2016-02:Tar Sands

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Teil 11

"Tar Sands":
Nachhaltige Zerstörung von Urwäldern und Feuchtgebieten, Enteignung indigener Menschen und größter Einzelverursacher des Treibhauseffekts

fb Die bisherigen Teile dieses Artikels gaben einen Überblick über die Tar Sands-Vorkommen und die Ölindustrie in Alberta. Weiterer Fokus waren die ökologischen Auswirkungen der Tar Sands-Industrie, die Technologie der Rohölerzeugung aus den Tar Sands von der Konditionierung bis zum Upgrading sowie die Abbauverfahren. In den letzten Teilen ging es um sogenannte "Renaturierungs"-Beispiele der Tar Sands-Industrie. Zuletzt haben wir einen Einschub zum Großbrand in Fort McMurray und den Waldgebieten im Kernland der Öllobby vorgenommen, der nun aktualisiert und fortgesetzt wird.



Fortsetzung: Auswirkungen auf Tar Sands-Unternehmen

Der größte Teil der Tar Sands-Betriebe der Region beutet die Natur im nördlich von Fort McMurray aus, aber einige operieren auch im Süden, wo das Feuer seine Hauptschneise zog. So musste aufgrund des sich nähernden Waldbrandes beispielsweise der Betrieb "Long Lake project" des Sub-Unternehmens Nexen des chinesischen Ölkonzerns CNOOC eingestellt werden. Dies ist einer der bisher bestätigten von Feuerschäden betroffenen Betriebe der Ölindustrie[1]. Aber auch Unternehmen im Norden mussten ihre Produktion reduzieren - einerseits wegen der auf ein Minimum reduzierten Belegschaft von Betrieben, die soviele Arbeiter*innen wie nur möglich evakuieren wollten, andererseits aufgrund der limitierten Transportmöglichkeiten, die sich durch die Stilllegung der Pipelines in den Süden ergaben. Diese befinden sich in der Regel direkt am Straßenrand des vom Feuer ebenfalls überrannten Highway 63. Zu schaffen macht der Industrie auch einmal mehr die begrenzten Verkehrskapazitäten: Normalerweise führt von Fort McMurray nur eine Straße (Highway 63) in den Süden, von der dann als zweite Option ebenfalls in südliche Richtung der Highway 881 abzweigt. Außerdem gibt es eine "Winterstraße" in den Norden der Provinz, die aber durch Feuchtgebiete führt und daher nur bei starkem Bodenfrost befahrbar ist. Aufgrund der Jahreszeit ist die Winterstraße derzeit überhaupt nicht nutzbar, während die beiden Highways vom Feuer zeitweise komplett unzugänglich gemacht wurden, und insgesamt zumindest extrem limitiert in ihren Transportkapazitäten sind. Die Abbaugebiete und Industrieanlagen sind daher quasi vom Rest Albertas abgeschnitten. Alternative Luft- und Wasserwege sind zu beschränkt, um die Operation solch gigantischer Betriebe zu gewährleisten.[2]

Einfluss des Klimawandels

Einige Millionen Tonnen CO² wird das Horse River Fire schätzungsweise in die Atmosphäre freigesetzt haben. Verglichen mit den 2014 im Einflussgebiet Albertas abgegebenen 274 Millionen Tonnen, die überwiegend aufs Konto des Energiesektors geht - wo die Ölindustrie extrem dominiert - ist der globale Klimaeinfluss des Waldbrandes kaum erheblich, bestätigt auch Waldbrandexperte Prof. Dr. Mike Flannigan. Wenn allerdings noch viel Torfboden mitverbrennt, könnten die CO²-Emissionen doch noch Signifikanz gewinnen.[3]

Nordwest-Kanada hat sich im Vergleich zum Rest des Landes in den letzten Jahren stärker erwärmt, berichtet Matt Smith in seiner Reportage zum Klimaeinfluss auf die Brandkatastrophe in Alberta. Dadurch sind Pflanzen und abgestorbenes Gehölz trockener geworden, während umliegende Feuchtgebiete ebenfalls austrocknen und zu Zunder für entstehende Waldbrände werden. Gleichzeitig sorge das wärmere Wetter zu mehr Blitzen, die derartige Feuer entzünden können. Waldbrand-Experte Flannigan weist darauf hin, dass einer aktuellen Studie zufolge eine Temperaturerhöhung von nur 1 °C zu 12 % mehr Blitzeinschlägen führt. Obwohl nur etwa 3 % der beobachteten Waldbrände zu Zerstörungen über 200 Hektar führten, seien diese wenigen Feuer doch für 97 % der vernichteten Flächen verantwortlich. Und es wird schlimmer: "Im Augenblick erleben wir zwei oder drei wirklich schlimme Waldbrandjahre pro Jahrzehnt, aber bis zur Mitte dieses Jahrhunderts erwarte ich fünf schlimme Jahre pro Jahrzehnt", erklärt Flannigan den Vice News.[4]

Ökologische Auswirkungen

Eigentlich ist die von der Brandkatastrophe heimgesuchte Region sehr feucht - es handelt sich schließlich um Boreale Wälder und große Feuchtgebiete; die Gegend wird von einem Netz vieler kleinerer und größerer Gewässer durchzogen. Insofern ist es verwunderlich, dass sich ein solche gewaltiger Flächenbrand ereignen kann. Andererseits war die Natur bereits in den letzten Jahren auffällig trockener als gewöhnlich, was vor allem auf Klimaveränderungen im Zuge des Klimawandels zurückgefolgert wird.[3] Allerdings dürften auch die vielzähligen und oftmals großflächigen Eingriffe der Ölindustrie und der mit ihr einherkommenden Erschließungen mit all den Zufahrtswegen, Zuliefererbetrieben, Zuzug von Arbeiter*innen mit Familien und der dafür notwendige Ausbau der Infrastruktur Einfluss gehabt haben. Für typische Tar Sands-Abbaue werden zuallererst umfassende Entwässerungen der Moore vorgenommen - die sich auf die Grundwassersituation weitflächig auswirken dürften. Das lokale Klima dürfte auch aufgrund der Industrieaktivitäten, aber auch durch die gewöhnlichen Siedlungseffekte, wärmer als zuvor geworden sein.

Da im Zuge der langandauernden und weitreichenden Brände nicht nur die Gehölze an der Oberfläche abgebrannt sind, sondern auch das Wurzelwerk bis in mehrere Meter Tiefe abgetötet wurde, wird das Ökosystem erheblich länger benötigen, um sich von dem Waldbrand zu erholen, als das sonst der Fall ist. Auch die Artenvielfalt wird sich verändern, spekuliert Forstökologin Macdonald gegenüber The Guardian.[3]

Die bereits erwähnten Toxine, die durch die Katastrophe freigesetzt wurden, haben sich mit der Asche abgesetzt, welche mit den ersten heftigen Regenfällen als giftiger Schlamm in die Flusssysteme und letztlich in den Athabasca River gespült werden, erklärt Wasserexperte Schindler. Schon jetzt ist der Athabasca River durch die Unmengen Schadstoffe belastet, die von der Tar Sands-Industrie kontinuierlich in die Umwelt abgegeben werden, was durch die vom Feuer mobilisierten Schadstoffe noch verschlimmert wird, erklärte Ökologe Kevin Timoney im Guardian. Die Auswirkungen für Fische und andere Wasserorganismen seien nicht abzuschätzen.[3]

Nicht zu vergessen sei der toxische Müll, der nach der Brandkatastrophe bleibt, erinnert Timoney. Berge kontaminierten Schutts, verbrannte Autos und Häuser, zerstörte Infrastruktur, nach wochenlangem Stromausfall mit vergammelten Lebensmitteln gefüllte Kühlgeräte etc. seien zu entsorgen. Einiges könne vielleicht noch irgendwie verwertet werden, aber die Berge des verbleibenden Mülls werden eine Herausforderung für die Gemeinde Fort McMurray werden.[3]


Fortsetzung folgt! Weiter geht es mit diesem Hintergrundbericht in der nächsten Ausgabe - oder, wer nicht so lange warten will, kann auf der Internetseite des grünen blatts bereits weiter lesen.

Dieser Artikel basiert auf Vorort-Recherchen in Alberta, Interviews mit Vertreter*innen von kanadischen Umwelt-NGOs, First Nations, aus Ölindustrie und Politik sowie auf Internet-Recherchen.


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