2015-01:Rezensionen38

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Bücher vorgestellt

Hans Joas (Hrsg.)
Was sind religiöse Überzeugungen?
(2003, Wallstein in Göttingen, 152 S., 19 €)
Braucht Werterziehung Religion?
(2003, Wallstein in Göttingen, 141 S., 19 €)
Jedes der beiden Bücher enthält drei Beiträge, die zu Wettbewerben unter der Fragestellung des Buches eingereicht und prämiert wurden. Sie beleuchten die Frage aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Alle drei des ersten Buches versuchen sehr stark, logische Argumentationsmuster zu entwickeln, nach denen ein Gedanke oder eine Empfindung als religiös eingestuft werden kann. Eine klare Antwort haben alle nicht - insofern sind die Texte eher eine Anregung als eine Antwort, können aber genauso auch gut gelesen werden. Im zweiten Buch stehen sich unterschiedliche Auffassungen gegenüber. Etwas seltsam kommt dabei die kritische Bejahung von religiösen Werten in der Erziehung herüber, die mit dem Trick arbeitet, diese seien gut, weil ein Kind daran eigene Überzeugungen messen kann. Mit dieser Gedankenschleife wäre alles begründbar - auch der Faschismus. Wertevermittlung aber heißt im Kontext von Erziehung, also der zielgerichteten Steuerung von Verhalten und Denken, gerade nicht die Information zum Zwecke der Auseinandersetzung. Insofern ist die Logik von Erziehung in den Beiträgen zum Teil unzureichend erfasst.

Simon Aksinat
Bibel vs. Koran
(2011, Eichborn in Frankfurt, 122 S., 9,95 €)
Klein und nützlich, aber nicht das, was der Titel suggiert: Aufgeteilt in Themenbereichen werden Zitate aus Koran und Bibel (vor allem Altes Testament) gegenübergestellt. Dabei geht es nicht darum, wer besser ist, sondern es ist eine Hitparade der Unsinnigkeiten. Einen Sieger gibt es nicht - die Grundlagenschriften der beiden Religionen strotzen vor komplettem Blödheiten. Nützlich als Zitatensammlung für eine Kritik zumindest an den Schriftreligionen, ergänzt um einige frustrierte Sätze berühmter Persönlichkeiten über den Schmarrn, den Religionen seit Jahrhunderten den Menschen zumuten.

Was glaubst Du?
(2011, Medienprojekt Wuppertal e.V., Box mit 7 DVDs, je DVD 30 €, Box 150 €)
Mit 7 DVDs untertreibt das Medienprojekt, denn in jeder DVD-Hülle sind zwei Filme: Zum einen der Hauptfilm, in dem Interviews mit jeweils drei oder vier jungen Menschen, die einer der Religionen Islam, Juden-, Christentum, Hinduismus oder Buddhismus angehören oder zu den Nichtgläubigen zählen. Sie berichten aus ihrem Leben, über ihre Motive, ihren Umgang mit der Religion usw. Zwischen- und Überblenden zweigen Situationen aus dem Alltag des Glaubens bzw. der interviewten Person. Die zweite DVD enthält weitere Interviews und Gespräche mit ReligionsexpertInnen - die dann allerdings nicht als Film zusammengeschnitten. Neben diesen sechs Doppel-DVDs gibt es einen Zusammenschnitt, in dem ausgewählte Zitate und Passagen der verschiedenen Religionen und der Nichtgläubigen direkt gegenübergestellt sind. Die zweite DVD enthält hier eine Gesprächsrunde mit jeweils einer Person pro Glaubensansatz. Insgesamt also eine umfangreiche Sammlung, die Eindrücke in die Welt der verschiedenen Orientierungen bietet.

Rainer Schepper
Das ist Christentum
(1999, Angelika Lenz Verlag in Neustadt am Rübenberge, 614 S., 35,70 €)
Hier fließt Blut - und nicht nur das. Auf über 9 Mio. Opfer berechnet der Autor die von und durch die Kirche allein in €pa ermordeten Menschen innerhalb von elf Jahrhunderten. Während manche Rockergruppen schon nach wenigen Prügeleinsätzen verboten wird, sammelt der Staat für eine der größten Verbrecherorganisationen der Welt noch immer brav das Geld ein und bietet der ideologischen Einnordung von Mitgliedern sogar grundrechtlichen Schutz. Das Buch listet christliches Grauen auf - in Beschreibungen und als Kalender, in dem für jeden Tag des Jahres einige Fallbeispiele beschrieben werden. So wird jeder Tag zum Anlass, sich das Ende formalisierter Religion herbeizusehnen oder auch dafür einzutreten.

Erhard Zauner
Die Un-Heilige Schrift
(2007, novum in Neckenmarkt, 462 S., 21,30
Wer eine ganz harte Kritik an der Bibel sucht, wird hier fündig. Zitat für Zitat wird die ersten Teile der Schrift seziert - und als blutrünstige, menschenverachtende Erzählung mit einem widersprüchlichen, aber oft fast sadistisch anmutenden Gott vorgeführt. Die Sichtweise ist tendenziös - wie die der Kirchen und sonstigen Christusfans. Beides zusammen aber belegt auf jeden Fall, dass die Bibel einfach alles enthält, komplett beliebig ist und so für alle die eine Quelle sein kann, die das Unerwünschte einfach ausblenden. Der billigen Masche vieler Christusfans, dass die alten Teile der Bibel von Jesus widerrufen oder zumindest ergänzt worden wären, tritt der Autor entschieden entgegen. Auch Jesus ist für alles zu haben - auch für die Forderung nach wörtlicher Umsetzung der sadistischen Anweisungen des Alten Testaments.

Elie Barnavi
Mörderische Religion
(2008, Ullstein in München, 176 S., 18 €)
Dem Autor geht es vor allem um die von ihm „Offenbarungsreligionen“ genannten drei Religionen, die auf Schriften basieren - im Ursprung alle sogar auf dem gleichen, dem Alten Testament. Er versucht nachzuweisen, dass gerade diese drei, Juden-, Christentum und Islam (nach Alter geordnet), zu fundamentalistischen Tendenzen neigen. Exemplarisch beschreibt er einige - und verliert aus den Augen, dass Religion eine grundsätzlich das Menschliche in Frage stellende Sache ist, weil sie einen höheren Wert kreiiert als den Menschen selbst. So ließen und lassen sich Hexenverbrennungen, Kreuzzüge, Massenmorde, Zwangsmissionierungen und unzählige Fälle von Gehirnwäsche legitimieren: Es geht um etwas Höheres! Folglich wählt der Autor auch seine Medizin so aus: Demokratische Werte sollen den religiösen Orientierungen Grenzen setzen. Das aber ist der Austausch einer höheren Moral gegen die andere. Emanzipation dagegen denkt und geht vom Menschen aus.

Alfred Hackensberger
Lexikon der Islam-Irrtümer
(2008, Eichborn in Frankfurt, 280 S., 19,95 €)
Es geht um „Vorurteile, Halbwahrheiten und Missverständnisse von Al-Qaida bis Zeitehe„ - so jedenfalls verspricht es der Untertitel. Alphabetisch werden etliche Themengebiete abgehandelt, in denen in hiesigen Medien und Diskursen zum Teil seltsame Vereinheitlichungen und Legenden zur Religion der Moslems dominieren. Das Buch räumt mit einigen auf, aber es macht sich die Sache einfach: Auf Quellenangaben verzichtet der Autor gleich ganz - und so manche seiner Ausführungen füllt den Leerraum zerschlagener Mythen mit neuen Verallgemeinerungen. Als gäbe es „den Islam“ überhaupt ...

Richard Dawkins
Der Gotteswahn
(2008, Ullstein in Berlin, 575 S., 9,95 €)
„Schrill, aufgeregt, unbeherrscht, intolerant“ - so beschimpft der Schreiber eines Leserbriefes das Buch. Abgedruckt ist die Kritik im Buch selbst. So unrecht hat der Schreiber nicht, nur vergisst er, dass eine solche Sprache durchaus angemessen sein kann angesichts der verblödenden, machtsichernden und mörderischen Wirkung der Inszenierung personaler Gottesbilder und der wirren Ableitungen, die daraus für das menschliche Leben und die soziale Struktur erfolgen. Fraglos ist Dawkins Buch eine Anklage, mitunter polemisch. Doch die Schärfe des Wortes ist das Mindeste, was der Schärfe der Gehirnwäsche und blutrünstiger Machtkämpfe entgegengesetzt werden muss, die im Namen Gottes, der große Erfindung zur Legitimierung übelster Handlungen, erfolgen.

Carsten Jaboki u.a.
Religionskritik
(2007, mdv in Halle, 232 S., 16 €)
Eine - sich neutral gebende - Sammlung von Abhandlungen über Religionskritiker in der Zeit nach der Aufklärung. Der Blick auf Literatur und philosophische Debatte verschafft einen guten Überblick über die dort vorhandenen Begründungen für die Kritik an Religion oder am Gebaren der Religionshüter. Den Schlusspunkt bildet ein Überblick über die Religionskritik der Nationalsozialisten. Spätestens dann wird deutlich: Religion kann aus einem befreienden Verständnis heraus abgelehnt werden - oder als Konkurrenz zu anderen, mitunter noch herrischer Ideologien.

Gerd Lüdemann
Der große Betrug
(1998, zuKlampen-Verlag in Springe, 126 S., 16€)
Der Autor, Professor für Evang. Theologie in Göttingen, untersucht Passagen der Bibel nach einfachen Kriterien. So schließt er bestimmte Formulierungen aus, die von ihrer Form her beweisen, dass sie zumindest in der konkreten Formulierung nicht von ihm stammen können, weil Deutungen aus der Zeit nach seinem Tod in die Worte aufgenommen wurden. Zudem werden solche Passagen als unglaubwürdig bewertet, die Naturgesetze durchbrechen. Schließlich gilt alles als unecht, was eine heidnische Zuhörerschaft voraussetzt, denn in einem solchen Umfeld lebte Jesus nicht. Insgesamt kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass Jesus zwar gelebt, gewirkt und viele interessante Dinge gesagt hat, aber von anderen zum Sohn Gottes bzw. zu einer heiligen Figur überhöht wurde. Als ergänzende Quelle für die Kritik an Kirche und Gottesglauben ist das Büchlein recht nützlich.

Horst Groschopp
Humanismusperspektiven
(2010, Alibri in Aschaffenburg, 209 S., 16€)
Das Buch war überfällig. Seit Jahren erscheinen Bücher mit Titeln, in denen der Begriff des Humanismus den Kern bildet. Sie kritisieren in teils brillianter Art den Unsinn theistischer Religionen. Gleichzeitig muteten immer wieder Texte selbst religiös oder zumindest bekenntnishaft an. Humanismus erschien als Leitkultur, die alte ersetzen sollte. Kritik daran führte eher zu Verärgerung - mitunter ein Beleg dafür, dass sie trifft. Das Buch zeigt nun die Richtigkeit des Vorhalts, hier würde eine konkurrierende Weltanschauung beworben, zumindest von Jaap Schilt auf Seite 84, der findet, „dass der HVD nur als Gemeinschaft mit einem klaren, gelebten Bekenntnis die Traditionslininen des europäischen Humanismus wirkungsvoll mit seiner Arbeit verknüpfen und gegenüber den Kirchen eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielen kann“. Amen - ist mensch zu sagen geneigt. Blättert weiter und stößt als Nächstes auf ein Kapitel, dass ein deutscher Verfassungsschützer schreibt. Gehts noch? So geht ganz verloren, dass etliche der einzelnen Kapitel durchaus scharf, analytisch und interessant zu lesen sind. Doch sie sind Teil einer Baustelle, die stark nach Religionsanstiftung riecht.

Karlheinz Deschner
Kriminalgeschichte des Christentums
(2013, Rowohlt in Reinbek, 319 S.)
Die Abrechnung mit der langen und blutigen Geschichte von Christentum und die sie strukturell vertretende Kirche ist mit dem Band 10 abgeschlossen. Streng chronologisch aufbereitet zeigt es, welch ungeheuren Umfang die Verbrechen im Namen der selbsterfundenen Gottesvertretung hatten und haben - eine immer wieder faszinierend-erschreckende Bilanz angesichts dessen, wie schnell andere Organisationen (mensch denke an kleine Vereine oder die KPD) verboten werden, während diese Riesenorganisation mit der denkbar blutigsten Geschichte nach wie vor massiv staatlich gefördert wird.

Lawrence Wright
Im Gefängnis des Glaubens
(2103, DVA in München, 624 S., 22,99 €)
Ob die Ausgangsfragen, mit der der Verlag das Buch bewirkt, überhaupt stimmen, sei dahin gestellt. Denn ob gerade die Scientology eine größere Anziehungskraft hat als andere Verkünder einfacher Heilslehren, lässt sich sogar anhand der am Buchbeginn genannten Zahlen bezweifeln. Für die Qualität des Buches ist das wenig entscheidend. Denn wer einen tiefen Einblick in Arbeitsweisen und Methoden fundamentalistischer Religion bekommen will, ist mit dem Buch in jedem Fall gut bedient. Auch wenn es von vornherein aus einem sehr einseitigen Blickwinkel geschrieben ist, geprägt von den journalistischen Vorerfahrungen des Autors, der schon eine Story über Al-Quaida krimihaft aufbereitet hatte. Diese Art des Schreibens setzt sich hier fort.

Gerhard Czermak
Problemfall Religion
(2014, Tectum Verlag in Marburg, 480 S., 24,95 €)
Ein Kompendium der Religions- und Kirchenkritik - so steht es im Untertitel. Und das verspricht nicht zuviel. Denn das aktuelle Werk ist quasi eine Zusammenschau der vielen Literatur, Beispielfälle, historischen Abhandlungen und Quellenarbeit, die seit Jahrzehnten das Wirken von Kirchen und die anti-aufklärerische Beeinflussung durch Religionen unter die Lupe nehmen. Czermaks Buch liefert den fundierten Überblick - mit langen Quellen-, Literatur- und Stichwortlisten. Dabei bildet er einen Schwerpunkt auf die christlichen Kirchen und Strömungen, fügt am Ende aber Kurzüberblick zu anderen Weltreligionen an. Ganz zum Abschluss zeigt er sich dann leider als typischer Humanist. Denn das dortige Denken, längst auch seitens ihrer Führungsfiguren von Eigen- und Organisationsinteressen, Glaubensgrundsätzen und mancher Moral durchzogen, führt er kritiklos als neue Ethik vor.