2022-01:Atom(ausstiegs)politiken in EU und USA: Unterschied zwischen den Versionen
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− | '''fb''' | + | '''fb''' Zum Stichtag 1. Juli 2021 stellte die Europäische Union mit 106 in Betrieb befindlichen Reaktoren die weltgrößte Flotte installierter Atomkraftwerksleistung bereit, nur knapp gefolgt von den USA mit 93 Reaktoren. Auf der Ebene der Staaten stehen die USA auf Rangplatz 1, gefolgt von Frankreich mit 56 Reaktoren und China mit 53 Reaktoren. Der Anteil von Atomenergie am Strommix machte in den USA 19,7%, in der EU 24,8% aus. 2020 wurde in der Europäischen Union von Regenerativen Energien (ohne Berücksichtigung der Wasserkraft) zum ersten Mal mehr Elektrizität erzeugt als durch Kernspaltung. Atomkraft ist offenbar sowohl in der EU als auch in den USA eine bedeutende Energiequelle (Schneider et al. 2021: 302, 354, 394). |
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+ | Den entscheidenden Anteil am Primärenergieverbrauch (also nicht nur Strom) bilden jedoch in beiden Regionen fossile Energieträger. Diese dominieren den Bruttoinlandsenergieverbrauch mit 69,3% in der EU (basierend auf Zahlen aus dem Jahr 2019), während sie in den USA (basierend auf Zahlen aus dem Jahr 2020) sogar 79% ausmachten (EIA 2021; eurostat 2021a). | ||
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+ | === Status und Perspektiven der Atomkraftnutzung === | ||
+ | In der Europäischen Union ist die Atomkraft hochgradig umstritten: 13 Mitgliedsstaaten betreiben Atomkraftwerke (AKW), von denen vier einen Atomausstieg beschlossen haben (Belgien, BRD, Spanien, Schweden); 14 Mitgliedsstaaten besitzen keine in Betrieb befindlichen Atomreaktoren, von denen einer (Polen) derzeit versucht ein umfangreiches Atomprogramm umzusetzen (.ausgestrahlt 2019: 24; eurostat 2021b). Drei Reaktoren wurden 2020 stillgelegt (Fessenheim=1+2, Ringhals=1), während sich vier solche im Bau befanden (Olkiluoto=3, Flamanville=3, Mochovce=3+4) – allerdings mit massiven Verspätungen von einem Jahrzehnt und länger sowie mit Kostenexplosionen bis zum 6fachen der ursprünglichen Kalkulationen (Neubauer 2008; Schneider et al. 2021: 75, 77–80, 84, 93, 355). Viele EU-Staaten werden letztlich das Kapitel der Atomstromproduktion aufgrund der zunehmenden Überalterung der Reaktorflotte (durchschnittlich 35,9 Jahre in der EU) und der wirtschaftlichen Unrentabilität neuer Atomkraftwerke in den nächsten Jahrzehnten schließen (Schneider u. a. 2021: 354 ff.). | ||
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+ | Schwer einzuschätzen sind für diese Einschätzung, die auf der Situation vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine basiert, die Auswirkungen der aktuellen Energiekrise. Diese hat zwar verdeutlicht, wie katastrophal auch in Hinsicht auf die Energieversorgungssicherheit der immer noch hohe Anteil fossiler Energieträger bei der Stromerzeugung ist, allerdings auch Kurzschlussreaktionen und aktiven pro- nuklearen Lobbyismus verursacht. Derzeit diskutieren verschiedene europäische Regierungen über Laufzeitverlängerungen für von Stilllegungen betroffene alte AKW (BRD), die Aufgabe des Atomausstiegs oder den Neubau von Reaktoren (Frankreich, Tschechien). Dabei ist die Abhängigkeit von russischen Energiequellen auch in der europäischen Atomindustrie groß und der Neubau von Atomanlagen ist weiterhin mit großen zeitlichen (Bauzeitüberziehungen) und finanziellen (Preissteigerungen) Problemen konfrontiert und daher unter rationalen Gesichtspunkten keine Option. Nur Atombombenstaaten haben aufgrund militärischer Interessen eine klare Motivation die Atomindustrie weiter mit Milliardenbeträgen zu subventionieren. Auch der Weiterbetrieb alter AKW ist kaum eine Hilfe in der Energiekrise: In der BRD kann Atomstrom nur einen winzigen Anteil der einzusparenden Gaskraftwerkskapazitäten ersetzen (ein wesentlicher Teil deren Produktion ist Heizwärme, die von den AKW nicht verfügbar ist) und könnte auch kaum zur Kostensenkung bei der Stromerzeugung beitragen. Absurderweise wird nunmehr für den deutschen AKW-Betrieb mit der französischen Atomstrommisere argumentiert, weil das hochgradig von AKW abhängige Land 2022 knapp die Hälfte seiner Anlagen wegen verschiedenster Probleme nicht nutzen und auf Stromimporte aus der BRD in der Größenordnung der Kapazitäten dreier Großkraftwerke angewiesen war. | ||
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These disputes are currently reflected in the struggles about the inclusion of nuclear power in the EU Taxonomy. Several EU and national bodies as well as expert groups published analyses on the issue, most concluding nuclear power not feasible at all to be considered a sustainable energy source. However, the Joint Research Centre, involved to several atomic projects, claimed nuclear energy not more harmful than other technologies already included. Several countries put pressure on the European Commission in support or in objection of nuclear power. By the end of 2021 the Commission is expected to take a decision (Pistner/Englert 2021; Schneider et al. 2021: 38–41). | These disputes are currently reflected in the struggles about the inclusion of nuclear power in the EU Taxonomy. Several EU and national bodies as well as expert groups published analyses on the issue, most concluding nuclear power not feasible at all to be considered a sustainable energy source. However, the Joint Research Centre, involved to several atomic projects, claimed nuclear energy not more harmful than other technologies already included. Several countries put pressure on the European Commission in support or in objection of nuclear power. By the end of 2021 the Commission is expected to take a decision (Pistner/Englert 2021; Schneider et al. 2021: 38–41). |
Version vom 20:26, 3. Okt 2022
(noch ins Deutsche zu übersetzen)
Atom(ausstiegs)politiken in EU und USA
fb Zum Stichtag 1. Juli 2021 stellte die Europäische Union mit 106 in Betrieb befindlichen Reaktoren die weltgrößte Flotte installierter Atomkraftwerksleistung bereit, nur knapp gefolgt von den USA mit 93 Reaktoren. Auf der Ebene der Staaten stehen die USA auf Rangplatz 1, gefolgt von Frankreich mit 56 Reaktoren und China mit 53 Reaktoren. Der Anteil von Atomenergie am Strommix machte in den USA 19,7%, in der EU 24,8% aus. 2020 wurde in der Europäischen Union von Regenerativen Energien (ohne Berücksichtigung der Wasserkraft) zum ersten Mal mehr Elektrizität erzeugt als durch Kernspaltung. Atomkraft ist offenbar sowohl in der EU als auch in den USA eine bedeutende Energiequelle (Schneider et al. 2021: 302, 354, 394).
Den entscheidenden Anteil am Primärenergieverbrauch (also nicht nur Strom) bilden jedoch in beiden Regionen fossile Energieträger. Diese dominieren den Bruttoinlandsenergieverbrauch mit 69,3% in der EU (basierend auf Zahlen aus dem Jahr 2019), während sie in den USA (basierend auf Zahlen aus dem Jahr 2020) sogar 79% ausmachten (EIA 2021; eurostat 2021a).
Status und Perspektiven der Atomkraftnutzung
In der Europäischen Union ist die Atomkraft hochgradig umstritten: 13 Mitgliedsstaaten betreiben Atomkraftwerke (AKW), von denen vier einen Atomausstieg beschlossen haben (Belgien, BRD, Spanien, Schweden); 14 Mitgliedsstaaten besitzen keine in Betrieb befindlichen Atomreaktoren, von denen einer (Polen) derzeit versucht ein umfangreiches Atomprogramm umzusetzen (.ausgestrahlt 2019: 24; eurostat 2021b). Drei Reaktoren wurden 2020 stillgelegt (Fessenheim=1+2, Ringhals=1), während sich vier solche im Bau befanden (Olkiluoto=3, Flamanville=3, Mochovce=3+4) – allerdings mit massiven Verspätungen von einem Jahrzehnt und länger sowie mit Kostenexplosionen bis zum 6fachen der ursprünglichen Kalkulationen (Neubauer 2008; Schneider et al. 2021: 75, 77–80, 84, 93, 355). Viele EU-Staaten werden letztlich das Kapitel der Atomstromproduktion aufgrund der zunehmenden Überalterung der Reaktorflotte (durchschnittlich 35,9 Jahre in der EU) und der wirtschaftlichen Unrentabilität neuer Atomkraftwerke in den nächsten Jahrzehnten schließen (Schneider u. a. 2021: 354 ff.).
Schwer einzuschätzen sind für diese Einschätzung, die auf der Situation vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine basiert, die Auswirkungen der aktuellen Energiekrise. Diese hat zwar verdeutlicht, wie katastrophal auch in Hinsicht auf die Energieversorgungssicherheit der immer noch hohe Anteil fossiler Energieträger bei der Stromerzeugung ist, allerdings auch Kurzschlussreaktionen und aktiven pro- nuklearen Lobbyismus verursacht. Derzeit diskutieren verschiedene europäische Regierungen über Laufzeitverlängerungen für von Stilllegungen betroffene alte AKW (BRD), die Aufgabe des Atomausstiegs oder den Neubau von Reaktoren (Frankreich, Tschechien). Dabei ist die Abhängigkeit von russischen Energiequellen auch in der europäischen Atomindustrie groß und der Neubau von Atomanlagen ist weiterhin mit großen zeitlichen (Bauzeitüberziehungen) und finanziellen (Preissteigerungen) Problemen konfrontiert und daher unter rationalen Gesichtspunkten keine Option. Nur Atombombenstaaten haben aufgrund militärischer Interessen eine klare Motivation die Atomindustrie weiter mit Milliardenbeträgen zu subventionieren. Auch der Weiterbetrieb alter AKW ist kaum eine Hilfe in der Energiekrise: In der BRD kann Atomstrom nur einen winzigen Anteil der einzusparenden Gaskraftwerkskapazitäten ersetzen (ein wesentlicher Teil deren Produktion ist Heizwärme, die von den AKW nicht verfügbar ist) und könnte auch kaum zur Kostensenkung bei der Stromerzeugung beitragen. Absurderweise wird nunmehr für den deutschen AKW-Betrieb mit der französischen Atomstrommisere argumentiert, weil das hochgradig von AKW abhängige Land 2022 knapp die Hälfte seiner Anlagen wegen verschiedenster Probleme nicht nutzen und auf Stromimporte aus der BRD in der Größenordnung der Kapazitäten dreier Großkraftwerke angewiesen war.
These disputes are currently reflected in the struggles about the inclusion of nuclear power in the EU Taxonomy. Several EU and national bodies as well as expert groups published analyses on the issue, most concluding nuclear power not feasible at all to be considered a sustainable energy source. However, the Joint Research Centre, involved to several atomic projects, claimed nuclear energy not more harmful than other technologies already included. Several countries put pressure on the European Commission in support or in objection of nuclear power. By the end of 2021 the Commission is expected to take a decision (Pistner/Englert 2021; Schneider et al. 2021: 38–41).
In the United States during last few years, we can notice the decline of nuclear energy, too. In 2021 two reactors were closed, one in Iowa (Duane Arnold-1) and another one in the state of New York (Indian Point-2). Almost all nuclear reactors in the USA have an age between 31-40 years (46 units) or 41-50 years (41 units), but only one is younger than 10 years. The usual initial nuclear plant lifetime is 40 years in the USA, which was extended by 20 more years already for 85 of the reactors in operation, but a 2017 NRC policy makes additional 20 years more possible, so reactors could operate up to 80 years – 6 units already received this license (Schneider et al. 2021: 147, 149–150).
The Biden administration is intending to reduce the US gas emissions by supporting nuclear power, especially with the Zero-emission Nuclear Power Production Credit Act suggested to the U.S. Congress in June 2021. This could lead to a tax credit of US$15/MWh helping struggling nuclear power plants to avoid closure (WNISR 2021: 148). Two reactors are still under construction with construction costs more than quadrupled: units 3 and 4 of the Vogtle project in the state of Georgia (WNISR 2021: 147, 155 f.). So, on the one hand, nuclear power in the US is decreasing because reactors had to be shut down, but on the other hand, the Biden administration is trying to prevent this by developing new measures and providing financial support (Congress 2021; Schneider et al. 2021: 147–148, 155–161). The main difference between the nuclear policy approaches of EU and USA is that the European Union shows great disunity on the future of the atomic technology, while in the United States much more is possible for this industry due to a lack of a nuclear phase-out policy. Therefore, closures of reactors in the USA are usually caused by their low economy, sometimes combined with protest impacts. In the EU the member’s nuclear policies are quite contrary, but as long as no state subsidies are provided for nuclear power, its utilization will overall – likewise due to economic reasons – coast down, with some countries shortening this respective horizon with particular phase-out policies.
Conclusion
We found several similarities between European Union and United States of America: Both want to transform their energy systems to reduce greenhouse gas emissions towards zero. Both are still strongly dependent on fossil fuels and both maintain the hugest atomic reactor fleets in the world, while experiencing a continuously decreasing nuclear industry. Differences can be seen on the one hand regarding the concreteness and ambitiousness of their climate policies where the European Union currently presents greater plans. Concerning nuclear power, on the other hand, the European Union shows great disunity on the future of this technology, while in the United States much more is possible for this industry due to a lack of a nuclear phase-out policy. Therefore, closures of reactors in the USA are usually caused by their low economy, sometimes combined with protest impacts. In the EU the member’s nuclear policies are quite contrary, but as long as no state subsidies are provided for nuclear power, its utilization will overall – likewise due to economic reasons – coast down, with some countries shortening this respective horizon with particular phase-out policies.
Literatur
- .ausgestrahlt (2019): „Atomkraft auf der Kippe“. .ausgestrahlt-Magazin. Hamburg S. 1–24.
- Congress (2021): „H.R.4024 - Zero-Emission Nuclear Power Production Credit Act of 2021“. congress.gov. U.S. Congress.
- EIA (2021): „Consumption and production“. Energy Information Administration. U.S. Energy Information Administration Abgerufen am 26.11.2021 von https://www.eia.gov/energyexplained/us-energy-facts/.
- eurostat (2021a): „Energy Statistics - an overview“. eurostat: Statistics Explained. eurostat Abgerufen am 26.11.2021 von https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Energy_statistics_-_an_overview#Final_energy_consumption.
- eurostat (2021b): „Nuclear energy statistics“. eurostat: Statistics Explained. eurostat Abgerufen am 25.11.2021 von http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Nuclear_energy_statistics.
- Neubauer, Lundquist (2008): „Erster EPR in Frankreich wird um ein Fünftel teurer als geplant“. Verivox Abgerufen am 25.11.2021 von https://www.verivox.de/strom/nachrichten/erster-epr-in-frankreich-wird-um-ein-fuenftel-teurer-als-geplant-38450/.
- Pistner, Christoph; Englert, Matthias (2021): Nuclear Power and the „do no significant harm“ criteria of the EU Taxonomy. ( Nr. 4/2021) (Oeko-Institut Working Paper).
- Schneider, Mycle; Froggatt, Antony; Hazemann, Julie; u. a. (2021): The World Nuclear Industry Status Report 2021. Paris.