Diskussion:2010-01:Erfolg kommt nicht von folgen

Aus grünes blatt
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Korrekturen

Hi FloH!
Ich habe deinen Text in Hinsicht auf Rechtschreibung korrigiert - bitte achte darauf diese Korrekturen auch in die Druckfassung zu übernehmen.

Inhaltlich finde ich super, dass du dich mit dem anti-atom-Diskurs und mit der Geschichte der Bewegung auseinander setzt. An vielen Detailpunkten sind meine Einschätzungen abweichend. Das ändert aber nichts an der Gesamteinschätzung dieser Prozesse, die ich teile. Aus meiner Sicht, die von den Erfahrungen mit den gerade neu entstehenden Anti-Atom-Bewegungen in vielen anderen Ländern, in denen ich aktiv bin, geprägt ist, ist das besondere hervorzuhebende am Anti-Atom-Widerstand in Deutschland:

  • dezentralisiert, also keine Führung durch NGOs oder einzelne WortführerInnen (obwohl Organisationen wie .ausgestrahlt versuchen sich ungefragt selbst zu WortführerInnen "der Bewegung" zu machen)
  • grundsätzliche Toleranz gegenüber anderen Aktionsformen und Strategien, was bedeutet, dass andere Vorgehensweise okay sind, ohne dass dann alle mitmachen müssten - so ist beispielsweise die Akzeptanz von Militanz und Sachbeschädigungen in weiten Kreisen ziemlich hoch (selbst bei ansonsten Konservativen); das "Streckenkonzept" (die Aufteilung der Castorstrecke auf verschiedene Aktionskonzepte) ist eine super Maßnahme um hohe Vielfalt zu ermöglichen
  • "Unberechenbarkeit" - ich bin überzeugt, dass der politische Erfolg und die Stärke der Anti-AKW-Bewegung in der BRD direkt in der Vielfalt und damit verbundenen Unberechenbarkeit für Polizei, Atommafia und Politik liegt. Ganz besonders auch das Vorhandensein "gewaltbereiter" Strömungen ist da wichtig, selbst wenn in vielen konkreten Einzelfällen der Sinn der Aktion in Frage steht. In anderen Ländern erlebe ich, dass diese Toleranz solcher Aktionsformen kaum vorhanden ist - und dass gleichzeitig nach meiner Wahrnehmung die Stärke der außerparlamentarischen Bewegungen deutlich geringer ist. Ich denke das liegt in deren Berechenbarkeit begründet.
  • Offenheit für andere gesellschaftliche Kämpfe - zumindest in weiten Teilen der Bewegung. Und damit Anknüpfungspunkte für gemeinsame Kämpfe und gegenseitige Unterstützung

Meine Position zur Menschenkette war bis zu deren Realisierung auch, dass es kontraproduktiv ist sowas zu inszinieren, weil ich überzeugt war, dass es so gut wie unmöglich wäre die notwendige Masse an Menschen auf die Straße zu kriegen - insbesondere angesichts der kurzen Vorlaufzeit. Ein taktischer Misserfolg, der vermeidbar wäre, schien mir absehbar. Die organisatorischen Erfolge der VeranstalterInnen haben mich im Nachhinein aber beeindruckt. Dieser "Tschernobyl-Tag" hat Zeichen gesetzt, die Folgen haben werden. Das bedeutet aber nicht, dass die Vorbereitung und Inszenierung dieser Aktion deshalb im Nachhinein okay wäre. Insbesondere die Arroganz, die gegenüber die Anti-Atom-Gruppen, die ein gemeinsames Konzept für den Tschernobyl-Tag absprechen wollten, denen aber verdeutlicht wurde, dass sie unwichtig sind und diese Aktion auch ohne Beteiligung der Anti-AKW-Bewegung gemacht würde (und ein Erfolg würde, aufgrund der Connections in Gewerkschaften und Parteien), ist inakzeptabel. Da zeigt sich sehr viel von der grundsätzlichen politischen Einstellung einzelner Führungsfiguren.

Trotz dieser Kritik an der Aufmachung der Menschenkette hat sie politische Zeichen gesetzt und wird meiner Annahme nach zu einer Stärkung von Anti-Atom-Positionen in der Politik führen. Das bedeutet aber noch nicht, dass damit der Atomausstieg durchgesetzt würde oder dass nun die Anti-Atom-Bewegung ein Selbstläufer wird. Denn wie du schon schreibst, wurden insbesondere große Massen an Leuten, die sich nicht selbst organisieren, mobilisiert. Massenaktionen wie diese sind also erstmal nur wiederholbar, wenn wieder zentral dafür geworben wird - also durch stark hierarchische Organisationsmodelle. Das hat aus meiner Sicht keine Zukunft für eine emanzipatorische Bewegung, sondern mehr für die Macht einiger NGOs und deren Führungspersonen - denn die stärken damit ihren Ruf und ihre Perspektiven im Herrschaftssystem.

Meiner Meinung nach kommt es jetzt darauf an, das Potenzial an atomkraftkritischen Menschen zu erreichen (das dürfte jetzt etwas einfacher sein wegen der gesamtgesellschaftlichen Stimmung) und möglichst viele davon zu motivieren selbst aktiv zu werden. In den Folgeprozessen lassen sich hoffentlich auch Ideen wie Herrschaftskritik, Selbstorganisation und Selbstbestimmung vermitteln. Überwiegend sind die TeilnehmerInnen dieser Großaktionen ja "EinsteigerInnen" in die Anti-Atom-Szene und es gibt da gewiss einiges Entwicklungspotenzial.


Das als erster Kommentar von mir.

--Falk 13:31, 14. Mai 2010 (CEST)
P.S.: Check mal, ob alle Korrekturen treffen, was gemeint war - beispielsweise konnte ich nur raten was "Popisierung" sein soll...