2009-01:Genfeldbesetzungen2009

Aus grünes blatt
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Feldbesetzungen 2009

sb Gentech-Konzerne und Lobby-Organisationen werben massiv für die grüne Gentechnik. Immer wieder wird beispielsweise das Hunger-Argument angeführt. Doch die Armut und der damit einhergehende Hunger wird sich mit Gentechnologie kaum beheben lassen, da sie nicht auf einer Unterproduktion von Nahrungsmitteln beruht, sondern Folge deren ungerechter Verteilung aufgrund einer durchgeknallten kapitalistischen Logik ist, nach der Profite mehr wert sind als Menschenleben. Dieses Problem wird aber durch die Gentechnik und die damit einhergehende Patentierung sogar verstärkt. Mit dem patentierten Gen-Saatgut werden Landwirte in Abhängigkeit von den Konzernen getrieben. Hinzu kommen unabsehbare Risiken für Mensch und Natur. Deshalb besetzten auch 2009 wieder verschiedenste Menschen, die das nicht hinnehmen wollten, Genfelder.

Erstes Ziel war dieses Jahr ein Feld der Bio Tech Farm GmbH in Üplingen. Dieses ist ein Teil eines sogenannten Schaugartens. Dieser wurde von der Gentech-Lobby angelegt um die Akzeptanz für die grüne Gentechnologie zu erhöhen. Denn auch die Gentechnik-LobbyistInnen wissen: Hierzulande sind etwa 80% der Menschen gegen diese Technologie. Mit Führungen durch den Gentechnik Schaugarten wollen sie SchülerInnen, StudentInnen und weitere Zielgruppen davon überzeugen, dass die Gentechnik zukunftsweisend und ungefährlich sei.

Doch noch vor der Aussaat wurde am Freitag den 13. März 2009 ein zum Schaugarten gehörendes Feld besetzt. Statt gentechnisch veränderten Kartoffeln und Mais wurden zwei Betonfässer mit Ankettvorrichtung in die Erde gepflanzt. So sollte die Ausbringung von GVOs direkt verhindert werden.

Doch ziemlich schnell war die Polizei vor Ort um das besetzte Feld zu räumen. Die Angeketten an den Fässern und unter dem Überwachungsturm, den die BetreiberInnen der Bio Tech Farm selbst aufgestellt hatten, wurden aus den Vorrichtungen gelöst und des Feldes verwiesen. Vorher gelang es den AktivistInnen allerdings noch über das Feld verstreut Bio-Kartoffeln zu pflanzen. Die BetreiberInnen der Bio Tech Farm konnten diese Besetzung beenden, damit aber nicht den Widerstand gegen sie.

In der Nacht auf den 3. April 2009 wurde dann von einigen AktivistInnen ein Feld auf dem Gelände des Agro-Biotechnikums Groß Lüsewitz besetzt. Sie protestierten gegen die Aussaat von Gen-Gerste (der Versuch wurde von der Uni Gießen, wo sich zuviel Widerstand regte, übernommen), gv-Zuckerrüben und veränderten Petunien, sinnlose Versuche zur Pilzresistenz des Weizenflugbranderregers (bereits erfolglos in der Schweiz gelaufen), die Erzeugung von Pharmapflanzen wie der Cholera-Kartoffel und die Ausbringung weiterer gentechnisch veränderter Kartoffeln in direkter Nähe zu einer Saatgutbank für konventionelle Kartoffeln. Für ihren Protest wählten die BesetzerInnen den Ort, den Forschungsministerin Annette Schavan gerne als Weltmarktführer in Sachen Gentechnik sehen würde. Dort ist die Mathematikerin Kerstin Schmidt Geschäftsführerin der Firmen biovativ, Biomath und des Firmenverbundes BioOK – die gleiche Position hat sie übrigens auch in der Üplinger Firma Bio Tech Farm GmbH (siehe oben). Zusammen mit der Rostocker Bio-Professorin Inge Broer leitet sie jährlich Fördergelder in Millionenhöhe in die Privatwirtschaft um.

Auch in Lüsewitz hatten sich vier AktivistInnen an Betonfässer mit Erdanker gekettet – zwei weitere hatten sich mit Stahlrohren auf dem Tripod (hoher dreibeiniger Holz-Turm) festgekettet. Auch hier setzte die Polizei privatwirtschaftliche Interessen durch und hatte das Feld am Abend des 3. Aprils bereits unter Anwendung von körperlicher Gewalt geräumt. Einige der Angeketteten wurden an den Händen verletzt, eine Aktivistin, die sich auf dem Turm befand, wurde einfach abgeschnitten und ungesichert hinabgelassen, einer anderen wurde im anschließenden Gewahrsam Essen und Trinken verwehrt.

Die BesetzerInnen ließen sich durch die Räumung jedoch nicht entmutigen und verlegten ihr Programm einfach auf die direkt daneben angemeldete Mahnwache in Sagerheide. Bei Kaffee und Kuchen konnten BesucherInnen alles über die Motivation der AktivistInnen erfahren und warum und wie sie auch selbst aktiv werden können und sollten. Unter anderem hielt ein Molekularbiologe einen Vortrag über die Risiken der Agrar-Gentechnologie. Eine Bildershow zu bisherigen Besetzungen wurde gezeigt. Eine benachbarte Familie wurde bei der Bodenbearbeitung für ein Gegen-Gerstenfeld unterstützt. Weitere bunte Veranstaltungen wie Schnupperklettern, Spaziergänge ums Feld, eine GEN-Rally und vegetarisches Grillen rundeten das Programm ab.

Während zwischenzeitlich das Verbot des kommerziell angebauten Genmais MON 810 in den Medien bejubelt wurde, regte sich in ganz Deutschland weiterhin der Widerstand gegen die unter dem Deckmantel der "Sicherheitsforschung" betriebene Ausbringung noch in der Entwicklung befindlicher "Produkte".

Am Morgen des 15. April 2009 stand dann die Besetzung eines Zuckerrübenfeldes der KWS Saat AG bei Dreileben in der Magdeburger Börde – nur 20 km von der Üplinger Bio Tech Farm entfernt. Ein Drittel seines Jahresumsatzes (im Geschäftsjahr 2008 fast 600 Millionen Euro) erzielte dieser Konzern durch gentechnisch verändertes Saatgut. Der Vorsitzende Philip von dem Bussche (1996–2005 Präsident der DLG) weiß genau, dass die Bevölkerung gentechnisch veränderte Produkte ablehnt und setzt deshalb auf stille Forschung ohne allzu viel Öffentlichkeitsarbeit. Diesen Plan machten die BesetzerInnen zunichte. Ihre Aktion – wie die der AktivistInnen in Lüsewitz mit Ankettvorrichtungen aus Beton, einem großen Holz-Tripod und bunten Transparenten ausgestattet – sorgte für mediale Aufmerksamkeit. Doch auch hier wurde das Feld noch am selben Tag geräumt. Wenige Tage später fand am 18. April eine große Demo statt: 200 BürgerInnen und 30 Traktoren demonstrierten für eine Lügentechnik Landwirtschaft. Kurz darauf dann auch hier eine Mahnwache, die nocheinmal für Öffentlichkeit sorgte.

Parallel dazu fanden in Üplingen ebenfalls eine Mahnwache und Aktionen statt, um die BewohnerInnen des 70-EinwohnerInnen-Dorfes etwas mehr als einen Monat nach der Besetzung nocheinmal zu erreichen. Währenddessen schickten die Lobby-Verbände bezahlte Demonstranten zu einer peinlichen Gegendemonstration auf die Straße, wo diese mit großen Pappschildern, auf denen wahlweise "Feldzerstörer raus!" oder "Keine Anarchie!" stand, und mit mangelndem Hintergrundwissen ein lustiges Bild abgaben. Die Ex-BesetzerInnen bauten anschließend "Saatgutbomben", mit denen es ihnen gelang Bio-Saatgut auf das Maisfeld zu werfen, um so eine sinnvolle Versuchsauswertung zu verunmöglichen.

Am Morgen des 24. Aprils hatte eine weitere AktivistInnen-Gruppe ein Gen-Maisfeld am Julius-Kühn-Institut in Braunschweig besetzt. Der betreffende Versuch wurde von der RWTH Aachen durchgeführt. Auch diese Universität ist wie die Uni Rostock in den Filz aus Gentechnik-Lobbyisten, Firmen und Genehmigungsbehörden verstrickt. Auch mit dem Versuch in Braunschweig sollen EU-Fördergelder abgegriffen werden.

Auch hier hängten die AktivistInnen bunte Banner an ein Tripod und ketten sich unterhalb davon an einer Betonpyramide fest. Vor den Toren des JKI machte eine Mahnwache auf die Besetzung aufmerksam und sorgte für die lückenlose Versorgung der BesetzerInnen, denen es hier gelang mehrere Tage auf dem Feld für ihre Überzeugung zu demonstrieren. Am 27. April wurde dann auch diese Besetzung – auf grob fahrlässige Weise – geräumt, während die Mahnwache noch für mehrere Wochen bestehen blieb und mit diversen Veranstaltungen und Demonstrationen für Aufmerksamkeit sorgte.

Anfang Mai wurden in Bütow 20 Hektar BASF-Kartoffel Amflora ausgesät. KritikerInnen vermuten hier die Saatgutproduktion für das nächste Jahr. Die besonders stärkehaltige Kartoffel hat bereits alle Versuche hinter sich und der BASF-Konzern erwartet wohl im nächsten Jahr die Genehmigung für den kommerziellen Anbau. Doch am Tag vor der Aussaat stellten sich einige AktivistInnen mit einer riesigen Zwille auf das Feld und verschossen ca. 30 kg Biokartoffeln und pflanzten weitere als Gegensaat ein. Die Aktion sorgte für große mediale Aufmerksamkeit.

Trotz aller Aktionen sind noch einige Versuchsfelder übrig geblieben und ausgesät worden. Doch in den letzten Wochen sickerte durch, dass mehrere Felder zerstört wurden. Der bekannteste Fall sind wohl die Dresdner Apfelbäume – Anfang Juni berichteten mehrere Zeitungen darüber: Die Bildzeitung spricht von 274 kleinen Apfelbäumchen, die umgeknickt und mit Astscheren zerschnitten wurden. Außerdem deuten mehrere Anzeichen darauf hin, dass es auch in Dreileben und Groß Lüsewitz Feldzerstörungen gegeben haben muss. Offensichtlich versucht die Gentechnik-Industrie dies zu verschweigen, um öffentliche Debatten zu verhindern.

Diese wird jedoch so oder so stattfinden, spätestens im September (09.–15.09.09) während der Aktionstage zum Thema Gentechnik-Seilschaften in Groß Lüsewitz, Berlin und der Magdeburger Börde. Dann werden Genehmigungs-Behörden blockiert, Lobby-Unternehmen und Konzerne genervt und Unis gestürmt. Vielfältige Aktionskonzepte und ein buntes Rahmenprogramm werden vielerorts für die nötige Aufmerksamkeit sorgen.