2015-01:Wie wird mensch Welterklärungsvereinfacher in?

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Wie wird mensch Welterklärungsvereinfacher_in?

jb Das Kernmerkmal der Weltvereinfachungen ist die Vereinfachung. Der konkrete Inhalt ist dabei fast egal. Viele Einteilungen in Gut und Böse sind möglich, ganz unterschiedliche Feindbilder können ausgerufen werden. Als im Winter 2014/15 unter dem Banner von PEGIDA und ähnlich klingenden Nachmacher_innen Zigtausende auf die Straße gingen, war das ein seltsames Gebräu sehr unterschiedlicher Menschen, die alle irgendeinen Frust schoben und dafür eine einfache Erklärung, vor allem schnell ortbare Schuldige suchten.

Was die PEGIDA-Führung da an - meist rechten - Vorschlägen unterbreitete, war den meisten gar nicht wichtig. Die Anti-PEGIDA-Front machte es sich auch schön einfach und packte die riesige Menge verwirrter und denkfauler Menschen auf ihrem Weg in einfache Welterklärungen in eine gemeinsame Schublade: Nazis. Oder wahlweise: Rassisten. Das war die gleiche Waffe mit anderem Inhalt. Der Erfolg blieb folglich nicht aus: Das Einfache hat zur Zeit Konjunktur. Mit Sprüchen gegen Ausländer_innen lassen sich Menschen mobilisieren - am besten, wenn sie richtig platt sind. Wer diese Vereinfacher_innen dann wiederum platt als Nazis über einen Kamm schert, kriegt auch ordentlich Zustimmung. Wer nachdenkt und analysiert, erntet auf beiden Seiten nur Ablehnung. Oder Ausgrenzung. Wer einfache Orientierung in Gut-Böse-Schemata sucht, wird automatisch zur_m vereinfachten Welterklärer_in.


Weltvereinfachungs-Hopping: Jürgen Elsässer

Eine fast unglaubliche Karriere legte Jürgen Elsässer hin. Die Stationen von ganz links nach ziemlich weit rechts lassen sich auf Wikipedia nachlesen (Auszüge): „Elsässer schrieb für die Zeitung Arbeiterkampf (AK) des Kommunistischen Bundes (KB). [...] Bei der [...] Spaltung des KB gehörte Elsässer zu dem Teil, der von nun an die Zeitschrift Bahamas herausgab, in der er fortan publizierte. In Berlin wurde Elsässer leitender Redakteur und kurzzeitig auch Chefredakteur der linken Tageszeitung junge Welt. [...] Nach Protesten gegen eine Personalentscheidung des Geschäftsführers Dietmar Koschmieder war er 1997 mit anderen Redakteuren an der Gründung des neuen Zeitungsprojekts Jungle World beteiligt, als deren Mitherausgeber ihm 2000 gekündigt wurde. Später wurde er Redakteur bei dem Magazin konkret und schrieb außerdem regelmäßig unter anderem für die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung. [...] Seit April 2008 arbeitete Elsässer für die Tageszeitung Neues Deutschland, die sich jedoch bereits im Januar 2009 von Elsässer trennte, da Elsässer „an rechte Parolen angedockt“ habe. Weiterhin schreibt er für die Islamische Zeitung und die Wochenzeitung Zeit-Fragen, bis 2009 schrieb er auch für die Wochenzeitung der Freitag. 2009 erschienen mehrere Artikel von Jürgen Elsässer bei Kopp Online, dem Nachrichtenportal des verschwörungstheoretischen Kopp Verlages. Seit Sommer 2009 ist Elsässer Herausgeber der Taschenbuchreihe Compact im Kai Homilius Verlag und seit Ende 2010 auch Chefredakteur und Verleger (gemeinsam mit Kai Homilius und Andreas Abu Bakr Rieger) des gleichnamigen Monatsmagazins, das nach Eigeneinschätzung eine Brücke zwischen linken und rechten politischen Positionen schlagen soll.“
Die abenteuerliche Karriere zeigte sich auch in seinen Texten. Noch 2006 regte sich Elsässer in seinem Beitrag „Alte Feinde, neue Feinde“ in der explizit linken Tageszeitung „Junge Welt“ über die sogenannten Antideutschen auf (für deren Leitmedien wie konkret und Jungle World er selbst vorher gearbeitet hat). Diese hatten sich aus Antifa-Gruppen gebildet und waren zu glühenden Anhänger_innen militärischer Konfliktlösungen und der vor allem militärisch agierenden unter den kapitalistischen Nationalstaaten (USA, Israel) geworden.
Sein Buch „Nationalstaat und Globalisierung“ zeigt die nächste Etappe, die Elsässer auf dem Weg von linken zu rechten Weltvereinfachungen hinlegte. Er beschreibt dort 2009 - phasenweise sehr prägnant und aufschlussreich - den Machtgewinn internationaler Kapitalstrukturen. Doch statt nun die Menschen als Verlierer_innen und damit als Kraft zur Befreiung zu entdecken, bejammert er die Täter der Globalisierung. Niemand anders als die Nationalstaaten und ihre Bündnisse hatten das internationale Kapital so stark gemacht. Sie wären also zumindest selbst schuld. Wer ihre Wiedererstarkung fordert, hat die Krisen verblendet analysiert. Aus der (berechtigten) Frustration über die Kapital-Globalisierung sucht Elsässer, offenbar tief verzweifelt, das Heil in den Nationalstaaten. Die Menschen hatte er gar nicht auf dem Schirm, sondern schritt weiter vorwärts zur Befürwortung des Nationalen. Der Rest des Weges in Richtung inzwischen mitunter tiefbrauner Gedanken folgte in den Jahren danach, u.a. mit der Gründung einer „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“ im Januar 2009 auf. Die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise sei ein „bewusster Angriff des anglo-amerikanischen Finanzkapitals“, den es abzuwehren gelte - Zitat nach Wikipedia, dort weiter: „Elsässer vertritt ethnopluralistische Positionen wie eine Schädlichkeit des „Vermischen[s]“ von Völkern. Er verteidigte die Thesen des Buches Deutschland schafft sich ab und stellte den „Sarrazin-Block“ in der Bevölkerung dem „Wulff-Block“ gegenüber. Nachdem Bundespräsident Christian Wulff in einer Rede zum Jahrestag der Wiedervereinigung 2010 den Islam als Teil Deutschlands bezeichnet hatte, kritisierte Elsässer Wulffs Positionen als „Angriff auf Deutschland“: „Den Multikulti-Strategen um Wulff sei gesagt: Die Identität Deutschlands wurzelt in der ,deutschen Leitkultur`. Diese wird geprägt durch die großen Strömungen des Christentums im Land. [...] Jüdische und islamische Einflüsse gab und gibt es zwar. Sie als gleichberechtigt daneben stellen zu wollen, ist aber in der Sache unsinnig und in der Intention zerstörerisch für die deutsche Nationalkultur.“ Elsässer begrüßt die Initiativen des rechtskonservativen ungarischen Kabinetts Orbán und dessen Verfassungsänderungen bezüglich der Betonung der nationalen Souveränität des Landes und der Festschreibung des Forint in der Verfassung. Am 21. April 2014 trat Elsässer bei einer der Mahnwachen für den Frieden am Potsdamer Platz auf.“
Elsässer ist nicht irgendjemand, sondern eine Führungsfigur. Compact dürfte die wichtigste Zeitung der Weltvereinfacher_innen sein - mit deutlichen Andockpunkten nach rechts. Seine Karriere ist daher symptomatisch. Was wie ein unfassbarer Ritt von ganz links nach ganz rechts aussieht, ist tatsächlich zu erklären: Elsässer setzt auf primitive Analysen, auf krasse Vereinfachung und Pauschalisierung. Die konkreten Inhalte wechselt er vielleicht häufiger als seine Unterhose, aber dem Prinzip bleibt er gleich. Er konstruiert einfache Erklärungsmuster und agiert damit als Rattenfänger unter den Orientierungslosen. Die aktuellen Unterhosen sind braun. Aber auch das kann sich jederzeit ändern.