2008-02:Aufkleber gefährdet Demokratie

Aus grünes blatt
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Wie ein Aufkleber die Demokratie gefährdet...

hanna Über 20.000 Aufkleber in markanter Sprechblasenform mit der schlichten Aufschrift "Tschüss Vattenfall" kleben in ganz Hamburg verteilt. Wer nun meint, es handle sich dabei um einen Angriff auf den Energiemonopolisten der Hansestadt, hat offenbar nicht weit genug gedacht. Das Anbringen der Aufkleber stellt zwar auf Mülltonnen, Laternenpfählen und Briefkästen lediglich eine Sachbeschädigung dar, bekommt jedoch auf Wahlplakaten eine unerwartet spannende Bedeutung...

Zivilbeamte der Polizei stellen in Hamburg-Altona im Spätsommer 2007 eine Person, die beim Schlendern zum Bahnhof Aufkleber der Kampagne "Hamburg steigt um" auf Briefkästen, Mülleimern und an Straßenlaternen und Wahlplakaten anbringt. Ermittlungen in dieser "politischen Strafsache" wegen Sachbeschädigung werden eingeleitet, die "Geschädigten" informiert, die Ermittlungsakte umfasst knapp 30 Seiten und dokumentiert die Tat mit ausführlichen Farbfotos.

"Geschädigt" sind die Besitzer der "beschädigten" Gegenstände, also die Post wegen des Briefkastens, die Stadtreinigung wegen des Mülleimers, die SPD wegen des Wahlplakates und zu guter Letzt sogar der Energiekonzern Vattenfall selber wegen der Straßenlaterne. Offenbar hatte von diesen "Geschädigten" keiner das Bedürfnis eine Anzeige aufzugeben, obwohl die Polizei doch explizit auf diese Möglichkeit hingewiesen hatte und obwohl die Zivilbeamten am Tatort noch behauptet hatten, es lägen bereits zahlreiche Anzeigen der Post wegen Aufklebern auf Briefkästen vor.

Nach drei Monaten schließlich die Anfrage bei der Staatsanwaltschaft, ob das Verfahren nun eingestellt würde, da ja innerhalb der zulässigen Frist keine Anzeige erstattet worden sei. Was Briefkasten, Laterne und Mülleimer anginge, sei das korrekt. So weit so gut. Das Wahlplakat jedoch habe als integraler Bestandteil der Demokratie eine so große Bedeutung, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe (und das obwohl sich der Vorsitzende des Kreisverbandes Altona der SPD explizit dahingehend äußerte, dass er gegen eine Verurteilung wegen einer solchen Tat sei).

Da die betroffene Aktivistin gegen den Strafbefehl Einspruch einlegte und sich nicht auf eine Einstellung gegen 50 Euro einließ kam es am 15.4. vor dem Amtsgericht Altona zum Prozess. Aktivist_innen in Tschüss-Vattenfall-T-Shirts mit einem Transparent „Politisches Engagement kann zu Repression führen“ begleiteten den Prozess kritisch, der schließlich mit einer Verurteilung zu 15 Tagessätzen endete.

„Es handelt sich ganz klar um eine Verurteilung meines politischen Engagements. In der Urteilsbegründung hieß es, ich sei bereits mehrfach polizeilich aufgefallen. Ich werde hier also nun nicht für einen Aufkleber bestraft, sondern weil mein politisches Engagement dem Staat offenbar nicht passt“ so die Verurteilte, die gegen das Urteil Revision eingelegt hat.

Spenden zur Unterstützung: BLZ 217 500 00 KTN 111 026 274 Stichwort „Aufkleber“