2019-01:Tar Sands

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Teil 14

"Tar Sands":
Nachhaltige Zerstörung von Urwäldern und Feuchtgebieten, Enteignung indigener Menschen und größter Einzelverursacher des Treibhauseffekts

fb Die bisherigen Teile dieses Artikels gaben einen Überblick über die Tar Sands-Vorkommen und die Ölindustrie in Alberta. Weiterer Fokus waren die ökologischen Auswirkungen der Tar Sands-Industrie, die Technologie der Rohölerzeugung aus den Tar Sands von der Konditionierung bis zum Upgrading sowie die Abbauverfahren und Probleme der Renaturierung. Im vorletzten Teil und letzten Teil wurde versucht Geschichte und Hintergründe des Landraubs an den indigenen Gemeinschaften Nordamerikas einzuordnen. Die Geschichte und der Einfluss der Hudson Bay Company wurde bereits behandelt - hier wird nun ein zweites, für die Erschließung und Ausbeutung insbesondere der heutigen Tar Sands-Gebiete wichtiges, Unternehmen erörtert.



North West Company

Die Privatfirma "North West Company" wurde 1779, also etwas mehr als 100 Jahre später, mit einer ähnlichen Mission wie die Hudson's Bay Company (HBC, siehe Artikel #12 im Heft "Frühjahr 2017") errichtet, um die nordwestlich des Einflussbereichs der HBC liegenden Gebiete Nordamerikas auszubeuten. 1821 ging das Unternehmen in der HBC auf. Der Konkurrenzkampf zwischen den beiden Handelsunternehmen war derart ausgeartet, dass es regelrecht zu Gemetzeln kam und schließlich von Regierungsseite aus die Verschmelzung erzwungen wurde. Zuvor waren schon andere Morde im Konkurrenzkampf der North West Company mit weiteren Konkurrenten dokumentiert. Ausgehend von der im Vergleich mit den britischen Unternehmungen in Nordamerika früheren französischen Landung in Québec im Jahr 1608 hatten sich zunächst sogenannte "Waldläufer" ausgebreitet und bauten ein Pelzhandelsimperium im Einzugsgebiet des Sankt-Lorenz-Stroms auf. Anders als die später eintreffenden britischen Händler bereisten sie das nördliche Binnenland und und trieben Handel mit den indigenen Gemeinschaften in deren Camps und Dörfern. Nach der Niederlage Frankreichs im Krieg mit der Britischen Krone übernahmen 1763 englischsprachige Händler ("pedlars") die Pelzhandelsposten, welche sich im Laufe der Zeit immer wieder vereinigten, um Kosten aus dem Konkurrenzkampf untereinander zu reduzieren. Dies waren die Vorläufer der späteren North West Company, die ihren Hauptsitz in Montreal haben sollte.[1]

Die zunächst zwanzig Anteilshaber umfassende Gesellschaft richtete unter anderem unter dem bekannten Entdecker Alexander Mackenzie[2] mehrere wichtige Expeditionen aus - insbesondere entlang des damals "Grand River" genannten Mackenzie River bis zum Nordpolarmeer (1789)[2] und entlang des Peace River bis an die Pazifikküste (1792-1793)[2].[1] Entdecker der North West Company gründeten 1788 am Lake Athabasca Fort Chipewyan, heute ein Ort, in dessen Nähe drei indigene sowie eine weiße Gemeinschaft Siedlungen haben[2][3], die unter den belasteten Abwässern der Tar Sands-Industrie leiden, die über den Athabasca River mehrere hundert Kilometer flussabwärts der Industriestandorte bei Fort McMurray liegt. Fort Chipewyan kann heute über den Landweg nur im Winter erreicht werden - von Fort McMurray im Süden und von Fort Smith im Norden via Winterstraße,[4] die nur bei Dauerfrost sicher befahrbar sind. Ansonsten bleiben nur der Luftweg oder der Athabasca River als Wasserstraße im Sommer[4]. Es waren vor allem Händler wie die Mitarbeiter der North West Company, die große Teile der bis dahin noch nicht von Europäern erkundete Gebiete des Nordwestens auskundschafteten.

Der Versuch von HBC und North West Company, die amerikanischen Gebiete, die sie dominierten, effektiv auszubeuten, führte schon damals zu ökologischen Problemen - beispielsweise waren die Biberpopulationen durch den Pelzhandel extrem unter Druck und liefen Gefahr zu verschwinden.[1]

Hudson Bay

Die Hudson Bay (oft auch "Hudson's Bay" in historischen Dokumenten) ist ein großer Salzwasserkörper mit einer Fläche von etwa 1.230.000 km² im Nordosten Kanadas. In der Sprache der Ayisiniwok und Aha payew[5] (die bekanntere Kolonialbezeichnung ist "Cree") wird sie "Wînipekw" (Südlicher Dialekt) oder "Wînipâkw" (Nördlicher Dialekt) genannt, was sinngemäß "schmutziges Wasser" heißt. Es besteht eine namentliche Ähnlichkeit mit der Stadt Winnipeg, die am in dieser Sprache ebenfalls "wīnipēk (ᐐᓂᐯᐠ)"[6] bezeichneten Winnipegsee, dem 11.-größten Süßwassersee der Erde[6], liegt. Die Provinzen Nunavut, Manitoba, Ontario und Quebec grenzen an die Hudson Bay.[7]

Dieses gewaltige Gewässer liegt nicht im Einzugsgebiet der Tar Sands-Industrie. Die Distanz zwischen Fort McMurray und dem westlichen Ufer der Hudson Bay beträgt etwa 1.000 km[8]. Südliche Gebiete Albertas gehören zwar zum Wassereinzugsgebiet der Hudson Bay[9][7], aber nicht die genannten nicht-konventionellen Öllagerstätten.

Athabasca River und -see

Der Athabasca River (Cree-Bezeichnung: "wo es Schilf gibt") ist ein 1.231 km langer Fluss in der kanadischen Provinz Alberta. Er entspringt dem Athabasca-Gletscher im südwestlichen Teil Albertas im Jasper-Nationalpark. Von hier verläuft er in nordöstlicher Richtung durch die Great Plains, passiert die Tar Sands-Industriegebiete sowie Fort McMurray und mündet schließlich in den Athabascasee. Sein Wassereinzugsgebiet umfasst eine Fläche von ca. 153.000 km². Er gehört zum Mackenzie River-Flusssystem.[10]

Der Athabascasee befindet sich im nordöstlichsten Zipfel Albertas und im nordwestlichsten Saskatchewans und bedeckt eine Fläche von 7.849 km². Im Osten wird er vom Wood-Buffalo-Nationalpark begrenzt. Am Nordufer des Sees befindet sich auch die Stadt Uranium City, so genannt wegen der dort gefundenen Uran- und Goldvorkommen, die bis in die 1980er Jahre abgebaut wurden. Bis heute leidet der nördliche Teil des Athabascasees deshalb unter erheblichen ökologischen Beeinträchtigungen. Etwas weiter südlich befinden sich die bedeutendsten Tar Sands-Vorkommen, deren Ausbeutung für weitere erhebliche Umweltbelastungen der Region verantwortlich ist.[11]

Nahe dem Einfluss in den Athabascasee befindet sich der Abfluss des Sklavenflusses (Slave River), der weiter nördlich in den in den Nordwest-Territorien gelegenen Großen Sklavensee mündet. Hier wiederum beginnt der Mackenzie, ein Fluss, der nach seinem schottischen Entdecker (1789) Alexander MacKenzie (zeitweise Miteigentümer der North West Company)[12] benannt wurde und schließlich in die Beaufortsee, ein Teil des Nordpolarmeeres[13], mündet. MacKenzie war mit einigen Begleitern von dem damaligen Handelsposten Fort Chipewyan, heute die am meisten von den Auswirkungen der Tar Sands-Ausbeutung beeintächtigte Siedlung[14], auf die zuvor beschriebene Route aufgebrochen.[15]

Indigene Gemeinschaften

In der Region Albertas, in der die Tar Sands ausgebeutet werden, leben viele indigene Menschen in verschiedenen Städten und Dörfern, aber auch in den vom kanadischen Staat zugestandenen Reservaten. Fünf "First Nations", die Selbstbezeichnung der indigenen Gemeinschaften Kanadas, aus diesem Gebiet haben sich im Athabasca Tribal Council organisiert, einem Organisierungszusammenschluss, der die Selbstverwaltung und Souveränität dieser indigenen Gemeinschaften gewährleisten soll. - Quasi die Regierung und Verwaltung der vertretenen First Nations[16].

Athabasca Chipewyan First Nation

Besonders bekannt im Zusammenhang mit den Kämpfen um die Tar Sands-Verwertung sind einerseits die Athabasca Chipewyan First Nation, wo von hohen Erkrankungsraten seit dem massiven Aufbau dieser Industrie berichtet wird. Fort Chipewyan, wovon sich der Name dieser First Nation herleitet, liegt an der Einmündung des Athabasca River in den Athabascasee[17]. Dieser Fluss durchquert das Gebiet, in dem die Athabasca Oil Sands-Lagerstätte ausgebeutet wird und wo mehrere massive Industrieansiedlungen erhebliche Schadstoffmengen an Luft und Wasser abgeben. Der Athabasca River transportiert viele dieser Schadstoffe über hunderte von Kilometern bis nach Fort Chipewyan (und weiter), wo sie sich einerseits im Sediment, andererseits in den Lebewesen, die hier von der Natur leben, anreichern. Neben bis dahin ungewohnten Krebserkrankungen wurden auch Mutationen von Wasserlebewesen festgestellt.

Fort McKay First Nation

Die Fort McKay First Nation (FMFN) wiederum war in der Anfangszeit der Tar Sands-Industrie in Alberta im Kampf mit dieser, wurde aber von den weißen Umwelt-NGOs Kanadas damals im Stich gelassen und gab ihren Widerstand schließlich auf. Seit den 1980ern versucht sie unter Chief Jim Boucher[18] durch Kooperationen mit der Industrie und durch das Angebot von Dienstleistungen wie die Pflege renaturierter Flächen, aber auch industrielle Zuarbeiten, zumindest einen kleinen Teil von den Profiten der Konzerne für die eigene Gemeinde abzuschöpfen[19]. Im Artikel zur Brandkatastrophe in der Region Fort McMurray im Sommer 2016 behandelt ein Absatz dieses Thema nochmal konkret.

"We believe the practice and preservation of our traditional ways of life can occur simultaneously alongside continuous and responsible oil sands development. This philsophy has allowed us to enhance our community’s social and economic conditions through effective partnerships with industry and government.
We are known for our solid working relationships with the surrounding oil sands companies and strive to balance resource development with protecting the health of our community and the environment." (Zitat von der Website der Fort McKay First Nation[20])

Die Gemeinde Fort McKay befindet sich in der Regional Municipality Wood Buffalo, ca. 65 km nördlich von Fort McMurray[19]. Damit gehören Teile der von der Ölindustrie besetzten Gebiete zu ihrem Territorium[21]. Die Fort McKay First Nation gehört zu den Unterzeichnern des Vertrag Nr. 8. Sie gehören zu den früher nomadisch lebenden Chipewyan (Denesuline), die einst von der Jagd, dem Fallenstellen, Fischfang sowie dem Sammeln in den Wäldern entlang des Athabasca River lebten, aber mit dem Aufkommen des Pelzhandels und 1820 der Errichtung eines Hudson’s Bay Company-Handelsposten sowie feindlichen nach Nordwesten vordringenden Bush Cree der Woodland Cree bald zusammen mit den Cree als sogenannte Homeguards dauerhaft bei den Posten siedelten. Mitglieder der Fort McKay First Nation haben Wurzeln in den Cree (Eigenbezeichnungen: Ayisiniwok und Aha payew bzw. Iniwak, Iyiniwok, Eenou, Iynu oder Eeyou), Métis und Dené[22][19]. Aus einer 2011 veröffentlichten Statistik[23] gehen folgende fünf Reservate mit einer Fläche von ca. 149 km² und einer Bevölkerung von 888 (2019)[24] hervor: Fort McKay 174, Fort McKay 174C, Fort McKay 174D, Namur Lake 174B und Namur River 174A[21].[5]

Lediglich die Reservate am Namur Lake und Gardiner Lake, unter der Bevölkerung bekannter als Moose Lake (Elchsee) and Buffalo Lake (Büffelsee), etwa 50 km nordwestlich von Fort McKay, sind weit genug von den Tar Sands-Abbaugebieten entfernt, um den Menschen von Fort McKay zu erlauben sicher und in Frieden Jagd, Fallenstellen, Fischen und Beerensammeln nachzugehen. Dieses Territorium ist Teil der Traditional Lands der Fort McKay First Nation und gilt deren Mitgliedern als heilig sowie ist die Grabstätte vieler ihrer Vorfahren. Die indigene Gemeinschaft versucht nun wenigstens das Reservat am Moose Lake zu beschützen und zu bewahren, um "sicherzustellen, dass unsere Kinder und Enkelkinder einen sauberen, friedlichen Ort haben, wo unsere Tradition und Kultur lebendig bleiben".[25]

Die Cree erweiterten schon vor dem Jahr 1500 ihre Einflussgebiete ausgehend von der Region der James Bay, also dem südlichen Ende der Hudson Bay, westwärts[21]. Die ältesten Funde von als Clearwater Punctuate bezeichneten Tonwaren in Saskatchewan stammen aus dem 16. Jahrhundert. In Alberta gibt es zwei kulturell stark unterschiedliche Cree-Gruppen, die Plains Cree, die in den Graslandschaften der Prärien leben und früher überwiegend von der Jagd auf Büffel in ausgedehnten Jagdgebieten lebten, und die Woodland Cree, deren Lebensraum die Waldgebiete waren, wo sie vergleichsweise ortsfest auf relativ engem Raum wanderten und vom Fischfang, vor allem White Fish, lebten.[5]

Spätestens mit dem Auftauchen französischer bzw. englischer Pelzhändler vergrößerte sich der Bereich, in dem sie agierten - vor allem durch die Vermittlerrolle, die sie zwischen den Handelsposten der Europäer und den davon weiter abgelegenen anderen First Nations spielten. Diese Ausbreitung erfolgte der Geschichtsschreibung auf Wikipedia zufolge nicht ohne Gewalt, sondern ging mit Kriegen gegen schlechter ausgerüstete indigene Gemeinschaften einher, denn durch den direkten Kontakt zu den Weißen hatten sie privilegierten Zugriff auf neue Waffen. Mit der Zeit dehnten sich die europäischen Handelsposten in diesen Breiten Nordamerikas so weit aus, dass mehr und mehr andere First Nations direkten Zugang zu derartiger Ausrüstung hatten und immer neue Bündnisse, Allianzen und Konfliktlinien entstanden. Oft bildeten die Cree neue Siedlungen im Umfeld der Handelsposten von vor allem Hudson’s Bay Company und North West Company, um ihre Zwischenhändlerfunktion effektiv ausüben zu können. Wikipedia zufolge waren die Gewinnspannen bei der Weitergabe europäischer Handelsgüter (einschließlich fragwürdiger "Luxuswaren" wie Glasperlen) enorm, was andere First Nations motivierte den direkten Kontakt mit den Handelsposten zu erlangen und zu konkurrenzmotivierten Kriegen führte. Neben dem Handel mit Pelzen und vielen anderen von anderen Gemeinschaften produzierten Waren betrieben die Cree weiterhin die Jagd und tauschten daraus gewonnene Produkte mit den Europäern.[5]

Die Fort McKay First Nation entstand aus einer auf die 1820er Jahre zurückgehenden Cree-Ansiedlung nahe eines Handelsposten der Hudson's Bay Company[19], der 1912 nach Dr. William Morrison MacKay, dem ersten Anstaltsarzt Albertas und ersten Präsidenten der Medizinischen Vereinigung Nord-Albertas (Northern Alberta Medical Association), benannt wurde.[26] Das heutige Gebiet der indigenen Gemeinschaft erstreckt sich entlang der Ufer des Athabasca River und grenzt an das Gebiet der Fort McKay Métis Community[22].

Weitere First Nations im Athabasca Tribal Council:


Beeinträchtigungen

Das Vordringen der europäischen Siedler*innen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und insbesondere die industriellen Aktivitäten zur Erschließung der damals kaum bekannten Bodenschätze haben massiven Einfluss auf das Leben und die Umwelt der hier seit Tausenden Jahren ansässigen[17] Gemeinschaften: "Da Wälder kahlgeschlagen und Feuchtgebiete zerstört wurden, sind die Möglichkeiten der indigenen Menschen der Gegend ihr Leben in traditioneller Weise zu führen geschwunden. Der Straßenbau öffnete die Gebiete für Überfischung und Bejagung, was die im Treaty 8 versprochene Lebensweise noch weiter herabsetzt. Außerdem wurden Teile Nordost-Albertas durch die Verschmutzung von Luft und Wasser durch die Tar Sands-Gewinnung erheblich beeinträchtigt, was die Qualität und den Wert von Fischen und Tieren, die von lokalen indigenen Gemeinschaften gejagt werden, verringert hat." (Einschätzung auf Wikipedia basierend auf einem 2014 bei der Konferenz "Energy in the Americas" vorgestellten Dokument[27])[28]

Epidemien

Der Handel mit den europäischen Eroberern brachte eine Reihe Krankheitserreger, mit denen die indigenen Gemeinschaften bis dahin nie konfrontiert waren und die zum Tod von oft mehr als der Hälfte bis nahezu der gesamten Bevölkerung betroffener First Nations führte. 1835 zum Beispiel tötete eine Grippe-Epidemie, die entlang des Athabasca River und des Peace River ausbrach, eine Vielzahl der Wood Stoney (Eigenbezeichnungen: Iyethkabi, Îyârhe Nakodabi), Woodland Assiniboine (Eigenbezeichnung: Nakonabi) und Woodland Cree (Eigenbezeichnungen: Saka Wi Iniwak, Sakau Wiyiniwak, Sakāwithiniwak, Nīhithawak). Eine ebenso heftige Epidemie führte 1838 zum Tod von fünf Sechstel oder mehr der Plains Cree (Eigenbezeichnungen: Paskwa Wi Iniwak, Paskwāwiyiniwak, Nehiyawak). Zwischen 1836 und 1839 starben die Hälfte bis zwei Drittel der Assiniboine an den Pocken. Bereits in den Jahren 1780-1781 traf eine Pockenepidemie die nahe dem Red Deer Lake (auch: Lac La Biche) lebenden Nêhiyawak, der bereits etwa die Hälfte jener Plains Cree zum Opfer fiel.[5]

Verdrängung

Die Cree lebten vor allem von der Jagd auf den Amerikanischen Bison, auch bekannt als Büffel. Vor der Ankunft der europäischen Eroberer in Nordamerika lag der Bestand der Büffel bei geschätzten 30 Millionen Tieren; Ende des 19. Jahrhunderts waren nur noch verschwindend kleine Restpopulationen von insgesamt weniger als 1.000 Büffeln übrig; heute leben wieder etwa 30.000 dieser Tiere in Freiheit. Neben dem bekannten Yellowstone-Nationalpark ist vor allem der in Nordalberta, nördlich der Tar Sands-Industriestandorte und in dem Wirkungsfeld der flussabärts transportierten Schadstoffe 1922 errichtete liegende Wood Buffalo-Nationalpark ein wichtiges Rückzugsgebiet der heute als "potenziell gefährdet" eingestuften Art darstellt.[29] Als Ende des 19. Jahrhunderts deren Zahl mehr und mehr schrumpfte, wurde es für Cree und andere First Nations schwerer zu überleben. Dies verursachte Kämpfe zwischen den indigenen Gemeinschaften um die letzten Büffel und schließlich trugen Hungersnöte dazu bei, dass auch die Cree den Nummerierten Verträgen Nr. 4, 5 und 6 zustimmten und ihren Lebensstil aufgaben, in der Hoffnung als Bäuer*innen zu überleben. Die letzten kleinen Gruppen, die noch versuchten unabhängig zu bleiben und von der Büffeljagd zu leben, mussten gegen 1880 resignieren und sammelten sich ausgehungert um die Forts. Die Europäer hatten in den schon längst mit einer Reihe von First Nations vereinbarten Verträge eine Grundversorgung unter der Bedingung sich den Vorstellungen der Weißen unterzuordnen und ein von diesen vorgezeichnetes Leben unter der Obhut der Königin Großbritanniens zu führen zugesichert[30].[5]

Die Büffel "verschwanden" nicht einfach so. Ihre massive Reduzierung war das Ergebnis einer Kombination exzessiver kapitalistischer Logik und imperialistisch-kolonialistischer Strategie. Bis 1870 töteten Rekonstruktionen zufolge sowohl europäische als auch weiße Jäger nur soviele der Tiere, wie sie für ihren eigenen Bedarf brauchten. Ein seit 1871 in Großbritannien und Deutschland entwickeltes Gerbverfahren zur Verarbeitung von Büffelleder in Schuhsohlen und Antriebsriemen für Maschinen führte in Kombination mit den Folgen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 zu einer enormen Nachfrage nach Büffelhaut. Mit dem Leder konnte so viel Profit gemacht werden, dass unter Duldung der US-Regierung Bisonjäger Massen dieser Tiere töteten, wobei die Haut abgezogen wurde und die Körper auf den Prärien verrottet lassen wurde. Ein weiterer relevanter Einflussfaktor war die Expansion der Einflussgebiete der weißen Eroberer, die sich hier vor allem durch den Eisenbahnbau zeigte. Die Amerikanischen Bisons wurden in großer Zahl zur Ernährung der Bahnarbeiter abgeschossen. Später, mit der Eröffnung der Central Pacific Railroad wurden Büffel auch in Massen von den Zügen aus erschossen. Dieses "Sports" aus der Sicherheit des Eisenfahrzeugs heraus befleißgten sich die sogenannten "Büffeljäger", die auf diese Weise pro Person zwischen 50-100 Tiere täglich umbrachten. Zwischen 1872 und 1874 wurden pro Jahr etwa eine Million Büffelfelle nach Osten verfrachtet. Schrittweise wurden nun die durch die Eisenbahn aufgeteilten Herden von den europäischen Eroberern ausgerottet. Die letzten 10.000 Tiere, die unter dem Schutz zu diesem Zeitpunkt noch widerständiger indigener Gemeinschaften noch überlebt hatten, wurden durch Scharfschützen an Wasserlöchern getötet, um die First Nations auszuhungern und in Reservate zu zwingen.[29]

Nachdem die zurückgedrängten und in zahllosen Schlachten dezimierten indigenen Gemeinschaften sich nach und nach dem Willen der europäischen Eroberer beugen mussten und sich in die oft zur Selbstversorgung nicht genügenden Reservate zurückgezogen hatten, wurden sie nun oft Ziel der bürgerlichen Aggression der nachströmenden weißen Siedler, die Anspruch auch auf diese Ländereien erhoben, die Indigenen als Bedrohung und schlechen Einfluss diffamierten und regelrechte öffentliche Hetze in ihren Zeitungen gegen sie führten. In der heutigen Hauptstadt der Provinz Alberta, Edmonton, gründete sich ein Edmonton Settlers' Rights Movement - behauptend, dass die Eindringlinge aus Europa den eigentlichen Anspruch auf das Land erheben könnten. Sie forderten die erneute Umsiedlung der einige Jahre zuvor auf Druck der Europäer im Papaschase Reserve Number 136 angesiedelten indigenen Menschen. Schrittweise wurden Gesetze erlassen, die eine Enteignung von Reservatsgebieten "im öffentlichen Interesse" erlaubten. Außerdem wurde mittels Aushungern und verschiedenster Mechanismen bewirkt, dass Indigene im Tausch gegen etwas zum Essen ihre Landrechte abgaben. 1888 schließlich gab die kleine First Nation das Papaschase Reserve Number 136 auf, da sie hier ohne Lebensmittel und staatliche Hilfe nicht überleben konnten. Seit 2001 fordern sie ihr Gebiet nun zurück.[5]


Aufstand 1885

Östlich von Edmonton, am Frog Lake erhob sich 1885 die Plains Cree-Nation Ayik Sakhikan Ininiwak (Frog Lake Cree) unter Chief Mistahimaskwa, bekannter als "Big Bear". Zuvor, in den Jahren 1879-1880, hatten er sowie die Chiefs der River Cree, Minahikosis ("Little Pine") und der Cree-Assiniboine, Payipwat erfolglos ein großes Gesamtreservat für diese First Nations gefordert, um in gegenseitiger Unterstützung ihre Autonomie zu wahren.[5]


Fortsetzung folgt! Weiter geht es mit diesem Hintergrundbericht in der nächsten Ausgabe. Oder, wer nicht so lange warten will, kann auf der Internetseite des grünen blatts bereits weiterlesen.

Dieser Artikel basiert auf Vorort-Recherchen in Alberta, Interviews mit Vertreter*innen von kanadischen Umwelt-NGOs, First Nations, aus Ölindustrie und Politik sowie auf Internet-Recherchen.


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Weiterführende Informationen

Tar Sands-Pipelines:

First Nations:

Initiativen, Gruppen, NGOs:

Fort McMurray:

Tar Sands-Lobby:


  1. 1,0 1,1 1,2 https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=North_West_Company&oldid=845333835 - gesichtet 9. Oktober 2018
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Alexander_Mackenzie_(explorer)&oldid=861318894 - gesichtet 9. Oktober 2018
  3. https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Lake_Athabasca&oldid=834214854 - gesichtet 9. Oktober 2018
  4. 4,0 4,1 https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Fort_Chipewyan&oldid=852878388 - gesichtet 9. Oktober 2018
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,7 https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Cree&oldid=188108910 - gesichtet 4. Mai 2019
  6. 6,0 6,1 https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Lake_Winnipeg&oldid=883807634 - gesichtet 3. Mai 2019
  7. 7,0 7,1 https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Hudson_Bay&oldid=894319274 - gesichtet 3. Mai 2019
  8. Berechnung unter Verwendung von Google Maps:
    https://www.google.de/maps/dir/Fort+McMurray/58.6741345,-94.449411/@56.5078882,-103.6771328,6.07z/data=!4m9!4m8!1m5!1m1!1s0x53b03aeeff1a4459:0x5c8133330dca74b7!2m2!1d-111.3803407!2d56.7263796!1m0!3e0 - gesichtet 4. Mai 2019
  9. https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Rupert%27s_Land&oldid=760073996 - gesichtet 4. Mai 2019
  10. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Athabasca_River&oldid=186823943 - gesichtet 24. Mai 2019
  11. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Athabascasee&oldid=171559584 - gesichtet 24. Mai 2019
  12. https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=North_West_Company&oldid=845333835 - gesichtet 24. Mai 2019
  13. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Beaufortsee&oldid=173702886 - gesichtet 24. Mai 2019
  14. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Fort_Chipewyan&oldid=176556807 - gesichtet 24. Mai 2019
  15. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mackenzie_River&oldid=186457276 - gesichtet 24. Mai 2019
  16. http://atc97.org/about-atc/what-is-a-tribal-council - gesichtet 3. Februar 2017
  17. 17,0 17,1 http://www.acfn.com/history - gesichtet 3. Februar 2017
  18. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Chipewyan&oldid=186424725 - gesichtet 25. Mai 2018
  19. 19,0 19,1 19,2 19,3 http://fortmckay.com/visitors/ - gesichtet 26. Mai 2019
  20. http://fortmckay.com - gesichtet 26. Mai 2019
  21. 21,0 21,1 21,2 https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Fort_McKay_First_Nation&oldid=880347569 - gesichtet 26. Mai 2019
  22. 22,0 22,1 http://www.fortmckayvirtualmuseum.com - gesichtet 26. Mai 2019
  23. Quelle: Indian and Northern Affairs Canada (INAC): Registered Population as of April, 2011
    in: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Cree&oldid=188108910 - gesichtet am 24. Mai 2019
  24. http://fnp-ppn.aandc-aadnc.gc.ca/fnp/Main/Search/FNRegPopulation.aspx?BAND_NUMBER=467&lang=eng - gesichtet 26. Mai 2019
  25. http://www.fortmckayvirtualmuseum.com/our-home/ - gesichtet 26. Mai 2019
  26. http://fortmckay.com/about/ - gesichtet 26. Mai 2019
  27. Patricia McCormack: "Conflicting Obligations: Oil Sands Development and Treaty No. 8."; Paper presented at the Energy in the Americas Conference, Calgary, Alberta, October 23–24, 2014; in: https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Treaty_8&oldid=733786523 - gesichtet 3. Februar 2017
  28. https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Treaty_8&oldid=733786523 - gesichtet 3. Februar 2017
  29. 29,0 29,1 https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Amerikanischer_Bison&oldid=188473440 - gesichtet 29. Mai 2019
  30. http://media.wix.com/ugd//75b7f5_8cbde24a19745ce155be22f595cc9362.pdf - gesichtet 29. Mai 2019