. In dieser Gesellschaft sind wir gewöhnt Gruppen zu bilden, die sich nach außen schließen und im Innenverhältnis eine gemeinsame Identität herstellen. Auch von Diskriminierung betroffene Menschen reagieren häufig durch Abgrenzung von Anderen auf den äußeren Druck. Dabei werden Gemeinsamkeiten mit der "eigenen" Gruppe und Unterschiede zu Anderen leicht übersteigert wahrgenommen, wohingegen Gemeinsamkeiten mit Anderen bzw. die Differenzen im Innenverhältnis schnell in den Hintergrund geraten. Dieses Phänomen ist in der Sozialpsychologie bekannt und wird in der Regel als "ganz normal" dargestellt. Was "normal" im Sinne von naturgegeben ist, gerade im menschlichen Verhalten, das ja sehr stark durch Sozialisation geprägt ist, lässt sich kaum entscheiden. Erkennbar ist dagegen, dass diese Praxis von Abgrenzung und Identifizierung ein Mechanismus ist, der Diskriminierung und Hierarchiebildung begünstigt. Und naheliegend ist auch, dass Kollektividentität im Widerspruch zur Logik Offener Räume steht.

Charakterisierend für Offene Räume ist, dass sie für jedE offen sind, ihre Ressourcen grundsätzlich allen Interessierten gleichberechtigt zur Verfügung stehen. Das beinhaltet aber auch das Wissen um diese Möglichkeit; ein Offener Raum, der geheimgehalten wird, ist daher kein wirklicher Offener Raum. Er wäre ein elitäres Objekt eines abgeschlossenen Zirkels Privilegierter. Zum Offenen Raum gehört daher seine offensive Bekanntmachung, die Verbreitung des Wissens, dass es ihn als Ort gibt, welche Ideen er verfolgt und dass mensch ihn nutzen kann. Ein Teil der Aktivitäten innerhalb eines Offenen Raumes muss daher in seine Bewerbung gehen. Das macht die Sache aber nicht zum Selbstzweck; entscheidend ist im Idealfall nicht die Existenz eines bestimmten Offenen Raumes, sondern das was er ausstrahlt, welche Impulse von ihm ausgehen. Das kann auch heißen, dass ein gescheiterter Offener Raum bei entsprechender Vermittlung und Weiternutzung der gesammelten Erfahrungen sinnvoller ist als die zwanghafte Aufrechterhaltung der Struktur nur um ihrer selbst willen.

Spannende theoretische Fragen

Offene Räume als Heterotopien - Positivansätze
Offene Räume können entsprechend einer Definition des Philosophen und Macht-Theoretikers Michel Foucault als "Heterotopien" betrachtet werden. Ihm zufolge sind Heterotopien in Abgrenzung zu Utopien, die Perfektionen oder virtuelle Gegenentwürfe der realen gesellschaftlichen Verhältnisse darstellen, "wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können"[1]. Diese Begriffssetzung klingt zunächst kompliziert, beinhaltet aber einige auch für die Auseinandersetzung mit Offenen Räumen interessante Aspekte:

  • es sind reale Orte
  • sie sind, auch wenn sie Gegenentwürfe zur sie umgebenden Gesellschaft darstellen, Teil der Gesellschaft, sind von ihr geprägt und stehen in Wechselwirkung mit dieser
  • sie widersprechen - zumindest in Teilbereichen - den herrschenden Verhältnissen und wollen Alternativen bilden

Diese Merkmale treffen auch auf das Konzept "Offene Räume" zu. Sie stellen einen Gegenentwurf zur bestehenden Gesellschaft dar (beispielsweise durch die Aufhebung von Hausrecht im Außenverhältnis und von Eigentum im Innenverhältnis[2]), sind aber trotzdem ein Teil von ihr (das Recht der Bundesrepublik gilt formal natürlich auch in Offenen Räumen, Druck von Repressionsorganen, aber auch durch die Diskurse des Mainstreams[3], wirken) und spiegeln (z.B. durch die Sozialisation der hier wirkenden Menschen und ihrer Prägung auf bestimmte Verhaltensweisen und Denkschemata[4]) diese Gesellschaft wieder. Aufgrund des Prinzips der Offenheit ist auch der ständige Austausch mit Menschen außerhalb der realen Orte Offener Räume gewünscht; diese beeinflussen ihrerseits die Offenen Räume, während wiederum die Offene Raum-Logik auch sie beeinflusst.

Somit trifft im Idealfall in Offenen Räumen die theoretische Auseinandersetzung um Utopien, Gesellschaftsentwürfe und politische Analyse mit praktischer Arbeit zusammen; die sonst häufige Aufspaltung in Theoriezirkel und politische Arbeit kann durchbrochen werden. Positive Elemente einer emanzipatorischen Gesellschaft können bereits im "Hier & Jetzt" installiert werden (wenn auch nicht statisch, sondern möglicherweise nur zeitweise[5]). Impulse für herrschaftsfreie Utopien können von Offenen Räumen ausgehen und damit können sie in gesellschaftliche Prozesse eingreifen und diese mitgestalten[6].

Offene Räume als Heterotopien - Negativansätze
Andererseits: "Als Heterotopie wird in der Medizin die Bildung von Gewebe am falschen Ort bezeichnet. Entsprechend will Foucault die Heterotopie als das Andere in der Gesellschaft verstanden wissen: ein Ort, der in einem besonderen Verhältnis zur Gesamtgesellschaft steht. Gegenstand der Heterotopologie können Orte sein, die von einer Gesellschaft errichtet wurden, um das Anor­male besser kontrollieren und bestenfalls disziplinieren zu können. Es können darüber hinaus Orte sein, die sich allein der Lust, der Schönheit oder dem Widerstand verschrieben haben, Orte, die nur solange »toleriert« werden, wie sie kein »öffentliches Ärgernis« oder gar eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen."[7]

Auch das kann auf "Offene Räume" zutreffen: Diese Orte können von der Gesellschaft auch als Räume verstanden werden, in denen Leute mit revolutionärem oder zumindest unkonformen Gedanken sich "austoben" (und sich an diesen Räumen "abarbeiten", damit ihre Kraft weniger in die Störung des sie umgebenden Herrschaftssystems stecken) bzw. wo andersartige Ideen scheinbar gefahrlos integriert werden können und Nebeneffekte wie karritative Leistungen, Bildungsarbeit, Ausbildung künftiger Eliten (durch Kompetenzförderung) erzielt werden[8]. Möglicherweise sind nicht systemkonform denkende Leute an solchen Orten (nicht nur Offene Räume, sondern jegliche alternative Einrichtungen) besser kontrollierbar[9], als wenn sie unüberschaubar in der Gesellschaft verstreut agieren. Wenn nicht aufgepasst wird, gelingt sogar die Disziplinierung dieser Menschen, wenn diese sich zum Zweck des Erhalts des Offenen Raumes allzu sehr an die herrschenden Verhältnisse anpassen[10]. Sollte von einem Offenen Raum (oder auch einem Netzwerk solcher Orte) eine deutliche Gefahr für das bestehende Herrschaftssystem ausgehen, ist nicht unwahrscheinlich, dass der Druck von außen (Repression) erhöht wird, um die Störquelle auszuschalten[11].

Das muss keinesfalls heißen, dass diese Bedenken zwangsläufig zutreffen. Sicherlich wird es Strategien geben, diese systemstabilisierende Einflüsse abzuwehren. Wichtig ist aber zunächst das Bewusstsein für diese Mechanismen und die ständige selbstkritische Reflexion des Handelns und dessen gesellschaftlicher Wirkung. Dass auch das kritisierte System Vorteile aus der Existenz Offener Räume (wie auch anderer linker Freiräume) ziehen kann[12], wird sich nicht völlig ausschließen lassen. In der Praxis handelt es sich also wahrscheinlich um eine Gratwanderung zwischen systemstabilisierenden Effekten und systemzersetzenden Ansätzen.

Offene Räume als Heterotopien - Fragen
Was kann die theoretische Betrachtung Offener Räume als Heterotopien an Denkanstößen bringen?

  • Offene Räume haben utopisches Potenzial, sind aber reale Orte im "Hier & Jetzt" - sie können Keime für eine andere Gesellschaft legen
  • Offene Räume sind repressionsgefährdet, sobald sie sich als zu störend für das Herrschaftssystem oder dessen Teile darstellen - das erfordert u.U. Überlegungen für den Umgang mit möglicher Repression, z.B.:
    • Maßnahmen zum Repressionsschutz
    • kreative Antirepression
    • Strukturen bilden, die weniger repressionsanfällig sind (z.B. Netzwerke autonomer Knotenpunkte, die sich gegenseitig stützen und robust gegen den Ausfall einzelner Teile sind)
  • auch Offene Räume können instrumentalisiert werden - Reflexion und selbstkritisches Handeln:
    • welchen Nutzen hat das herrschende System vom Offenen Raum?
    • Wie kann dieser eingeschränkt werden?
    • Wie könnten gute Strategien bezüglich dieser Fragestellung aussehen?
  • Offene Räume stehen in Wechselwirkung mit der sie umgebenden Gesellschaft, sie sind keine zurückgezogenen bzw. nur auf sich selbst bezogenen Gemeinschaften; sie spiegeln mit den in ihnen aktiven Menschen die Gesellschaft wieder
  • Offene Räume bedeuten Arbeit, sind zeitintensiv und fordern einigen Akteuren viel Energie ab - Prioritäten-Abwägung zwischen Strukturen-Schaffen und prozesshafter, emanzipatorischer Gesellschaftsentwicklung auf der einen Seite und konkreten, einfacher zu umreißenden und mit möglicherweise klareren Zielen versehener Projektarbeit auf der anderen Seite
    • wie so oft könnte am sinnvollsten das "sowohl als auch" sein: Offene Räume als Orte, an denen konkrete Projekte mit abgrenzbaren Zielen und Mitteln umgesetzt werden, wo aber auch prozesshafte Entwicklung der Organisierung geschieht


Mehr zum Thema


  1. Foucault, Michel: Andere Räume (1967). In: Barck, Karlheinz (Hg.): Aisthesis: Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik; Essais. 5., durchgesehene Auflage. Leipzig: Reclam, 1993, S. 39. In: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Heterotopie_%28Literatur%29&oldid=43111672
  2. Eine Idee der subversiven Anwendung von Recht findet sich in den sogenannten "Autonomievertägen" (Beispiel: Autonomievertrag des BWA mit Kommentaren (PDF-Datei)) wieder, die de facto eine Aufhebung des juristisch verankerten Hausrechts bewirken sollen.
  3. Solche Mainstream-Diskurse sind beispielsweise die ausschließliche Existenz zweier Geschlechter, das Menschenbild vom "Wolf im Menschen", die Alternativlosigkeit des Kapitalismus, die Unaufhebbarkeit von Herrschaftsverhältnissen, ...
  4. Die auf der Seite "Offene Räume Probleme" gesammelten Beispiele lassen sich im wesentlichen auf die bisherige Sozialisation der Beteiligten zurückführen und liegen (auch) in der Prägung auf Konkurrenzverhalten sowie in der gängigen Herrschaftslogik begründet.
  5. Die Reibung Offener Räume mit der Normalität (Abgreifmentalität, Konsumverhalten, Unfähigkeit zum gleichberechtigten Umgang miteinander etc.) führt häufig zu deren "Aufreibung". Viele "Offener Raum"-Projekte sind an diesen Mechanismen gescheitert, was in der Regel mit der völligen Auflösung des Projekts, der Schließung gegenüber der Allgemeinheit, Schwerpunktverlagerungen oder der Wiedereinführung formaler oder informeller Hierarchien einhergeht.
  6. Offene Räume zeigen auf, dass eine andere Organisierung und ein anderer Umgang miteinander möglich ist. Der Alltag in ihnen erfordert die Auseinandersetzung mit verschiedensten Herrschaftsverhältnissen und nebenbei auch mit Alternativen zum herrschenden System. Die Grenzen, an die Offene Räume stoßen, geben Hinweise darauf, welche Mechanismen der gegenwärtigen Gesellschaft einer offeneren, gleichberechtigteren Welt im Wege stehen und verändert werden sollten.
  7. http://www.jungle-world.com/seiten/2006/02/6984.php
  8. Diese Nebeneffekte sind außerdem wichtige Kriterien bei der Beschaffung von Fördermitteln für die Erhaltung bzw. den Ausbau der Infrastruktur bzw. die Finanzierung laufender Ausgaben von Projekten. Die ProtagonistInnen Offener Räume schreiben sich bei diesen (oft subversiv gedachten) Förderpraktiken diese Effekte also regelrecht selbst zu. Noch mehr: sie werden betont, um zu begründen, worin das Interesse des Staates oder der Wirtschaft liegt, die entsprechende Einrichtung oder das betreffende Projekt zu finanzieren. Es zeigt sich also, dass gerade solche Strategien zum Betrieb von Offenen Räumen diese in ihren Grundansätzen gefährden können. Eine selbstkritische Reflexion dieser Praktiken ist unumgänglich.
  9. Egal ob Jugendzentrum, autonomer Treffpunkt oder Projektwerkstatt - durch ihre Zuordnung zur Szene fällt es leichter kritisches Potenzial an diesem Ort im Auge zu behalten.
  10. Diese Anpassung kann sich in konformer Kleidung, Auftreten und Handeln äußern. Auch ist oft zu beobachten, dass radikale Kritik vermieden wird, um die Staatsknete (Fördermittel) oder die guten Kontakte (Angst vor repressivem Verhalten) nicht zu gefährden. Am effektivsten ist die Disziplinierung vorerst widerspenstiger Menschen gelungen, wenn diese das Herrschaftssystem weitestgehend verinnerlicht haben und reproduzieren, obwohl sie zuvor dagegen auftreten wollten.
  11. Qualität und Quantität der Repression gegen politisch unbequeme Projekte und Personen ist häufig sehr unterschiedlich, da die Bewertung der von ihnen ausgehenden Gefahren und erforderliche Maßnahmen oft willkürlich erfolgt. So gibt es Erfahrungen von regelrecht verfolgten EinzelaktivistInnen, die Polizeikreisen durch ihr penetrantes, wenn auch meist im wesentlichen nicht strafbares, Auftreten unbequem geworden sind (Beispiel: "Eichhörnchen"). Selbst Sondereinsatzkommandos werden gelegentlich für die Kriminalisierung politischer GegnerInnen in Deutschland aufgefahren (Beispiel: SEK-Einsatz im Mai 2006 in Gießen). In anderen Fällen werden Verbotsverfahren oder 129a-Verfahren gegen auffällig gewordene Gruppen und Personen geführt, unabhängig davon, was ihnen tatsächlich nachgewiesen wurde (Beispiel: Verfahren gegen G8-GegnerInnen 2007). Manchmal erfolgt die Repression auch subtiler: Auflagen von Behörden und permanente Kontrollbesuche, trickreiche Gebührenerhebungen und vieles mehr sind gang und gäbe
  12. Vorteile, die das herrschende System bzw. dessen Teil aus der Existenz eines Offenen Raumes ziehen kann, sind z.B.: "Sozialfälle" bearbeiten (Leute werden "von der Straße weg" geholt), Unterstützungsleistungen in staatlicher Verantwortung werden von privaten Trägern erbracht, Vorzeigeprojekte für die eigene Politik, Beschäftigung systemkritischer oder irgendwie störender Individuen, Berufsvorbereitung durch Kompetenzaneignung, politische Bildungsarbeit (Verständnis für Zusammenhänge in der Demokratie, Know-How-Aneignung), Profilierung bzw. Feigenblatt-Effekte (z.B. Konzerne und Institutionen), ...