2007-02:Perspektiven der Selbstorganisation - Herrschaft und Technik: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Perpektiven der Selbstorganisation'''
 
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Die Kritik die dem Prinzip Selbstorganisation und Herrschaftsfreiheit entgegen gebracht wurde brachte mich doch sehr zum nachdenken. Ausserdem brachte mich die Auffassung, dass "gute" Technik zu einer freie Geselschaft führt doch sehr ins stutzen. Dieser Artikel soll also die Idee der Selbstorganisation auf ihre konkrete Anwendungsmöglichkeiten überprüfen und herausfinden ob bestimmte Hochtechnologien dem Prinzip der Hierachiefreiheit entgegen wirken.
 
  
 
In der Einladung zum Seminar "Herrschaftsfreie Welt" in Magdeburg wird eine solche Utopie-Formulierung ganz kurz angrissen:
 
In der Einladung zum Seminar "Herrschaftsfreie Welt" in Magdeburg wird eine solche Utopie-Formulierung ganz kurz angrissen:
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John Zerzan und andere Anarcho-Primitivsten sind wie ich finde wenig brauchbar, da sie keine lebbaren Alternativen vorschlagen sonder ein "Zurück zu Jäger und Sammlern" welches zum einen für viele Menschen einfach nicht praktikabel und zum anderen kulturell, in der jetzigen natürlichen Umgebung und mit jetzigen Bevölkerungszahlen höchst wahrscheinlich physisch unmöglich ist.
 
John Zerzan und andere Anarcho-Primitivsten sind wie ich finde wenig brauchbar, da sie keine lebbaren Alternativen vorschlagen sonder ein "Zurück zu Jäger und Sammlern" welches zum einen für viele Menschen einfach nicht praktikabel und zum anderen kulturell, in der jetzigen natürlichen Umgebung und mit jetzigen Bevölkerungszahlen höchst wahrscheinlich physisch unmöglich ist.
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[[Kategorie:Frühsommer 2007]]
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[[Kategorie:Artikel]]

Version vom 14:04, 18. Mär 2007

Von Permakultur und der "Mega-Machine"

jhc Die Kritik die dem Prinzip Selbstorganisation und Herrschaftsfreiheit entgegen gebracht wurde brachte mich doch sehr zum nachdenken. Ausserdem brachte mich die Auffassung, dass "gute" Technik zu einer freie Geselschaft führt doch sehr ins stutzen. Dieser Artikel soll also die Idee der Selbstorganisation auf ihre konkrete Anwendungsmöglichkeiten überprüfen und herausfinden ob bestimmte Hochtechnologien dem Prinzip der Hierachiefreiheit entgegen wirken.

Perpektiven der Selbstorganisation

In der Einladung zum Seminar "Herrschaftsfreie Welt" in Magdeburg wird eine solche Utopie-Formulierung ganz kurz angrissen:


Doch schon beim Beschaffen des Essens wird es recht schwierig. Ich beschränke mich hier auf die Selbstversorgung mit selbst erzeugten Lebensmitteln weil das Containern für mich keine wirklich emanzipatorische sondern nur eine Übergangslösung seien kann. Schließlich ist sie voll und ganz von der verschwenderischen Lebensmittelindustrie abhängig. Kein Kapitalismus, kein Containern. In diesem Kontext ist die Landwirtschaft ist eine langfristige, ja rythmische Angelegenheit die Kontinuität erfordert und nicht Spontanität des Containerns. Daher wird schon hier die Idee der herrschaftsfreien Selbstorganisation hoch komplex aber durchaus lösbar. Einige Menschen die am Gartenbau interessiert sind schließen sich also zusammen und wollen einen Garten anlegen und beginnen die Planung. Was wird angebaut? Wird diese Frage lediglich unter den Menschen die später den Garten pflegen geklärt? Oder wird, sofern der Garten nicht nur zur Versorgung der Einzelnen Teilnehmer dienen soll sondern der Allgemeinheit, die anderen Mitmenschen mit einbezogen? Wird nur das angebaut was diejenigen die den Garten pflegen anbauen möchten oder wird auf Wünsche "von aussen" eingegangen? Vielleicht mache ich es alles komplizierte als es es ist, aber solche Fragen würde ich mir stellen. In diesem Zusammenhang ist wichtig zwischen purem Individualismus (purem Individualanarchismus) was darin enden würde das jede "sein eigenes Süppchen kocht" dem Einsatz von persönliche Fahigkeiten je nach Motivation des Individuums für die "Gemeinschaft" zu unterscheiden.

Meine Teil-Lösung für dieses scheinbare Dilemma wäre Permakultur. Schließlich hat das Prinzip Permakultur zum Ziel mit möglichst wenig Energieaufwand möglichst viel ernten zu können und fruchtbare Ökosysteme zu schaffen die sich selbst erhalten und nur minimaler "Pflege" bedürfen. Dennoch bedarf auch ein Permakultur-Waldgarten genauste Planung und verschlingt beim Anlagen unmengen an Energie. Diese kann jedoch recht einfach im in der Gruppe der "freien Menschen in freien Vereinbarungen" getroffen werden. Einmal angelegt ist ein solcher Permakultur-Garten ein flexibles und vor allem Vielfältiges System das hoffentlich all den Wünschen der "Gemeinschaft" nachkommen kann. Hilfreich wäre es natrürlich wenn das Wissen der Menschen weitervermittelt wird, damit der Garten auch nachdem einige Menschen abgewandert sind weiter existieren kann und die Geschichte und Planung detailliert dokumentiert wurde.

In einem solchen Szernatio könnte der scheinbare Widerspruch zwischen "freien Vereinbarungen" und Gemeinschaft aufgelöst werden. Natürlich würde in der Praxis zahlreicher andere Probleme auftauchen. Aber wer oder was ist schon perfekt? In diesem Sinne sollte auch nicht alles was nicht von vornherein als "herrschaftsfrei" gelabelt wurde kategorisch abgelehnt werden. Das wäre so als wenn man "Freie Menschen in Freien Vereinbarungen" zum Dogma erheben würde. Vielmehr ist es wichtig die Idee weiterzuentwickeln und Potentiale in bestehenden Projekten wie Ökodörfern und Kommunen auszumachen zu nutzen und konstruktive Kritik zu über und gleichzeitig die konstruktive Kritik an seinen eigenen Ideen durch Selbstreflektion berücksichtigen.

Man kann also sehen das so grundlegende Dinge wie die Essensbeschaffung (ohne Mampf schließlich kein Kampf) recht komplexe Angelegenheiten seien können. Desto komplexer der Produktionsverlauf desto schwieriger wird es sein Herrschaftsfreiheit herzustellen. Dies ist der Punkt an dem meine Technologie-Kritik ansetzt.

Herrschaft und Technik

Nimmt man beispielsweise diese Zeitschrift bei der der Redaktions- und Layoutprozess recht hierachiefrei und horizontal organsiert (auch dies wird später kritisch hinterfragt) sind und geht davon aus, dass man eine Gruppe von Menschen hat die eine solche Zeitung produzieren möchten dann braucht man z.B. eine Druckwerkstatt und einen Computer. Zerlegt man den Bau von Drucker und Computer in seine Einzelschritte bekommt man einen ziemlichen komplexen Produktionsprozess.

Anfangen könnte man bei der Rohstoff-, Ressourcen- und Chemikalien-Beschaffung die nunmal Ausgangsmaterialien für die Herstellung von Computern und Druckern sind. Meine Frage lautet schlicht und einfach: Können todbringende Jobs wie das "aus dem Boden kratzen" von Rohstoffen mit hochgiftigen Chemikalien und die vielen anderen "Scheissjobs" die für die Herstellung von Maschinen im Allgemeinen immer nötig sind jemals hierachiefrei geschweige denn ökologisch vertretbar, selbstorganisiert werden? Das darf bezweifelt werden... Mit diesem Dilemma sind alle scheinbar "egalitären" Produktionsformen wie zum Beispiel der Anarcho-Syndikalismus konfrontiert. Murray Bookchin (siehe Artikel "Social Ecology Kongress in London - Reflektionen und Lehren") schlägt rotationsförmige Auführung dieser "Scheissjobs" vor. Tut mir leid aber ich möchte auch nicht mal im geringsten sporadisch mit hochgiftigen Chemiekalien und todbringender Arbeit in Kontakt kommen. Bookchins glaube an das "Heil der Technik" das und von allen Zwängen erlösen wird ist, wenn man es vorsichtigt formuliert zynisch. Dieses Szenario scheint mir nur möglich wenn man über kurz oder lang eine Diktatur etabliert die dafür sorgt das genug Maschinen produziert werden um die "Scheissjobs" zu übernehmen. Und wenn man schonmal eine solche Autorität aufgebaut hat, warum sie dann nicht gleich für die Wartung aufrecht erhalten? Maschinen die so gut wie alle beschissenen Arbeiten übernehmen scheint mir wie ein "Matrix-Szenario".

Was mich zu einem anderen Punkt gegen Technik bringt. Gibt es ein Herrschaftsverhältnis zwischen Maschine und Mensch? Kontrolliert der Computer dich, oder kontrollierst du den Computer? Sind viele Technologien nicht immer entfremdend wie es Ivan Illich in der "Politischen Kritik der Technik" formulierte? Und um auf die Redaktions- und Layoutarbeit des Grünen Blatts zurückzukommen: Ist das Internet nicht eine riesige Barriere für all jene dem der Rechner nicht in die Wiege gelegt wurde? Wikis sind nicht so einfach wir sie für uns "Technikfreaks" scheinen. Noch unter Menschen die jetzt in ihren späten 20igern sind gibt es viele die nicht wirklich mir Computern umgehen könnten um an dem "Offenen Medium" Grünes Blatt mitarbeiten können. Und was ist mit der wachsenden Zahl an alten Menschen? Wie können diejenigen partizipieren die immernoch gerne Briefe schreiben? Es scheint mir wichtig anzubieten Artikel auch per Post der Redaktion zukommen zu lassen, die diese dann abtippt.

Eine Recht simple Lösung für das Barriereproblem. Dies löst aber nicht den immanent hierachischen Character von Maschinen und Technik der oben beschrieben wurde und auch von der Grünen Blatt Redaktion hingenommen wird.

Ein weiteres Problem im Produktionsprozess von Maschinen und Technik ist die Eintönigkeit der Arbeit. Viele dutzend hochspezialisierte Berufe sind nötig und mindestens genausoviele verschiedene Stufen Fließbandarbeit um zu einem fertigen Computer zu kommen. Mit Vielfalt und Kreativität hat das überhaupt nichts mehr zu tun. Auch sei angemerkt, dass die High-Tech-Forschung heutzutage komplett dem kapitalistischen System dient und von ihm abhängt. Ein Großteil der Erfindung war kein Produkt menschlicher Neugier sondern diente dem Interesse des Kapitalismus. Die elektrische Beleuchtung ist nur ein Beispiel mit dem die Arbeiter jetzt auch nachts schufften konnten. Letztlich sei erwähnt die Konsequenzen der Technik-Produktion ein besonders offensichtlich Fall von Nord-Süd Imperialismus darstellt, da die Länder des globalen Südens als Rohstoffgruben für die Maschinerie des Nordens herhalten muss.

Ein einfaches Leben aber erfülltes Leben scheint für mich bestrebenswert wenn man es ernst mein mit Hierachien und Selbstorganisation. Dies schließt natürlich nicht aus alles was direkt recycelt werden kann wieder zu verwenden. Windräder können beispielsweise fast komplett auch Schrott gebaut werden und Laptops die jetzt schon zusammengeschraubt sind gehören natürlich nicht in die Mülltonne. Die Rechner müssten aber eben konsquent mit "hierachiefreier und selbstorganisierter" (in allen Produktionsschritten) Energie versorgt werden. In diesem Sinne wird herrschaftsfreie und selbstorganisierte Selbstversorgung in Bioregionen, einen an sich verstaubte Idee wieder sehr relevant.

In ihrer Essenz stärkt diese Technik-Kritik das Prinzip der Herrschaftsfreiheit und Selbstorganisation. Je simpler einfacher und praktischer der Produktionsprozess (wie z.B. die Essensbeschaffung oben) ist, desto leichter lassen sich die Prinzipien anwenden. Wie beschrieben schreien gerade Technik-Gläubige stufenweise nach mehr Zwang, Repression und Kompromissen. Je nach Komplexität wird entweder nach Mehrheitsentscheiden alla "Anarcho-Syndikalismus / Bookchins Direkter Demokratie" gerufen oder schärferen Repressionmechanismen im Namen der Industrie-, Servicegesellschaft und Technik gerufen.

Vielleicht findet dieser Text ja seine Bestimmung während des Seminars "Herrschaftsfreie Welt" (http://herrschaftsfreie-welt.de.vu/) und wird dort angeregt debattiert, kritisiert und gelesen. Wenn ich es schaffe, wonach es nicht aussieht, werde ich im September in Magdeburg wohl auch vorbeischauen.

Menschen die sich mit dem Thema Herrschaft und Technik auseinandergesetzt haben:

Ivan Illich Mahatma Gandhi Leo Tolstoi E. F. Schumacher

John Zerzan und andere Anarcho-Primitivsten sind wie ich finde wenig brauchbar, da sie keine lebbaren Alternativen vorschlagen sonder ein "Zurück zu Jäger und Sammlern" welches zum einen für viele Menschen einfach nicht praktikabel und zum anderen kulturell, in der jetzigen natürlichen Umgebung und mit jetzigen Bevölkerungszahlen höchst wahrscheinlich physisch unmöglich ist.