2014-02:Anti-Atom-Bewegung und -Politik in Österreich

Aus grünes blatt
Version vom 23. Mai 2014, 14:31 Uhr von Falk (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „== Anti-Atom-Bewegung und -Politik in Österreich == '''Bernhard Riepl''' Die österreichische Situation könnte als einmalig bezeichnet werden, da kein andere…“)
(Unterschied) →Nächstältere Version | Aktuelle Version ansehen (Unterschied) | Nächstjüngere Version← (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen

Anti-Atom-Bewegung und -Politik in Österreich

Bernhard Riepl Die österreichische Situation könnte als einmalig bezeichnet werden, da kein anderes Land der Welt in seiner Verfassung verankert hat, dass es auf die Nutzung der Atomkraft verzichten wird. Noch bis 1978 lag die Sache anders und es war ein Referendum, mit dem nur wenig mehr als 50% der Wähler*innen dem Start des ersten und einzigen AKW in Zwentendorf westlich von Wien einen Riegel vorschoben. Der Ausgang des Referendums war für das politische Establishment eine Überraschung, aber wurde letztlich akzeptiert. Wöre dann nicht 1986 die Katastrophe in Tschernobyl passiert, hätten sich langfristig die Tendenzen innerhalb Österreichs, das bereits fertig gebaute AKW doch noch zu starten, wahrscheinlich durchgesetzt.

Nach 1986 wagte es kein*e Politiker*in, die wiedergewählt werden wollte, mehr noch für Atomkraft zu sein. Einer der Nebeneffekte des 1978er Referendums und des Unfalls in Tschernobyl war außerdem die Entwicklung der Grünen Partei, die bis jetzt aber noch nie an einer Regierung auf Bundesebene beteiligt war. Auf regionaler Ebene ist dies etwas anders, und insbesondere im Bundesland Oberösterreich, wo sie sogar für ein regierungsfinanziertes Programm sorgten, das Anti-Atom-Projekte auch in Nachbarländern unterstützt und einen besonderen Schwerpunkt auf das AKW Temelín in Tschechien setzt.

Ein anderer wichtiger Aspekt in der österreichischen Diskussion ist übrigens, dass, angefangen mit kleinen privaten Initiativen, ein Markt für die Nutzung von Sonnenenergie geschaffen wurde. Österreich ist eines der wenigen Länder, wo es regelrecht als Mode bezeichnet werden könnte einen Solarkollektor auf dem eigene Dach zu haben. Am Anfang war es wirklich ein von der Basis kommender Prozess. Eines der Beispiele, die mensch nennen könnte, ist das mittlerweile etablierte Unternehmen "SOLARier Gesellschaft für erneuerbare Energie mbH".

Staatlich geförderte Installationen von Solarkollektoren zur Warmwassergewinnung zum Privatgebrauch und Heizen werden in Österreich allgemein anerkannt. Ganz anders ist die Situation mit dem Boom der Photovoltaik (PV), der in Österreich noch nicht stattfindet. Dieser Trend wird nur langsam Realität und liegt weit hinter dem in der BRD oder in Tschechien, wo innerhalb von drei Jahren mehr als 20mal mehr PV-Module als in Österreich installiert wurden. Begleitet wird dieser Boom in beiden Ländern von einer kontroversen öffentlichen Diskussion ("gutes Geschäft für die Reichen, finanziert von den Armen"), die bisher in Österreich vermieden werden konnte.

Windkraft ist ein großes Thema im Osten des Landes, und das Bundesland Burgenland wurde beispielsweise statistisch bereits komplett unabhängig von Fossil- und Atomenergie (hinsichtlich Elektrizität) und deckt seinen Energiebedarf vollständig mit erneuerbaren Ressourcen. Im Westen dieses teils alpinen Landes dominieren die Wasserkraftwerke und ermöglichen Österreich tatsächlich einen hohen Grad an Deckung seiner Energieversorgung mit erneuerbaren Quellen.

Eine ganz andere Geschichte ist natürlich die Situation der Anti-Atom-Bewegung als Ganzes, auch wenn sie nicht völlig unabhängig von der Struktur des Energiesystems betrachtet werden kann. Österreich ist ein recht junger Staat hinsichtlich seiner aktuellen Strukturen und und dem Land fehlt sowas wie ein Gründungsmythos. Als das Habsburger Imperium 1918 zusammenbrach, betrachteten die Leute in Wien ihr Land als den "Rest, der noch übrig war". So begann die moderne Identität des Landes erst nach 1955, nachdem die Truppen, die nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Land Teil Nazi-Deutschlands war, geblieben waren, abgezogen wurden. Damals entwickelte sich ein wichtiger Punkt der modernen österreichischen Identität, die sogenannte "Neutralität" - ähnlich dem Schweizer Modell. Trotzdem war die österreichische Neutralität immer mehr ein Art Alibi als ein wirkliches Politikkonzept. - Vielleicht mit der Ausnahme der Regierungszeit des Kanzlers Kreisky, der dieses Konzept von Neutralität in der Außenpolitik des Landes zu beleben versuchte.